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INTERNATIONALE SAMMLER-ZEITUNG 
Nr. 2 
da es verwunderlich genug wäre, wenn diese Materia 
lien keine Verwendung gefunden hätten. Dagegen 
möchte ich Fragmente aus Alabaster, die im Besitze 
eines Nürnberger Sammlers sich befinden, nicht als 
Teile einer Applique, sondern als solche einer Betnuß 
ansprechen. 
Die Betnüsse treten durchaus nicht überall gleich 
mäßig auf und finden sich durchaus nicht in allen 
katholischen Gegenden vor. Sie erscheinen vielmehr 
gebunden an die Hauptniederlassungen des von den 
kaufmännischen Patriziern gepflegten Ex- und Im 
portverkehres und man wäre versucht eine gewisse 
Verbindung zwischen ihrem Gebrauch und der patri 
zialischen oder wenigstens großbürgerlichen Kleid 
tracht zu vermuten. Ihr Ausgangspunkt scheint mir 
in den Niederlanden des 16. Jahrhunderts zu suchen 
zu sein, doch finden sie sich bald schon in 
Süddeutschland vor, wo besonders Nürnberg, Augs 
burg und wenig später das katholische Bayern ihre 
Heimat war. Wenn man bedenkt, daß die Orte ihres: 
Hauptvorkommens (Augsburg, Nürnberg, Rothenburg, 
Landshut, Ulm) Reichshandelsstätte waren, so erhält 
die Vermutung ihrer vorzüglichen Verwendung an der 
patrizialischen und stadtbürgerlichen Tracht neue 
Nahrung. Gegen die Mitte des 17. Jahrhunderts tre 
ten sie auch in Italien zahlreicher auf, vornehmlich 
an Orten, wo Niederlassungen deutscher Kaufleute be 
standen oder die von den Söhnen des mittelalterlichen 
Kaufmannsadels auf ihrer „Kavalierstour“ berührt zu 
werden pflegten und dort verlor sich die Mode auch 
bald wieder, noch bevor das Jahrhundert sich seinem 
Ende zuneigte. 
Die Form der Betnüsse ist entweder die ihres 
Materials (Obstkerne usvv.) oder der Fruchtkern form 
nachgebildet, was auf einen Ursprung aus dem Frucht 
kern oder der Fruchtschale hindeutet. Erst später wird 
in Holz und Bein die Kugel- oder elliptische Form all 
gemein. Die Größe nimmt vom Kirschkern bis zur 
Hühnereigröße im Verlaufe der Entwicklung zu, eine 
konstantere Form der Spätzeit ist die eines kleineren 
Billardballes. 
Die Nüsse sind entweder aufklappbar oder offen, 
in welchem Falle dann der Kugelkörper nur segmen 
tarisch angeschnitten ist, so daß dreiviertel der Masse 
erhalten blieb. Die Außenwand bleibt meist unverziert 
glatt, selten ist sie mit eingeritzten Verzierungen ver 
sehen. Ein in Nürnberg verwahrtes Stück zeigt die 
Reste einer äußeren Bemalung, die eine Aehnlichkeit 
mit den Wismuthmalereien hat, die um diese Zeit 
hergestellt wurden. Weitere polychrome Stücke konnte 
ich nicht feststellen. 
Die Schnitzereien des Innern sind in den ersten 
Zeiten oft Meisterwerke der Mikroplastik, die es 
schlechthin unglaublich erscheinen lassen, daß der 
Betnuß so verhältnismäßig geringes Interesse ent 
gegengebracht wird. Die Klarheit und Lebenswahr 
heit ihrer fast mikroskopischen Figurenwelt ist 
künstlerisch überzeugend und unendlich reizvoll. Pie 
immerhin unendlich schwierige Aufgabe der Kompo 
sition meist reichlich belebter Szenen in den unge 
wohnten Raum einer Hohlkugel wird von den meisten 
Betnußmeistern in einer so Souveränen Weise gelöst, 
daß sie Staunen erregt. Man kann nicht annehmen, 
daß diese „Kleinmeister“ der Plastik Handwerker 
waren, für die in der Geschichte der Kunst kein 
Platz sein soll. Neben anerkannten Meistern, wie Peter 
Flötner, Francisco Kapuz, Properzia de Idossi u. a. 
