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INTERNATIONALE SAMMLER-ZEITUNG
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Folge mehr dem chinesich-japanischen Kulturkreis
verbunden blieb, mochte seinen Grund darin haben,
daß ich persönlich dort zwar nicht die höhere Phi
losophie, aber die gewaltigere künstlerische Aus
drucksgröße fand. Und fast zugleich mit der be
ginnenden Erkenntnis setzten auch die Besitz- und
Sammlerwünsche bei mir ein, wohlgemerkt zu einer
Zeit, es war um 1900, da die ostasiatische Kunst,
vom Porzellan abgesehen, überhaupt noch nicht
Sammlergegenstand war. So habe ich während mei
ner Studienzeit in Deutschland, England und Hol
land begonnen, was ich später namentlich in Paris
und New York fortsetzte. Warum ich einen beträcht
lichen Teil meiner Sammlungsstücke als Leihgaben
an die großen europäischen Museen weitergegeben
habe? Ja, wenn man das Pech hat, als Lieblings
gegenstand sich schließlich asiatische Großplastik
aus Stein oder Holz zu erwählen, Götterstatuen,
die übermannshoch vom Erdboden aufragen, so geht
dies eines Tages in kein Privatheim mehr hinein,
und ich mußte zu dem Auskunftsmittel greifen,
Paris, Zürich, Berlin, Amsterdam usw. um freund
liche Aufnahme meiner großen Stücke zu bitten.
Aber dies schuf mir wieder doppelte Freude: erstens
anregendste Verbindung mit den besten Köpfen der
Kunst- und Musealwelt allerorten und sodann ein
gewisses wehmütig-behagliches Gefühl beim Betre
ten solcher Kunststätten und Gewahrwerden meiner
Stücke, wie es ein Vater verspüren mag, der seine
Kinder außer Haus in guter Obhut sieht.«
Gibt es Gesetze der Kunst des Sammelns? Und
gab es Freuden oder Ueberraschungen besonderer
Art während Ihrer . langjährigen Sammlertätigkeit? 1
»Gesetze gibt es bestimmt nicht, fast alles ist I
unwägbar, ist Intuition, und sodann natürlich Er- !
fahrungssache. Das Wissen allein hilft nicht, denn
ich habe bisweilen gesehen, daß gerade Fachleute,
im Besitze ihres immensen Wissens, an Sicherheit
des Blickes einiges eingebüßt hatten. Und was
Sammlerfreuden betrifft, so muß man eben das Fol
gende nachfühlen können: Eines Tages bot mir ein
Händler eine prachtvolle Großplastik einer »Kwan-
non« zum Kauf an. Alles stimmte wunderbar, nur
war leider die Göttin der Barmherzigkeit halb,
reichte vom Kopfe bis zu der Leibesmitte, der Rest
war fort, glatt abgeschlagen. Und wenn nun zwei
Jahre später ein andrer Händler kommt und die
zweite Hälfte bringt, die tatsächlich haargenau paßt,
dann möchte ich den Sammler sehen, der sich nicht
dünkt wie der griechische Weise mit seiner Lehre
von den beiden einst vereint gewesenen Hälften
Mann und Frau, die einander in Liebe auf Erden
wieder begegnen müssen,
Aehnlich erging es mir nur noch ein zweitesmal,
als zu einem Shiva aus Bronze sich mir nach Jah
ren die dazu gehörige Gattin und Göttin Parvati
gesellte. Aber Enttäuschungen muß es natürlich
gleichfalls geben, man muß auch einmal Lehrgeld
zahlen und einer Fälschung aufsitzen, und es gibt
auch gemischte Freuden, falls man kein gieriger
Kunstraffer ist, wie damals etwa, als mir in Paris
die chinesische Steinstatue eines Bodhisatva (Vor
form des Buddha] angeboten wurde, die zwanzig
Jahre früher noch von Chavanne an Ort und Stelle
in ihrer chinesischen Höhle photographiert worden
war, Der Weg bis dahin war selbstverständlich nicht
I rückzuverfolgen, dies gelingt fast nie, sie war ein-
I fach gestohlen worden,«
Siegel und Wappen.
Von H, W, May (München),
Es gibt sammlerische Moden und diese dränge.i
sich zu manchen Zeiten vor das Gros aller Sammel
gebiete. Es gibt Sammelgebiete, die aus dem Geiste
der Zeit heraus eine Bevorzugung finden vor den
anderen. Wenn aber ein Sammelgebiet einmal so
weit hinter alle anderen zurücktritt, wie das mit
dem Siegel- und Wappensammeln geschieht, so müs
sen hier immerhin ganz besondere Ursachen wirk
sam sein.
Und dies war tatsächlich der Fall. Zu Zeiten des
Vorkriegs galt das Wappensammeln als ein speziell
adeliges Sammelgebiet, als eine feudale Beschäfti
gung ähnlich der Lektüre des Gotha. Wie ja auch
die dahinter stehende heraldische Wissenschaft vor
nehmlich zu einer Standeswissenschaft gestempelt
werden wollte, in deren Umkreis der Bürgerliche
kaum etwas zu suchen hatte. Er war ja nicht »be
teiligt«, weil er de facto nicht als wappenfähig galt,
und wenn er sich dennoch mit Heraldik oder Wap
pensammeln abgab, geriet er schnell in den Verdacht
ungehörigen feudalen Ambitionen zu huldigen oder
er wurde als gesellschaftlicher und menschlicher
Gernegroß mitleidig oder verächtlich belächelt. Es
muß zugegeben werden, daß dies von beiden Seiten
her, vom Adel wie vom Bürgertum, ihm geschah.
Das Sammelgebiet der Siegelkunde war dem,
gegen heute, ausgezeichnet historisch geschulten
Bürgertume schon näherliegend, wie ja auch der
Wissenschaft die Siegelkunde als eine anerkannte
Hilfsdisziplin der off. Geschichtsschreibung galt und
in deren Sinne gehandhabt wurde,
Beim Siegel rührte sich eine andere Ueberle-
gung, die ihm, zeitweise wenigstens, abträglich war.
Es war die nach dem Original. Was ist in diesem
Falle das Original — der Stempel — oder der zu
fällige, oftmals wiederholte und nur in wenigen Fäl
len dem Stempelschnitt angemessene Abdruck? Die
Frage war seinerzeit von nicht unerheblicher Be
deutung, Der Sammler hatte sich schon zu lange mit
allerlei Kopistischem begnügt. Die Gemmenab
drücke, die das späte Rokoko sich anhäufte, die
Gipsplastik des Biedermeier, die nach Winckelmann
in eine wahre Epidemie der klassischen Gipsab
güsse ausartete, danach folgten die nach tausenden
zählenden Ölkopien der Meisterwerke, jener Künst
ler, die für die off. Kunstwissenschaft der Zeit zum
eisernen und ewig neugerittenen Pferde gehörten;
Tizian, Rembrandt, Rubens, Michelangelo, da Vinci,
Frans Hals und noch wenige andere, neben denen
es für den Bürger keine fremden Götter gab, sondern
höchstens noch sehr zweitrangige Helden, so Tinto-
retto, Wouvermann, Baidung Grien, Schongauer etc.
Die Frage war noch nicht entschieden, als die
Revolution kam und auf ihre Weise die Angelegen-