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INTERNATIONALE SAMMLER-ZEITUNG
Nr. 2
sitze der Krakauer Universität befindlicher sogenann
ter „Polenteppich“ aus dem XVII. Jahrhundert. Zu
dem oben erwähnten Braunicki-Teppich, wäre noch
die interessante Tatsache bemerkenswert, daß das
Stück noch aus der Zeit der Türkenbelagerung von
Wien stammt und die Siegesbeute des Königs S o
bieski bildete.
Zu den sehr seltenen Teppichen, die wir in
unserer Betrachtung keineswegs unerwähnt lassen dür
fen, gehört ferner der in Fachkfreiseri wohl bekannte,
aber noch nie öffentlich gezeigte Teppich des Lords
Sackville, der nach englischen Berichten die be
kannte Legende von Jonas und dem Walfisch dar
stellen soll. Das Stück sollte auf der Londoner Aus
stellung gezeigt werden, aber leider ergaben sich
im letzten Momente Schwierigkeiten mit der Ver
Sicherungsgesellschaft, die, da der Teppich auf 20.000
engl. Pfund geschätzt wird, das Risiko nicht über
nehmen wollte, so daß der Besitzer des Teppichs
seine Zusage zurückzog. Der Teppich ist ein Pracht
exemplar seiner Art und soll sich schon seit 1570
im Besitze der Familie Sackville befinden. Einer der
Vorfahren des Lords betrieb im 16. Jahrhundert die
Muscovy-Compagny, die in reger Handelsverbindung
mit dem Orient stand und wahrscheinlich den Tep
pich von dort mitgebracht hat. Besondere Meister
stücke persischer Knüpfkunst aus dem 16. Jahrhun
dert in sehr schöner und seltener Musterung, sind
eine Art Perser Teppiche, von denen nur noch drei
Stücke existieren, und zwar einer im Besitze eines
internationalen Teppichhändlers, Eugen Strauch in
Wien, ein zweiter im Oesterreichischen Museum für
Kunst und Industrie, ebenfalls in Wien und der dritte
im S k u - K1 o s t e r in Schweden.
Sehr wertvoll sind entschieden die alten Stücke der'
sogenannten „Goateppiche“ des XVII. Jahrhun
derts, von denen das Kunstgewerbemuseum in Wien
eines der seltsamsten und schönsten Meisterstücke
aufbewahrt. Allerdings befinden sich auch noch Exem
plare dieser Teppiche in Berlin, in Lyon, im Metro
politan Museum zu New-York und in Naesvv house
in Schweden. Es handelt sich in den Goateppichen
um ungefähr zwei Meter breite und fünf Meter lange
Stücke mit fast immer gleicher Musterung. In der
Regel liegt im Mittelpunkt eine Anordnung von
spitzenartig gezackten, in malerisch wirkenden Kon
trastfarben aneinanderstoßenden und ineinandergrei
fenden konzentrischen Schichten, die an den Lang
seiten von der Bordüre durchschnitten werden. Das
Bemerkenswerte an diesen Mustern ist die Darstellung
der immer gleichen weißen Eckfelder, Ferner zeigen
sie auf Wasser symbolisierenden Wellenschraffen je
zwei Segelschiffe (seltener eines allein), mit von
leichter Brise geblähten Segeln und einer Besatzung
in portugiesischer Tracht des XVI. Jahrhunderts. Un-
weit der Schiffe im Vordergrund ragt der nackte Ober
körper eines Mannes mit erhobenem Arm aus dem
Wasser. Ferner wird das Bild durch einige verstreut
angebrachte Fische und durch den Kopf eines See
ungeheuers belebt, das einen gähnenden, zähnebesetz
ten Rachen zeigt. Ueber die Bedeutung dieser bild
liehen Darstellung haben sich die Forscher häufig
den Kopf zerbrochen, man hat sich viel herumgestrit
ten und es sind dafür auch verschiedene Erklärungen
gegeben worden.
Von den wertvollsten Teppichen, die auf der
Londoner Ausstellung seinerzeit versteigert wurden,
wäre ein flämischer Wandteppich zu erwähnen, auf
dem die Anbetung der Könige eingewoben erscheint.
