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INTERNATIONALE SAMMLER-ZEITUNG
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Gegen das Projekt machen pich allerdings noch
Widerstände seitens der kaufmännischen Kreise gel
tend, die einen Rückgang des Warengeschäftes be
fürchten. Anderseits wird die Tatsache nicht über
sehen, daß durch die Einführung solcher Auktions
hallen breiten Bevölkerungsschichten die Möglich
keit geboten würde, Gegenstände, deren sie nicht
dringend bedürfen, zu einem der Nachfrage entspre
chenden Preis ohne besondere Kosten loszuschlagen,
wodurch dem Einkauf auf dem freien Markt neue
Geldmittel zugeführt würden.
Sechs Siebentel Seschenke und Vermächtnisse.
Der 33. von Marcel Godet verfaßte Bericht
der Schweiz. Landes Bibliothek in Bern
verzeichnet ,eine erneute Vermehrung von Buchein
gängen, von denen rund sechs Siebentel Geschenke
und Vermächtnisse waren. Davon seien u. a. er
wähnt zahlreiche .Schweizer Ansichten des 18. Jahr
hunderts, die der bekannte englische Sammler
Charrington gestiftet hatte. Schätzbar sind auch
die dokumentarischen Photographien des verstor
benen Photographen Koch in Schaffhausen. Die
Züricher Zentralbibliothek übermittelte viele Du
bletten, von verschiedenen Seiten wurde die Bibel
sammlung mit wertvollen Gaben bedacht. Durch den
Bundesratsbeschluß vom 32. August 1933 hat das
Institut vorläufig den handschriftlichen Nachlaß von
S (p! i 11 e 1 e r zur Aufbewahrung übernommen. Auch
wird die neugegründete Gesellschaft für schweizeri
sche Familienforschung alles gesammelte Material
sowie die Verzeichnisse, die aufgestellt werden, der
Landesbibliothek übergeben.
Unter den Veröffentlichungen ist neben dem
regelmäßig erscheinenden Bibliographischen Bulletin
die Förderung des Systematischen Verzeichnisses
1921 bis 1930 besonders hervorzuheben; bereits er
schienen ist der Ortskatalog und die drei ersten
Hefte des systematischen Teiles befinden sich im
Druck. Die Bibliothek verfügt nun auch über ein aus
einem Wettbewerb hervorgegangenes originelles Ex
libris, Stempel und Vorsatzpapier, die von Albert
R ü e g g (Höngg-Zürich) entworfen wurden. Die Sta
tistik der literarischen Produktion hat Krisencharak
ter, indem sie in der Schweiz um. 25 Prozent auf
1967 Werke fiel, und betrifft mit Ausnahme des
Romanischen und der Fremdsprachen alle Landes
sprachen, ebenso die Fachgebiete; nur die Kunst
weist eine beträchtliche Steigerung auf. An der
Spitze stehen immer noch Recht und Staatswissen
schaften, sowie die schöne Literatur; den dritten
Platz hat allerdings diesmal die Theologie der Ge
schichte streitig gemacht. Steigende Zahlen zeigen
ferner die Musikalien (Kompositionen und Bearbei
tungen).
Chronik.
AUTOGRAPHEN
(150 Briefe englischer Autoren.) Mehr als hundertfünfzig
bisher unveröffentlichte Brielfe berühmter englischer Autoren
— darunter solche von Dickens, Thackeray, Tenny-
s o n, Walter Scott und Lord Byron — sind in Lenin
grad von Professor J. Alexe) ew von der Sowjet-Akademie
der Wissenschaften im Verfolg seiner Untersuchungen über die
„anglo-russischen literarischen Beziehungen" entdeckt worden.
