Buchbesprechungen
Eva Frodl-Krafi, Die mittelalterlichen Glas-
aomülde in Wien. Corpu: vilrearum medii
aevi. Öxierreich l
Verlag Hermann Böhlaus Nachf..
Graz- Wien - Köln 1962
Drei Jahrhunderie haben sich bemühl. die
Kaihedroie mii bunlen Fensiern zu versehen.
in den darauf folgenden zwei Jahrhunderien
war man bemiihi, das "finslere" Miiielalier
zu beseiiigen und helles Lichl in die Kalhe-
drale zu bringen. Dds Resiiiidi war, ddß von
den bunien Glasrnolereien nichi mehr
übrig blieb. dis zur Füllung dreier Fensier
reichie; ein kleiner__Resl wurde zwei Museen
zugewisen. Diße Uberbleibsel hai man 7
wahrscheinlich um der Symmelrie willen r-
in den Chorfenslern hinler dem Hochaliar
uniergebrachl. wo man sie gar nzchi richlig
zu sehen bekommt. Der Erhallungszusiand
isl kläglich, was nichi besagen soll. daß die
Scheiben nichl resiaurieri seien: in den
Scheiben siizi fasi ebensoviei neues wie alles
Glas. Die Zusammenhänge zwischen den
Scheiben, von einer großen Kreuzigung
abgesehen. sind spärlich.
Nicht viel anders liegen die Verhüllniße in
der Kirche Maria am Gesiade.
Die Aulorin haile nun die gewallige Aufgabe
zu lösen: Enislehungszeilen fesizusiellen.
zusdnirrienhange zu klaren, lkonogra-
phisches zurechizuseizen. sich mil Archi-
valien und der Liieraiurflul auseinanderzu-
salzen. und sie hai alles das mil größiem
Fleiß und der möglichslen Akribie gelan.
Wenn man darüber hinaus den Wunsch hol.
neben jeder abgebildelen Scheibe möge auch
die Abbildung des Erhaliungszuslandes
slehen. so dafl ein dauerndes Herumsuchen
unnölig wird. so liegi die für den Benülzer
des Buches unangenehme Trennung wohl
nichl bei der Aulorin, sondern beim Verlaq.
An der Frage der Fensler dus der Bürlliülüz
müuskopelle (Slädl. Sammlungen. Ösierr.
Museum) darf ich nichl vorbeigehen, ohne
mich noch einmal dazu zu äußern. Einer
der Gründe für oder wider die Bariholo-
mäuskapelle dis ursprünglichen Besiimmungs-
orl der Scheiben isi der lnhall der Nonnen.
der heulzulage Viiclil mehr überprüfi werden
kann. Kieslinger halle behaupiei, in den
Nonnen hüllen sich die fehlenden Turmspiizen
der bekrönenden Archiiekiuren der Habs-
burger. der HI. Drei Könige. der Sieinigung
des Siephanus. befunden; warum? Nun. seine
Lieblingsidee war die Resiiiuierung aller
dieser Scheiben in die Bariholomüuskapelle.
Die Verfasserin des Corpus, die den Besland
der Nonnen vor dem leizien Kriege nichi
kennen kann, schließl sich Kieslingers
Behaupiung ein; wdrunii wei: ddrnii die
Scheiben in der Bariholomüuskapelle ver-
cnkeri sind. Nun bin ich leider nichi irri-
siande. den Geisi des Domkanonikus Bock
zu beschwören. Er hol mir zweimal in den
dreißiger Jahren ermöglichi, die schwer
zugängliche Kapelle aufzusuchen. und wir
haben beide, mil einem guien Glose be
wdrinei, keine Spur von Archiiekiuren in
den Nonnen fesisielien können.
An einer Sielle des Werkes üußeri die Auiorin
die Ansichi. die eine ganze Fensierbahn durch-
laufende gleiche Hinlergrundfarbe sei kein
noiwendiges Posiulai. Mii Hilfe dieser fach-
münnischen Fesisiellung lüßi sich nun eine
endgüliige Enischeidung in der Frage dieser
Scheiben ireffen: das eine der Habsburger-
fensier wdr ursprünglich mii der Sleinigung
des hl. Siephanus vereinigi. das andere mii
der Aribelung der HLDrei Könige. Als indn
die Scheiben in den Zeilen der Kirchenauf-
hellung in die Barlholomüuskopelle hinauf-
reiieie. wurden die Fensier geieili und die
Scheiben enisprechend beschniiien. Die
uniersie Fensierzeile bei der Sleinigung des
hl. Siephanus und bei den HI. Drei Königen
blieb verrnuilich leer: es gibt ja auch nirgends
eine Nachrichi, die auf eiwas anderes deuiel.