Es wird angenommen, daß derartige Teppiche um das
Ende des 15. Jahrhunderts in der Gegend von Brüssel
gewebt worden sind. Das seltsame Stück wurde für
rund 265^000 Mark verkauft. Ein anderes Meister
stück, auf dem die mittelalterliche Darstellung der
,,Wurzel Jesse“ zu sehen ist, und das gleichfalls um
das Jahr 1497 in Brüssel gewebt sein dürfte, wurde
mit 147.000 Mk. verkauft. Ein berühmtes Meister
stück der gotischen Gobelin-Wirkerei, das um das
Jahr 1500 von Kaiser Maximilian dem „letzten Rit
ter“ in Auftrag gegeben wurde, befand sich kürzlich
noch im Besitze von Christie in London, dürfte
jedoch inzwischen mit anderen Bildteppichen verstei
gert worden sein. Der Teppich, der viele Porträtdar
stellungen aus der Familie Maximilians zeigt, wurde'
mit anderen wertvollen Dekorationsgeweben im Jahre
1794 von den österreichischen Truppen aus Brüs
sel mitgenommen, als sie nach der Schlacht bei
Fleurs aus der belgischen Hauptstadt abzogen. Man
nimmt an, daß die Zeichnung für die bildlichen Dar
stellungen des Teppichs von dem berühmten nieder
ländischen Maler Mabuse entworfen wurde. Das
berühmte Stück, das unter dem biblischen Bilde zahl
reiche Fürstlichkeiten darstellt, hat somit nicht allein
einen künstlerischen, sondern auch einen bedeutenden
geschichtlichen Wert.
Nicht übersehen dürfen wir in einer Betrachtung
berühmter Teppiche die seltsamen Prachtstücke, die
sich im Privatbesitzc des Schahs von Persien
befinden, oder aus diesem Besitze stammend, an Mu
seen oder Sammler übergegangen sind. Zu den ganz
berühmten Stücken dieser Art wären unter anderem
zu zählen: Ein großer Seidenteppich aus dem Mauso
leum Schah Abbas II. in Kum, der aus dem Ende
des 17. Jahrhunderts, sowie ein in Gobelintechnik aus
Seide und Gold gewirktes Exemplar aus dem 16. Jahr
hundert. Gleichfalls aus Seide und Gold gefertigt, ist
ein persischer Gartenteppich von seltener Pracht, der
seit dem Ende des 17. Jahrhunderts im Mausoleum
des Iman Riza aus Meschhed aufbewahrt wird. Der
Teppich stellt in wunderbarer Farbenharmonie einen
Garten dar, der von vier Flußläufen durchzogen
wird, die in der Mitte in einem kleinen See münden.
Während der Garten mit Sträuchern und Blumen be
lebt erscheint, sind die Wasserwege und der See von
Fischen belebt.
In das Gebiet der gewiß seltsamen Teppiche ge :
hört auch ein kaukasischer Seidenteppich, der sich
zur Zeit im Besitze eines Wiener Teppichhändlers
befinden dürfte. Das Gewebe stellt zwei belaubte
Bäume dar, in dessen Aesten sich eine Anzahl Vögel
tummeln. In der Mitte erhebt sizh eine hochsten-
gelige Blütenpflanze auf schiefem Kreuz. Links unten
zeigt das Muster einen laufenden Hasen und Vögel
in der Luft, während sich rechts ein Jäger mit
schußbereiter Flinte befindet. Die Farbenwirkung und
die Anordnung der Darstellung gibt eine Harmonie
der Muster, die von Teppichen aus der Blütezeit des
persischen Teppichgewerbes im 16. Jahrhundert kaum
überboten wird. Jedenfalls waren seidene Kaukasus
teppiche bisher nicht bekannt, so daß das beschrie
bene Exemplar das einzige bisher aufgefundene Stück
darstellt.
Pis gäbe natürlich noch unzählige Arten und
Abarten berühmter und seltener Teppiche, deren Auf
zählung und Beschreibung entschieden zu weit führen
würde und auch nicht notwendig ist, nachdem wir
uns mit den wichtigsten und wertvollsten Stücken
eingehend beschäftigt haben.