verbergen die Betnüsse noch eine Reihe von anonymen 
Meistern, deren Kunst und Können auch für die Ge 
schichte der großen Plastik ihrer Zeit höchst auf 
schlußreich ist. Insbesondere eine Geschichte der 
Elfenbeinkunst könnte an ihnen profitieren und wenn 
O. Pelka das sich in den Beinüssen offenbarende 
Material unverdient nebensächlich behandelt, so kann 
dies nur auf Mangel des ihm vorliegenden Materials 
zurückgeführt werden. 
Das Thema der Betnußdarstellungen ist unge 
heuer reichhaltig. Zwar verläuft es meist im Themen 
zug der Heilsgeschichte, aber die Variationen sind von 
einer überwältigenden Vielseitigkeit. 
Der Nachlaß des 
Aus Paris wird uns berichtet: 
Der Nachlaß des Barons Emanuel Leonino 
wird am 16. und 17. März in der Galerie Jean 
Charpentier zur Schau gestellt und am 18. und 19. 
März versteigert. Henri Baudoin und Etienne A d o r 
werden die Auktion leiten. 
Wer Leonino war, braucht man wohl Sammlern 
und Kunstfreunden nicht zu sagen. Ueberall in 
der Welt, wo Interesse für Kunst herrscht, weiß man, 
daß das Palais Leonino mit den erlesensten Kunst 
schätzen gefüllt war. Leonino hatte Kunstverständnis 
und Geschmack, er nahm in seine Sammlungen nichts 
auf, was nicht vor jeder Kritik hätte standhalten können. 
Wirft man einen Blick in den prachtvollen, mit 
36 Bildtafeln geschmückten Katalog, der bald das 
einzige sein wird, was an die Sammlung erinnern 
wird, so fallen vor allem die alten Gemälde auf, die 
durchwegs von ausgezeichneter Qualität sind. Jean 
Baptist Pater, Etienne Aubry, Henry Pierre Dan 
loux, Le Guay, Vernex, van Loo, Halle, Francois 
Desportes, Coypel, Moreau der Aeltere, Siccardi, um 
nur einige der bedeutendsten hervorzuheben, sind fast 
ausnahmslos durch Meisterwerke vertreten. 
Von Pater finden wir die zwei, durch zahlreiche 
Barons Leonino. 
Reproduktionen bekannten Gemälde „Rast der Trup 
pen“ und „.Unterhaltung der Truppen“, die von einer 
bewunderungswürdigen Frische sind. Beide stammen 
aus der Sammlung des Barons Gustav Rothschild. 
Einen reizenden Anblick bietet das Porträt der Mde. 
Danloux, die von dem Gatten mit all der Liebe ge 
malt wurde, die er für die schöne Frau empfand. 
Vernet ist durch eine Serie seiner prachtvollen Ma 
rinestücke, Taunay durch die Dorfszenen vertre 
ten, die seinen Ruhm begründet haben. Von van 
Loo stammt das Porträt des Herzogs von Choiseul, 
das in der Gedenkausstellung der Epoche Louis XV. 
bewundert würde. Halle ist durch zwei Studien, 
„Der Tag“ und „Die Nacht“, Siccardi durch ein 
delikates Pastell, ein Porträt des Schauspielers Pre- 
ville als Figaro repräsentiert. Von Moreau dem 
Aelteren ist eine anmutige, kleine Landschaft vor 
handen. Ein Porträt des Abbe de Saint Non galt lange 
als Arbeit Fragonards, ist aber später der französi 
schen Schule des 18 .Jahrhunderts zu gewiesen wor 
den. Kenner werden auch nicht achtlos an den Bil 
dern von A u b r y und dem Frauenporträt von H o p p- 
11er vorübergehen. 
Unter den Porzellanen dominieren die Manufak-
	        
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