Internationale
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde
Herausgeber: Norbert Ehrlich
27. Jahrgang Wien, 1. Februar 1935 Nr. 3
Ulrico JCoepli
Aus Mailand wird uns geschrieben:
Die Kunstwissenschaft hat einen großen Verlust
zu beklagen. Ulrico Hoepli, der weltbekannte
Verleger, ist nicht mehr. Mitten aus der Arbeit, die
den 88jährigen noch ganz ausfüllte, hat ihn der Tod
herausgerissen. Er ist, wie er es sich stets wünschte,
in Schönheit gestorben.
Was Ulrico Hoepli für die Kunstwissenschaft
bedeutete, mag man aus dem kurzen Lebensabriß
ersehen, der hier folgt. Am 18. Februar 1847 zu
Tuttwil im Schweizer Kanton Thurgau geboren,
widmete sich Hoepli, nachdem er die Elementar-
und Kantonalschule absolviert hatte, dem Buchhan
del. Seine Lehrzeit machte er in der Buchhandlung
Schabelitz beim Helmhaus in Zürich. Neben seiner
Beschäftigung fand er noch Zeit, die Vorlesungen
über Kulturgeschichte zu besuchen, die Professor
Scherr am Polytechnikum hielt und die von großem
Einfluß auf seine spätere Entwicklung waren.
Nach einigen Wanderjahren, die ihn auch nach
Deutschland und Oesterreich führten, kam der Vier-
undzwanzigjährige nach Mailand. Ein heller Kopf, er
kannte er rasch die Möglichkeiten, die sich für einen
tüchtigen Buchhändler in der aufstrebenden Haupt
stadt Oberitaliens eröffneten. Er übernahm die im
Jahre 1840 gegründete Verlagsbuchhandlung Laeng-
ner und begann bald mit der Herausgabe der Ma
nual! Hoepli, kleiner, wissenschaftlicher Handbücher,
die sich nach und nach den italienischen Bücher
markt eroberten.
Heute sind bereits zweitau send dieser
Bändchen vorhanden, von denen einzelne recht viele
Auflagen erreichten.
Im Laufe der nächsten Jahre ging Hoepli zur
Herausgabe von Prachtwerken über. Er edierte Dan
tes Divina Commedia, Leonardo da Vincis Codex
Atlanticus, Venturis große italienische Kunstge
schichte, das herrliche Werk Tre Secoli di Vita Mila
nese, Vergils Gedichte u. v. a. Von seiner steigenden
Wertschätzung zeugte, daß Hoepli bald auch der
Verleger des Papstes und des Königs, sowie schließ
lich des Duce wurde. Von Pius XI, sind bei ihm
Alpinistische Schriften, von Victor Erna-
n u e 1 III. das vielbändige Münzenwerk, der Corpus
nummorum Italocorum, von Mussolini dessen
Reden und Schriften erschienen. Als der Papst die
Nachricht vom Heimgang Hoeplis erhielt, sandte er
sofort ein herzliches Beileidtelegramm an die Familie,
worin er Hoepli seinen ,,alten und lieben Freund"
nannte.
Wenn man Hoeplis umfassender Tätigkeit ge
denkt, darf man auch nicht der großen, von der „In
ternationalen Sammler-Zeitung“ stets nach Gebühr
gewürdigten Auktionen vergessen, die er teils in
Zürich, teils in Rom veranstaltete und die seinen
Namen in alle Welt trugen.
Schier unübersehbar sind die Ehrungen, die Ul
rico Hoepli zuteil wurden. Schon im Jahre 1872 er
nannte ihn das Re Istituto Lombardo di Science e
Lettere und ein Jahr später das Königliche Observa
torium der Brera zu seinem Verlagsbuchhändler,
1877 erhielt er vom König die Dekoration als Cava
liere der Krone Italiens, 1885 wurde er Hofbuch
händler und 1901 verlieh ihm die Universität Zürich
das Ehrendoktorat der Philosophie. Seine letzte Aus
zeichnung, den Großkordon des italien. Kronenordens,
erhielt Hoepli im Jahre 1930 nach der Schenkung des
Planetariums an die Stadt Mailand. Eine Ehrung, die
ihn wohl besonders gefreut hätte, war das Ehren
bürgerrecht der Stadt Mailand, das ihm zugedacht
war. Auf Grund eines Vorschlages des Podesta hätte
die Ernennung in den nächsten Tagen erfolgen sol
len — es wär‘ zu schön gewesen, es hatt' nicht mehr
sein sollen.
Vielfach betätigte sich Ulrico Hoepli auch als
Mäzen. Des Planetariums, das er seiner Wahlheimat
Mailand zum Geschenke machte, ist schon erwähnt
| worden. Einige Tage vor seinem Ableben wurde be
kannt, daß Hoepli der Galerie Moderner Kunst der
Stadt Mailand seine wertvolle Gemäldesamm
lung, die hauptsächlich aus Landschaften italieni
scher Maler des 19. Jahrhunderts (darunter 12 An
sichten des Vesuvs aus dem Jahre 1872) besteht, ver
macht habe. Das Testament soll aber noch andere
großartige Stiftungen enthalten, so eine Million für
eine Stiftung, die bedürftigen Künstlern der Schweiz
zugute kommen soll.
Ulrico Hoeplis Andenken wird in Italien und in
der Schweiz stets in hohen Ehren gehalten werden.