MAK
Tnfemotionale 
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde 
Herausgeber: Norbert Ehrlich 
26. Jahrgang Wien, 1. Jänner 1934 Nr. 1 
Wiedergeburt des Sammlertums. 
Von H. W, May (München]. 
Wir müssen uns heute eingestehen, daß wir am I 
Zusammenbruche jener großen und breiten Basis des 
Sammlertums stehen, die dessen Idee überhaupt 
trug, auf deren Erdreich aller Wert des Sammelns 
erwuchs, aus der der ,,große“ Sammler ebenso auf 
baute, wie der Handel. Und! wir müssen einsehen, 
daß diese Tatsache eine ganz große und wichtige ist, 
nicht allein erklärbar aus äußeren Ursachen (wirt 
schaftlichen Verhältnissen, sozialen Uijpvälzungen.. 
usw.) sondern einzig und allein aus dem: großen Ge 
schehnis einer Kulturwende, die alles ergreift. Und 
mit der Erkenntnis des Zusammenbruches tritt an 
uns die Frage des Wiederaufbaus heran, an die wir 
garnicht früh genug denken können, weil die in der 
stürmischen Zerfallsauflösung der Sammlungen ru 
hende Gefahr des Verlustes wichtigen Kunst- und 
Kulturgutes eine sehr große ist. 
Der Gedanke des Wiederaufbaus verlangt vor 
allem Umkehr und Einkehr. Einkehr wiederum 
in den tiefen, natürlichsten und fundamentalsten 
Sinn des Sammelns überbauot, der uns verloren ge 
gangen war. Umkehr und Einkehr! Die Wiederauf 
richtung des Sammlertums der breiten Basis auf 
seinen alten und natürlichen Grundfesten ist keine 
Sache schöner Programme, verwalthchen Eingriffes 
oder gar staatsgesetzlicber Maßnahmen. Gerade 
diese allzu vernunftgemäße Auffassung, der über 
mäßige Glaube an die Macht der bürokratischen 
Regelung, der verwaltungsorganisatorischen Maß 
nahmen, hat, wie überall, auch dem Sammlertum 
schwere Einbußen gebracht. liebe ist eben nicht auf 
dem verwaltungsmäßigen oder dem Bürowege zu er 
zielen. Ara bürokratischen Machtwort sta^b das 
Sammlertum ebenso, wie gleicherweise die Museen, 
Ortssammlungen und Heimatmuseen der volklichen 
Verbundenheit, dadurch entrissen wurden, zum 
kaum mehr hescha.ubaren Magazingut geworden 
sind, das sich zum Selbstzweck erhob und seiner 
Aufgabe dtirch stete innige Verbundenheit mit d^m 
Volke fruchtbar zu sein, durch direkten Verkehr 
mit dem Sammler diesen anzueifern und zu erziehen, 
nicht mehr gerecht wird und!, ganz im Gegensätze 
zur ursorünglichen Idee, nunmehr das Volksgut in 
die unfruchtbare Sphäre des Entzogenen, Versperr 
ten, verwaltlich Verschlossenen und Sterilen ver 
schob. Davon kann jeder Sammler ein Lied singen, 
der einmal an eine solche Kunstverwaltung heran 
trat mit der bescheidenen Bitte sein Sammelstück 
mit dem gleichartigen Bestand des Museums verglei 
chen zu dürfen, der dann nach langem Anticham 
brieren nur seine Sammelbegeisterung als Legitima 
tion vorzuzeigen imstande war, statt Empfehlungen 
hoher und allerhöchster Herrschaften. Der dann von 
einem Aufseher mißgelaunt und als' störender Laie 
behandelt vor eine Vitrine geführt wurde und mm 
— durch das Glas hindurch das ersehnte Objekt 
einige kurze Minuten betrachten durfte, gestört vom 
Räuspern und! vom argwöhnischen Blick des 
Zerberus, 
Und doch gerade dieser provinzialen Museen 
bedarf der Sammler auf seiner Umkehr zum Land'- 
tschaftlichen als Geburtsstätte,' zum, Menschlich- 
Kunstverbundenen als seelischer Grundlage seines 
Sammelturas, Von jeher ging der wirkliche, große 
Sammler (groß nicht so sehr an Marktwert und Zahl 
seines Gutes, sondern an sammlerischer Persönlich 
keit,!] aus der Liebe zu Heimat und Landschaft her 
vor, Das war bei Wallraf ebenso wie bei den 
B p i s s e r e s, bei G o e t h e genau wie sogar noch 
bei Nemes. Das Heimatsammlertum ist der be 
scheidene, verborgene aber starke Quell 1 alles Sam 
melns, zu dem wir aus der Verkünstelung, Uelvr- 
snannung und! Verflachung zurückfinden müssen, der 
Quell, der quillt undl quillt und hinplätschert als Bach 
und hinfließt als Fluß und seine Ufer weitet zum 
Strom, bis er endlich: mündet ins Meer der großen, 
weltumspannenden Kunst, 
Zurück zum Quell! Der sich bescheiden ergießt 
und doch die großen undi geheimnisvollen Kräfte der 
Mutter Landschaft, der Mutter Heimaterde noch am, 
unverfälschtesten, unvermischte.sten enthält, Der 
noch keiner Versuchung der Ferne unterliegt in sei 
ner kindlich-starken Einfalt, auf dem noch keine 
fremden Schiffe verführerische Fracht tragen, noch 
nicht die fremden Zungen anderer Menschen, anderer 
I ander ihn bereden, wo aber noch alle Macht der 
Erdmutter wirkt. 
Vom. Quell zum Fluß, wer stark sich fühlt, vom 
Fluß zum: Strom, wer gereift am Werk, vom Strom
	        
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