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wie die schönen Köpfe des Petrus und Paulus aus dem Besitze des Erz-
bischofs von Prag Grafen Schönborn, wie der merkwürdige Doppelkopf,
der dem Fürsten Porcia gehört, oder die vergoldeten, zum Theile email-
lirten Köpfe aus der Sammlung des Dr. Figdor. Nicht alle aber gehören
noch der romanischen Epoche an. Die Bildung solcher Reliquiarien gleich
derjenigen, welche Reliquien von Hand- und Armknochen in silberne
Arme einschloss, geht in die gothische Epoche hinüber. Von dieser Art
ist ein schönes Beispiel aus dem Dome in Zara gekommen; andere gibt
der altberühmte hannoverische Schatz von Kirchengeräthen, der im Saale 1
des Oesterr. Museums sich befindet und als eine Ergänzung unserer
kirchlichen Ausstellung zu betrachten ist, zumal was die Reliquiarien und
Tragaltäre mit rheinischem Email betrifft.
Eine neue Epoche, die eigentliche Blüthezeit der kirchlichen Gold¬
schmiedekunst, beginnt mit der Herrschaft des gothischen Stiles. Alte
Formen, alte Technik verschwinden, neue tauchen auf, mit neuen Bedürf¬
nissen entstehen neue Geräthe. Während das Ciborium aus Klosterneu¬
burg (585) eines der letzten Beispiele von Grubenschmelz (champleve)
bilden dürfte, ist ein Silberkästchen aus dem Domschatze in Zara mit
eingelegten Platten in translucidem Email auf gravirtem Silbergrunde als
eines der ältesten Beispiele dieser feinen italienischen Emailtechnik, deren
Blüthe in das 14. Jahrhundert fällt, zu betrachten. In dieser Epoche
hören die Speisekelche auf, und die Monstranzen und Ostensorien beginnen
und gestalten sich im i5. Jahrhundert zu den schönsten und reichsten
Arbeiten der Goldschmiedekunst in der gothischen Epoche. Es ist
nur ein kurzer Zeitraum, aber in diesem ist der rasche Gang der
künstlerischen Entwickelung an den schönsten Beispielen zu verfolgen.
Der Beginn ist mit starren architektonischen Formen; man glaubt die
Facade einer gethürmten Kathedrale im Kleinen vor sich zu sehen; auf
schlankem Ständer erhebt sie sich frei und luftig mit ihrem durchbrochenen
Stabwerke, mit zierlichen Figuren in jenen Bogenöffnungen, welche sonst
die Portale bilden. Ein schönes Beispiel dieser Art ist die Klosterneu-
burger Monstranze (oder vielmehr Reliquiarium in Monstranzenform,
Nr. 583). Leider ist das translucide Email, welches ehemals die gravirten
Silberplatten des Fußes bedeckte, gänzlich verschwunden. Aber rasch
wird die architektonische Starrheit gebrochen; der Künstler erinnert sich,
dass er Goldschmied ist und nicht Architekt, dass sein Material aus Silber
und Gold besteht und nicht aus Stein. Sein Material fließt und biegt
und bewegt sich frei nach seinem Willen. So gerathen denn auch die
steilen Formen, die geraden Linien in Bewegung. Das ganze Werk wird
zaiter, durchsichtiger; die Spitzen der Thürme und Fialen biegen sich;
die kantigen Stäbe werden wie zu gerundeten Stangen, wie zu Draht; sie
drehen und winden sich um einander. Es entsteht ein Gebilde, das von
der Architektur nur noch den Schein und den Ursprung behalten hat.
Charakteristisch in dieser Art ist die Monstranze aus dem Dome in Agram