MAK
Seite 14 
INTERNATIONALE SAMMLER-ZEITUNG 
Nr. 2/3 
von P i 1 o t y. Man muß jedesmal die Geschichte 
kennen, um das Bild zu verstehen, das lediglich raf 
finiert gemalte Literatur ist. Mit gleicher Entschlos 
senheit, aber auf ganz verschiedenen Wegen wende 
ten sich Liebermann und Hodler vom Nacherzählen 
bereits literarisch ausgesprochener Dinge ab. 
Prof. Wölfflin zeigte no'ch an drei Bildern von 
Raffael, Moretto und Dürer die geistige 
Größe der alten Kunst auf und wandte sich dann zu 
j der Gegenwart zurück mit einem ermutigenden 
i Schlußwort. Es wäre ganz falsch, die Künstler allein 
| verantwortlich zu machen. Die Zeit muß ihnen ent- 
! gegenkommen. Sie muß ihnen Fragen und Aufgaben 
stellen. Wir stehen an einer Wende. Es gilt, das Ideal 
des ganzen Menschen zu gestalten, die Einzelfunktio 
nen aus der Gesamtpersönlichkeit heraus zu begrei 
fen und den organischen Zusammenhang mit dem 
; Volksleben wiederherzustellen. 
Zwei JCunstgeiehrte. 
Friedrich Dörnhöifer, — Josef Meder. 
Innerhalb dreier Tage sind zwei Kunstgelehrte 
von internationalem Ruf vom Tode hinweggerafft 
worden: Friedrich Dörnhöifer und Josef 
Meder. 
Am 12. Jänner verschied auf seinem Ruhesitz zu 
Solln bei München der ehemalige Generaldirektor 
der Gemäldesammlungen des Staates Bayern, Ge 
heimrat Prof. Dr. Friedrich Dörnhöffer. Der Ver 
storbene, im Jahre 1865 zu Wien geboren, wo er das 
Kupferstichkabinett der Hofbibliothek und später die 
Moderne Galerie geleitet hatte, war 1914 als Nach 
folger Hugo von T s c h u d i s nach München berufen 
worden. Er hat das Ende seiner segensreichen Amts 
tätigkeit, die noch über die übliche Altersgrenze hin 
aus erstreckt worden war, nicht einmal um ein volles 
Jahr überlebt. 
An Dörnhöffer verliert die deutsche Gelehrte i- 
welt und das deutsche Kunstleben, verliert zumal 
München einen stillen, unverdrossenen, auch durch 
mancherlei unsachliche Widerstände nicht abge 
schreckten Arbeiter, der, abhold jeder geräuschvol 
len Selbstinszenierung, ungemein viel des Positiven 
sowohl für die Münchener Zentralinstitute als auch 
für die bayerischen Landesgalerien geleistet hat und 
sicherlich noch viel geleistet hätte ohne die aus 
nehmende Ungunst der Zeitverhältnisse, War doch 
das auf großzügige Neubaupläne gestützte Reform 
programm, das T schudi hatte liegenlassen müssen, 
durch den Kriegsausbruch und erst recht durch das 
Kriegsende undurchführbar geworden, so daß nun auf 
sehr beschränktem Raum und mit noch beschränk 
teren Geldmitteln der Versuch gewagt werden mußte, 
das damals von gegnerischen Parolen, aber auch von 
der Zeitentwicklung selber bedrohte Ansehen Mün 
chens als Galeriestadt aufs neue zu befestigen und zu 
mehren. 