Damit fälli auch das Jonglieren mii Bau-
daium und Einweihungsdaium der Barlholo-
möuskapelle als irrelevani weg. Und was
das Michaelsfensler beiriffi. so scheidei es
in dieser Frage als unwichlig aus und Wlfki
nur wie der Poniius im Credo.
Wo sich die Habsburgerscheiben. die Slei-
iiigung des hi. Slephonus und die Anbelung
der Hi. Drei Könige befanden. bevor sie in
die Barlholomäuskapelle übersiedeli wurden.
weiß ich nichi, es isl aber eigenllich nichl
So überaus wichiig.
lgriaz Schlosser
Kailileen Morand. Jean Pucelle
Clarendon Press: Oxford Universiiy
Press, Oxford 1962
Anders als Tafelbilder. die in Museen oder
Kirchen jedermann zu önglich sind. führen
illuminierte Handschriien in den Regalen
ihrer Bibliolheken ein ebenso behüieles wie
verborgenes Dasein. Daher sind die Namen
selbsi der größien miiielalierlichen Buchmaler
auch solchen Menschen vielfach unbekanni,
die sich im übrigen einer mehr als durch-
schniiilichen Bildung rühmen dürfen. Auch
die Forschung hai sich bisher dieser Maierie
viel weniger gewidmei als anderen Kunsl-
.._.i ......i_... iz...i.,.i .i.. um...
wissenschafiliche Aoparcii umfaßi 19 weiiere
Seiien und bringi eine übersichiliche Dar-
siellung und Deuiung der dokumeniarischen
Ncichrichien über den Künsller sowie einen
Kdidieg jener 15 erhallenen Hondschrifien.
die ganz oder ieilweise von ihm illuminierl
wurden.)
Jean Pucelle darf nichl nur einen vergleich-
baren künsilerischen iidng bediispriiehen wie
elwa Simone Mariini (uin nur den bekannr
leslen seiner iialienischen Generalions-
genossen zu nennen). sondern er war auch
eine der groißien Molerpersönlichkeilen
Frankreichs überhaupl und ddzii ein weseni-
licher Wegbereiter der "iniernalionalen"
Kunsl der Zeii um 1400, Daß Pucelle die
zeniraie Erscheinung der Pariser Malerei in
der ersien Hälfte des 14. lahrhunderls
gewesen sei und iialienische Anregungen
verarbeiiei habe, isl schon in der ülieren
Liieralur fesigehallen: doch hol erst Kalhleen
Morand dieser von wissenschafllichen Kon-
lroversen vielfach verdunkelien Geslall ihren
konkrelen Umriß wiedergegeben. Sie ver-
folgi die von eiwa 1320 bis 1360 w hrende
Tdiigieii Pucelles. grenzi sein eigenhündiges
Oeuvre verlüßlich al:. analysierl seine höchsl
aufschlußreiche Enlwicklung und legi die
revolutionäre Bedeuiung seiner Kunsi über-
zeugend dar. Die Synihese zwischen den
dekoraiiven Prinzipien der goiischen Mdierei
des Nordens und den neuen Errungen-
srhofien des ilalienischen Trecenlo wird von
Pucelle konseauenler verwirklichi und zu
einer lragfähigeren Basis künfliger Enl-
Wicklungen ausgebaui als von irgendeinem
anderen zeiigenössischen Meisler Besonders
fesselnd isi die gul fundierle Hyoolhäe der
Verfasserin. daß noch die erslen Hand-
schrifien, die ab eiwa 1380 für den Duc de
Berry illuminieri wurden. UFgGhiSCii mii
Pucelle Zusammenhängen. indem ie
Tradilion seiner Werkslali durch einen
jüngeren Künsller (vielleichl Jean Le Noiri
der mii dem llluminalor des „Breviaire de
Charles V" zu ideniilizieren sein könnfe)
und durch ein umfangreiches „Musierbuch"
urimiiielbar auf jene Maler überginq. die
im Diensie dieses größien Bibliophilen des
Spöimiiielallers siariden.