Diese Briefe sollen in dem noch in Arbeit befindlichen zweiten
Bande seines Werkes milgeteilt werden. Im ersten Band, der
schon gedruckt vorliegt, hat der russische Gelehrte manche
neue Behauptung aufgestellt. So ist er der Ansicht, daß die
Verbindung zwischen Rußland und England nicht erst mit Ri
chard Chancellors Ankunft am Hofe I'wan s des Schreck
lichen begann, sondern schon fünlf- bis sechshundert Jahre
früher. Das weiteste Interesse dürfte finden, was Alexejew für
das. Studium Shakespeares an Neuigkeiten vorbringt. Ihm
zufolge ist das „Wintermärchen" durch die Vermählung .des
Moskauer Großfürsten Basil mit einer lettischen Prinzessin
beeinflußt, und er sucht es glaubhaft zu machen, daß der
Mummenschanz in der Komödie „Verlorene Liebesmüh", iwo
sich die Liebhaber als russische Kaufleute verkleiden, ojfenbar
durch die Ankunft der russischen Gesandtschaft in London
naihegelegt wurde. Tatsächlich begegnen wir in Shakespeares
Werken nicht selten Anspielungen auf Tagesereignisse; sie lie
gen freilich nicht plump auf der Hand, sondern sind so ge
schickt kaschiert, daß sie manchem Gründling im Parkett ent
gangen sein mögen.
BIBLIOPHILIE
(Oskar Kirsch gestorben.) [In seinem Landhause in R e h-
berg bei Krems starb im 68. Lebensjahre der Wiener
Buchhändler und Antiquar Oskar Kirsch, Wie Konstantin
Kubasta (t 1913) gehörte Kirsch noch zu jenen alten Antiqua
ren aus Wien® sonnigen Tagen, die ihren bekannten Kunden
auch freundschaftlich besonders, nahe standen. Dieser, vor al
lem in der Bibliographie der Heimatkunde und der kirchlichen
Literatur äußeret versierte Buchhändler hatte seinen engen,
düsteren Laden im Deutschen Ritterordenshaus in der Singer
straße. Seine Buchhandlung wurde 1838 von den Mechitaristen
gegründet und war auch die erste geistliche Leihbibliothek
Oesterreichs, wo man sich ifür zwei Kreuzer täglich ein Werk
ausleihen konnte. 1869 übernahm den Laden Heinrich Kirsch,
dem 1908 sein Sohn Oskar Kirsch folgte, der die Buchhandlung
nach hundertjährigem Bestand im Jahre 1928 dem Verlage Auer
in Donauwörth abtrat und sich sodann nach Rbhberg zurück
zog. Auch Sammler standen mit Kirsch im regen Geschäfts
verkehr, da er selbst allerlei literarische und kulturhistorische
Kuriositäten sammelte. Kirsch Unterläßt neben einer Biblio
thek vergriffener Werke u, a. einen Zettelkatalog über schöne
Literatur der letzten Jahrzehnte (etwa 60.000 Stück), einen
Zettelkatalog über Biographien (60,000 Stück); einen Zettel
katalog über Heimatkunde (il5.000 Stück); dann Sammlungen
von Ansichten von Burgen, Klöstern, .Stiften, Kirchen, Porträ
ten von Geistlichen, von Verschlußmariken, Reklamebildchen
(bei 100.000 Stück), Briefmarken, Heiligenbildern, Gnadenbil
dern, Ansichtskarten, Poststempeln, Siegeln und Exlibris, sowie
Zeitungsausschnitten wichtiger Begebenheiten der letzten Jahr
zehnte in Oesterreich.
(Versteigerung der Bibliothek Zajicek.) Man schreibt uns
aus M ä h r i ® c h-O ® t r a u: Nun ist endlich der Termin der
Zajicek-Versteiigerung bekannt. Sie wird vom 10. bis 13.
April im — Schwurgerichts,saale stattfinden, in
demselben Saale, in dem Karl Zajicek vor nun 1 Ta Jahren
wegen Veruntreuung von sieben Millionen Kronen :zu 4)4 Jah
ren schweren Kerker® verurteilt worden ist. Es gelangen 1395
Gegenstände zum Verkauf. Ein in Vorbereitung befindlicher
Katalog wird über das Material, das neben vielen seltenen
Büchern alte Handschriften und Landkarten enthält, unterrichten.
(Gutenbergs Tiirkenkalender.) In einem alten Einband der
Bayrischen Staatsbibliothek zu München fand der Abtei-
lungsdirektor Dr. Karl Scbottenloher ein Exemplar des
Türke nkalenders vom Jahre 1455, eines G u t e n b e r g-
druckes, von dem bisher nur ein einziges Exemplar be
kannt war,
(Die Masa/ryk-Bibliothek.) Wie uns aus IPl rag berichtet
wird, hat .der Staatspräsident Dr. Masaryk verfügt, daß seine
Bibliothek, die viele tausend Bände umfaßt, in der Staats
galerie aufgestellt wird, die in der Bademgasse errichtet
werden söll.