Dörnhöffer, dessen stiller, fast verträumter Hal 
tung man die planvolle Tatkraft nicht ansah, mit der 
er sein Erneuerungswerk Zug um Zug durchsetzte, 
hat diese Aufgabe in einer Weise gelöst, die freilich 
den Kenner rascher und gründlicher überzeugt als 
das große, auf Sensationen erpichte Publikum, Ne 
ben der geschickten und zweckmäßigen Durchfüh 
rung aller äußerlichen Umbauten und Umordnmgen, 
hat er es verstanden, den nach Tschudis Tod teils in 
künstliche Unruhe versetzten, teils unter kunstfrem 
den Verwaltungstendenzen erstarrenden Münchener 
Sammlungen wieder die Bedeutung sachlich und im 
Einklang mit dem lebendigen Zeitgeist geleiteter 
Galerien zu geben. Hat dabei am meisten wohl die 
Neue Pinakothek gewonnen, so ist unendlich viel und 
stets das Richtige auch für die Alte Pinakothek und 
für die Neue Staatsgalerie geschehen. Bis in die letz 
ten Tage seiner Amtszeit reichten Dörnhöffers erfolg 
reiche Bemühungen um eine organische Verbindung 
zwischen den räumlich voneinander getrennten älte 
ren und neueren Beständen der Münchener Samm 
lungen. i’ 
Besonders erwähnenswert ist, daß Dörnhöffer es 
stets verstanden hat, die von ihm verwalteten Schätze 
in den Dienst der unmittelbaren lebendigen Anteil 
nahme zu stellen. Nachdem er gleich nach dem Welt 
krieg den aus Colmar nach München geflüchteten 
Isenheimer Altar der Oeffentlichkeit zugäng 
lich gemacht hatte, folgten fast Jahr für Jahr bedeu 
tende, zum Teil weit über die deutschen Grenzen 
hinaus beachtete Ausstellungen sowohl moderner 
Kunst (1924 Deutsche Malerei in den letzten fünfzig 
Jahren) als auch klassischer Werte. 
Zwei Tage später starb in Wien der gewesene 
Direktor der Kupferstichsammlung Albertina, Hofrat 
Dr, Josef Meder, infolge eines Herzschlags auf der 
Straße. Der 76jährige hatte vor wenigen Wochen erst 
sein 50jähriges Doktorjubiläum gefeiert und war aus 
diesem Anlasse Gegenstand großer Ehrungen, 
Meder war in Lobeditz im Egerland als Sohn 
eines Bauern geboren und wollte ursprünglich Maler 
werden. Nach dem Studium der Germanistik und 
Kunstgeschichte arbeitete er anfänglich in der Wiener 
Universitätsbibliothek und kam 1889 in die Albertina, 
wo er mit den ihm vom Kaiserhaus gespendeten 
Geldmitteln eine großzügige Sammlertätigkeit ent 
faltete. Es ist das besondere Verdienst Meders, daß 
die Albertina mit ihren unersetzlichen Schätzen nach 
dem Zusammenbruch erhalten blieb. 1923 trat er in 
den Ruhestand, setzte aber seine Forschertätigkeit 
unermüdlich fort. 
Meder galt in der heutigen Kunstwissenschaft 
wohl unbestritten als der beste Kenner auf dem Ge 
biete der Handzeichnung. Man verdankt ihm 
das Standard-Werk über ihre Technik und Entwick 
lung, das 1909 erschienen ist. Es ist ein nicht wieder 
erreichtes Muster an Durchdringung technischen 
Wissens und feinster künstlerischer Einfühlung und 
gehört zu den Ruhmestiteln der Wiener Schule. 
Schwer getroffen durch Meders Tod ist die deutsche 
Dürer-Forschung, in der Meder noch im vori 
gen Jahre seine durch ungezählte Einzelveröffent 
lichungen begründete Autorität mit einem Katalog 
der Holzschnitte und Kupferstiche befestigte. Es ist 
seiner intensiven Beschäftigung mit Dürer zu verdan 
ken, daß Wien auch nach Thausing ein Zentrum der 
Dürer-Forschung geblieben ist, das eine eigene Auf 
fassung von Wesen und Umfang des Dürer sehen 
Werkes gelegentlich polemisch vertritt. 
Meders Lebenswerk als Direktor der Wiener 
Zeichnungssammlung ist die 12 bändige Publikation 
der Handzeichnungen der Albertina und anderer 
Sammlungen. Eine Faksimile-Publikation ausgewählter 
Zeichnungen der Albertina erschien 1921—1927. Aus 
Meders Feder stammt auch eine Geschichte der 
Lithographie in Oesterreich und das besonders feine
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.