Hervorzuheben sind schließlich die ge-
sehiridrkiibiie iypogrophische Auiiridehung
des Bandes und der Reiz der zahlreichen
Abbildungen. die auf 33 Tafeln den Texl
begleilen. lnsgesoml iiegi mii dieser Mono-
graphie über Pucelle eine der wichligsien
und cinregendsien Arbeiien vor, die in leizicr
Zeii über die Kunsi des 14. Jahrhunderis
publizieri wurden.
Gerhard Schmidi
The Riss cf Piciarial Narralive in Twelfih-
ceriiiiry Engiiiind. ond Pächi
Oxford, ai ihe Clarendan Press196Z.
(B3 Seilen. 12 Bildiafeln mil 41 Abbn
n.
Dieses Büchlein isi eine Aufzeichnung von
vbrresurige die der grbße ösierreichische
Kunslhisloriker im Jahre 1953 an der Uni-
versiirii London geholfen halle. Sie beschäf-
iigien sich mii der Frgge der erzcihlenden
Bilddarsiellung in Handschrifien aus vor-
normonnischer und normannischer Zeii.
Pachi gehi zunachsi iibn den vbrgusseizungen
und den inneren Brüchen und Schwierigkeiien
aus. mii denen die zwangsläufig slaiische
odrsieiiiing von ablaufenden, hdndiiings-
gebundenen Vorgängen sich auseinonderzu-
selzen hai. Er komm! dann zur Erkenriinis.
daß die illuminierlen vornormannischen
Handschrifien Englands an späianlike Sche-
mala anknüpfen, die in England keinesfalls
durch byzaniinischen Import. sondern durch
das lebendige Foriwirken von Vorbildern
bekanni waren. welche im Zuge der Chri-
siianisierung vorn 6. Jahrhunderi an nach
England gelangten. Was die Bildhand-
schriflen der Zeii nach der normannischen
Eroberung anbelangl. slülzl sich Püchl vor-
nehmlich auf den SL-Albans-Psalier von
Hildesheim (um 1130). an dessen Illumina-
iionen er ganz im Sinne von Emile Male die
große Bedeulung des Mysierienspiels irii
12. Jahrhunderi für die bildende Kunsi
iesisielli.
Kölier
u
Die Frau im liampenlichi der Kunst Ein
Bildbuch über die Wandlung von Schönheilsi-
idealen und Lebensarl. Zusammengedelll und
erlüuiert von Dr. Anni Wagner
Verlag Karl Thiemig KG München.
188 Seilen. zahlreiche Farb- und
Schwarzweißabbildungen, Ln.
In nicht weniger als 23 Aspekie vermochte
die Verfasserin das Thema aufzugliedern. An
Hand ausgewähller Gemälde und Skulpiuren,
die den Zeiiraum von Phidios bis Picasso
umfassen. können wir die Frau und ihr
Wirken in der Weli in allen Sladien ihrer
Persönlichkeilswerdung und der Miiglich-
keiien ihrer Enifdiiiing verfolgen - CilS
junges Mädchen, Muiier. in der Fam
Housholl.bei der KrankenpflegmalsDlene n.
als Ndiherin und Weberin. Landarbeiierin.
Gehilfin des Mannes; die Beziehung der
Geschlechier unier dem Zeichen von Frau
Minne hai ihre Spiegelung ' der bildenden
Kimei ehenen hiriieririssen die Fesilich-
gesieneien iaiieh in einfach erzählenden
anschaulicher Weise behondeli werden. Ein
idealer Gäciienkbühfll
Koller
Schlern-Schriflen 216. Simon Troger und
andere Elfenb 'ns1ler aus Tirol. Von
Engen von Ph ppovich
Mii 35 Bildern (24 Tafeln). Gedrucki
rnii Unierslülzung durch das Ldnd
Tirol. 1961. Universiiüisverlag Wag-
ner. lnnsbruck. brosch.
Der Auior gili mii Rechl als europäische
Auioriiai auf dem Gebiei der kunsiwissen-
schafilichen Durchforschung der Derikmoler
aus Elfenbein und xerwandien Materialien.
Gerade bei vorliegender kleiner Schrifl
kommi ihm seine immense Kenninis zahlloser
größerer und kleinerer Museal- und Privai-
sarrimlungen in Europa zugute, denn nur so
wdr es möglich. dem Werke CiUCh weniger
bekannier Künsller eine gesicherle Koniur
zu geben. ods Büchlein umfaßl 1a kürzere
Biographien und Charokierisiiken namenilich
bekcinnler Künsller (die promineniesien sind
Simon Troger. lgnaz Elhafen und Jakob
Auer). einen Abschniii über Elfenbein-
drbeiien ungek"rier Frovenienz und ein
kurzes Kooiiel ' er Elfenbeincirbeilen nach
dem Mariohilfbild von Lukas Cranoch. Die
Knappheii des Werkes machen es im Verein
inii der Prägnanz der Chorakierisierungen
und dem wohiausgewähllen Bildmaierial zu
einem sehr brauchbaren Behelf für Sammler
und Kenner.
