MAK
Nr. 4/5 
INTERNATIONALE SAMMLER-ZEITUNG 
Seite 27 
Folge mehr dem chinesich-japanischen Kulturkreis 
verbunden blieb, mochte seinen Grund darin haben, 
daß ich persönlich dort zwar nicht die höhere Phi 
losophie, aber die gewaltigere künstlerische Aus 
drucksgröße fand. Und fast zugleich mit der be 
ginnenden Erkenntnis setzten auch die Besitz- und 
Sammlerwünsche bei mir ein, wohlgemerkt zu einer 
Zeit, es war um 1900, da die ostasiatische Kunst, 
vom Porzellan abgesehen, überhaupt noch nicht 
Sammlergegenstand war. So habe ich während mei 
ner Studienzeit in Deutschland, England und Hol 
land begonnen, was ich später namentlich in Paris 
und New York fortsetzte. Warum ich einen beträcht 
lichen Teil meiner Sammlungsstücke als Leihgaben 
an die großen europäischen Museen weitergegeben 
habe? Ja, wenn man das Pech hat, als Lieblings 
gegenstand sich schließlich asiatische Großplastik 
aus Stein oder Holz zu erwählen, Götterstatuen, 
die übermannshoch vom Erdboden aufragen, so geht 
dies eines Tages in kein Privatheim mehr hinein, 
und ich mußte zu dem Auskunftsmittel greifen, 
Paris, Zürich, Berlin, Amsterdam usw. um freund 
liche Aufnahme meiner großen Stücke zu bitten. 
Aber dies schuf mir wieder doppelte Freude: erstens 
anregendste Verbindung mit den besten Köpfen der 
Kunst- und Musealwelt allerorten und sodann ein 
gewisses wehmütig-behagliches Gefühl beim Betre 
ten solcher Kunststätten und Gewahrwerden meiner 
Stücke, wie es ein Vater verspüren mag, der seine 
Kinder außer Haus in guter Obhut sieht.« 
Gibt es Gesetze der Kunst des Sammelns? Und 
gab es Freuden oder Ueberraschungen besonderer 
Art während Ihrer . langjährigen Sammlertätigkeit? 1 
»Gesetze gibt es bestimmt nicht, fast alles ist I 
unwägbar, ist Intuition, und sodann natürlich Er- ! 
fahrungssache. Das Wissen allein hilft nicht, denn 
ich habe bisweilen gesehen, daß gerade Fachleute, 
im Besitze ihres immensen Wissens, an Sicherheit 
des Blickes einiges eingebüßt hatten. Und was 
Sammlerfreuden betrifft, so muß man eben das Fol 
gende nachfühlen können: Eines Tages bot mir ein 
Händler eine prachtvolle Großplastik einer »Kwan- 
non« zum Kauf an. Alles stimmte wunderbar, nur 
war leider die Göttin der Barmherzigkeit halb, 
reichte vom Kopfe bis zu der Leibesmitte, der Rest 
war fort, glatt abgeschlagen. Und wenn nun zwei 
Jahre später ein andrer Händler kommt und die 
zweite Hälfte bringt, die tatsächlich haargenau paßt, 
dann möchte ich den Sammler sehen, der sich nicht 
dünkt wie der griechische Weise mit seiner Lehre 
von den beiden einst vereint gewesenen Hälften 
Mann und Frau, die einander in Liebe auf Erden 
wieder begegnen müssen, 
Aehnlich erging es mir nur noch ein zweitesmal, 
als zu einem Shiva aus Bronze sich mir nach Jah 
ren die dazu gehörige Gattin und Göttin Parvati 
gesellte. Aber Enttäuschungen muß es natürlich 
gleichfalls geben, man muß auch einmal Lehrgeld 
zahlen und einer Fälschung aufsitzen, und es gibt 
auch gemischte Freuden, falls man kein gieriger 
Kunstraffer ist, wie damals etwa, als mir in Paris 
die chinesische Steinstatue eines Bodhisatva (Vor 
form des Buddha] angeboten wurde, die zwanzig 
Jahre früher noch von Chavanne an Ort und Stelle 
in ihrer chinesischen Höhle photographiert worden 
war, Der Weg bis dahin war selbstverständlich nicht 
I rückzuverfolgen, dies gelingt fast nie, sie war ein- 
I fach gestohlen worden,« 
Siegel und Wappen. 
Von H, W, May (München), 
Es gibt sammlerische Moden und diese dränge.i 
sich zu manchen Zeiten vor das Gros aller Sammel 
gebiete. Es gibt Sammelgebiete, die aus dem Geiste 
der Zeit heraus eine Bevorzugung finden vor den 
anderen. Wenn aber ein Sammelgebiet einmal so 
weit hinter alle anderen zurücktritt, wie das mit 
dem Siegel- und Wappensammeln geschieht, so müs 
sen hier immerhin ganz besondere Ursachen wirk 
sam sein. 
Und dies war tatsächlich der Fall. Zu Zeiten des 
Vorkriegs galt das Wappensammeln als ein speziell 
adeliges Sammelgebiet, als eine feudale Beschäfti 
gung ähnlich der Lektüre des Gotha. Wie ja auch 
die dahinter stehende heraldische Wissenschaft vor 
nehmlich zu einer Standeswissenschaft gestempelt 
werden wollte, in deren Umkreis der Bürgerliche 
kaum etwas zu suchen hatte. Er war ja nicht »be 
teiligt«, weil er de facto nicht als wappenfähig galt, 
und wenn er sich dennoch mit Heraldik oder Wap 
pensammeln abgab, geriet er schnell in den Verdacht 
ungehörigen feudalen Ambitionen zu huldigen oder 
er wurde als gesellschaftlicher und menschlicher 
Gernegroß mitleidig oder verächtlich belächelt. Es 
muß zugegeben werden, daß dies von beiden Seiten 
her, vom Adel wie vom Bürgertum, ihm geschah. 
Das Sammelgebiet der Siegelkunde war dem, 
gegen heute, ausgezeichnet historisch geschulten 
Bürgertume schon näherliegend, wie ja auch der 
Wissenschaft die Siegelkunde als eine anerkannte 
Hilfsdisziplin der off. Geschichtsschreibung galt und 
in deren Sinne gehandhabt wurde, 
Beim Siegel rührte sich eine andere Ueberle- 
gung, die ihm, zeitweise wenigstens, abträglich war. 
Es war die nach dem Original. Was ist in diesem 
Falle das Original — der Stempel — oder der zu 
fällige, oftmals wiederholte und nur in wenigen Fäl 
len dem Stempelschnitt angemessene Abdruck? Die 
Frage war seinerzeit von nicht unerheblicher Be 
deutung, Der Sammler hatte sich schon zu lange mit 
allerlei Kopistischem begnügt. Die Gemmenab 
drücke, die das späte Rokoko sich anhäufte, die 
Gipsplastik des Biedermeier, die nach Winckelmann 
in eine wahre Epidemie der klassischen Gipsab 
güsse ausartete, danach folgten die nach tausenden 
zählenden Ölkopien der Meisterwerke, jener Künst 
ler, die für die off. Kunstwissenschaft der Zeit zum 
eisernen und ewig neugerittenen Pferde gehörten; 
Tizian, Rembrandt, Rubens, Michelangelo, da Vinci, 
Frans Hals und noch wenige andere, neben denen 
es für den Bürger keine fremden Götter gab, sondern 
höchstens noch sehr zweitrangige Helden, so Tinto- 
retto, Wouvermann, Baidung Grien, Schongauer etc. 
Die Frage war noch nicht entschieden, als die 
Revolution kam und auf ihre Weise die Angelegen-
	        
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