Koller
Schriften zur Volkskunde - Siaailiche Kunsi-
sammlungen Kasnl I: Augusl Ganderi,
Tragkörbe in Hasen. Kullurelle und wiri-
schaflliclie Bedeulung du Korbes
Im Erich-Röih-Verlag. Kassel. 208 Sei-
len. zahlreiche Abbn brosch.
Es gehörl zum Wesen der hisiorischen Wissen-
schafien. nichis, aber auch gar nichis uri-
berücksichiigi lassen. wds der Mensch je
dn iechnisch salorischen Leisiungeri her-
vorgebrachi hol. So konnie auch ein sb
bescheidenes und anspruchsloses Gebrauchs-
gerüi wie der Korb Zum Thema einer ein-
gehenden Sludie werden. die alle nur
denkbaren Aspekie zu Izerücksichiigeri ver-
surhi. Auch die Korbflechierei gehöri ja zu
den aussierbenden Handwerken. sie isl
aber zugleich auch eine der älieslen Mani-
fesialionen menschlichen "Hausfleißes" und
ei-ie der Urquellen der biideiiden Kunsi.
lndiesem Sinne war der Verfasser bemühi.
auch das Leben der Karbfiechler. die fami-
liengeschichilichen Zusammenhänge ihres
Wirkens. die lokalen Besonderheiien und
selbslversldndlich auch die elgeniümliche
Nomenklaiur des Handwerkes zu erschließen.
buchslüblich zu erwandern und mii doku-
menlarischen Pholnaufnahmen zu belegen.
Koller
Da: schwimmende Clavi Bildreporlagen
ausUrgroBvaienlugen ei xumLachen und
zum Weinen. Ausgewühli. einqeleilel und
graphisch gesialiel von Augusiin Tschinkel
Ediiio ioiius mundi. Wien
Kein Werk neuesler "phaniasiischer Malerei"
kann phaniasiischer. aber auch zynischer
und grausamer sein als jene Zeiiungs-
illusiraiionen der achiziger Jahre des vorigen
Jahrhunderis. in denen sich Abgründe auf-
iun. in die zu siurzen nur darum nichi iöd-
lieh isi. weil sie inii jenem unfreiwilligen
Humor ausgepoisieri wurden. der seine
Basis im vallendeien Nichlwissen um das
hat. was man eigenilich lul. Schlimm schon
die ersie iiegdridge von einem wenrennen
holzbeiniger Beliler in Paris. das von einem
Mdnn gewonnen wurde. den seine Muiier
künsllich zum Sielzfuß gemachl haiie. schaurig
auch die Geschichie vom jugendlichen Er-
linder. der sein Schwesierchen mil Flügeln
a la Däidcilus ausslaiieie und, mil einem
Regenschirm als Fanggercil versehen, von
einem Balkon in die Tiefe siurzie. Franz
Wondriucheks, des Mörders. leizier Gang
wird mii aller Ausführlichkeil in Wori und
Bild geschilderi, wobei der Chronisi mil
sadislischer Akribie die Taisache verzeichnei,
daß der Tod des Jusiifizierlen nach 7 Minuien
24 '11 (ja. zwei Fünfiel!) Sekunden ein-
geireien war (hoffenllich mußle er nichi das
,.Telephon für Scheinlodie" benülzenl). Ein
Bildhefi zum Lachen und zum Weinen.
Köller
e
Aux dem Herlssiprogramm des Verlages
Anlon Schroll 8: Co. Wien. Eine Vorschau
Harald Busch, Germania romanica - Die
hohe Kunsl der romanischen Epoche ini
miiileren Europa.
Kurel G. Boon. Rembrandi 7 Das graphische
Werk.
Krisfian Soiriffer, Malerei und Plasiik in
Osierreich - Von Makari bis heuie.
Franz Eppll, Slaiionen der üliesien Kunsl r
im Land der Sieirizeiihöhlen.
i-idiiseii-biihie. Prinz Eugen
zu allen Texlen.
Siephan Waelzoldi. Die Kopien des 17. Jahr-
hunderts nach Mosaiken und Wandmalereien
Holzschniiie