Nr. 4 INTERNATIONALE SAMMLER-ZEITUNG Seite 39
Die Sammlung Friederike von S.
Die Sammlung Friederike von S., die am 24. Fe
bruar durch das Kunstbaus S. Ken de und die Ga
lerie St. Lucas im großen Saale des Palais Pallavi-
cini in Wien zur Auflösung gelangt, gehört zu den
interessantesten Privafsammlungen Oesterreichs. An
prachtvollen Gemälden alter und neuerer Meister, wie
an nicht minder wertvollen Elfenbeinminiaturen reich,
liegt ihr besonderer Reiz in dem Wiener Porzel
lan, das in einer solchen Mannigfaltigkeit nicht bald
wieder wo anzutreffen ist. Diesem Umstand ist es
Fig. 8. Lieb, Kaiser Franz Josef I. als 2jähriges Kind.
auch zu danken, daß der Direktor des Oesterreichi-
sehen Museums Dr. Richard Ernst sich bestimmt
sah, der Sammlung ein Geleitwort mit auf den Weg
zu geben.
Dr. Ernst schreibt: Die Miniatur- und die Tafel
malerei der kaiserlichen Manufaktur von 1780 bis
zur Biedermeierzeit ist in dieser Sammlung schön
vertreten; als einzige unter den privaten Samm
lungen weist sie eine ganze Galerie von Tafel
malereien der Wiener Manufaktur auf. Gemälde
auf größeren Porzellantafeln waren schon technisch
außerordentliche Aufgaben, die erst der Klassizis
mus bewältigt und eingeführt hat; sie sind von den
Porzellanmanufakturen jener Zeit als ihre größten
Leistungen betrachtet und bewertet worden. Am ge
schätztesten war der Blumenmaler N i g g, von dem
die Sammlung Friederike von S. auch glänzende
Aquarellstudien zu seinen Porzellangemälden be
sitzt. N i g g, Claudius Herr, Laurcnzius Herr,
Lieb, Hauptmaler der Manufaktur, sind mit signier
ten Arbeiten vertreten, es fehlen aber auch nicht Ge
org Lambrecht (seit 1772 an der Wiener Manu
faktur, dann eine wichtige Kraft in Scvres und seit
1788 wieder an der Wiener Manufaktur tätig, gestor
ben 1814), Weichselbaum (Obermaler von
1784 1840), Perger, der nach seinem Austritt aus
der Manufaktur Hoftiermaler und 1824 Kustos der
kaiserlichen Gemäldegalerie geworden. Ausgezeichnet
war die Schulung der Maler der Wiener Manufaktur,
gewährleistet durch eine glänzende Ausbildung an der
Akademie der bildenden Künste und in den Malklas
sen der Manufaktur selbst. So erklärt sich, warum
die Wiener Porzellanmalerei auf Gefäßen und Ge
schirren, Tassen und Bildplatten völlig ebenbürtig
war den I .eistungen der W icner Miniaturma 1 e-
rei, von denen die Sammlung Friederike von S.
eine repräsentative Reihe wie zum Vergleich dar.
bietet.
Zwei der entzückendsten Porzellanplatten veran
schaulichen unsere Abbildungen. Fig. 8 zeigt eine
Fig. 9. Lorenz Herr, Madonna mit Kind und zwei Heiligen.
Porzellanplatte mit dem Porträt des Kaisers Franz
Josef 1. als zweijähriges Kind auf rotem Kissen sit
zend, signiert Leopold Lieb 832 und Fig. 9 eine
Porzellanplatte mit Madonna und Kind und zwei weib
lichen Heiligen nach dem Bilde von Luini in'.der
Brera in Mailand, signiert Lorenz Herr, Wien 1817.
Unter den Gemälden alter Meister fin
den wir ein herrliches Früchtc-Stilleben von Adriaen
van Utrecht, ferner eines der besonders seltenen,
eigenwilligen spanischen Stilleben von Jos. Perez,
Bilder von Jan Philip van Thielen usw. Die Ab
teilung ,,0 clgemälde neuerer Meiste r“ weist
Hauptwerke sehr geschätzter Wiener Meister, wie Edu
ard Veith (Auszug zum Veilchenfest 1325), Johann
Nepomuk En der (Porträt einer jungen Dame mit
brauner Lockenfrisur) und Anton Hlavacek (Gro
ßes Landschaftsbild) auf, denen sich „Der Ilofkriegs
rat unter Vorsitz der Kaiserin Maria Theresia'" von
Julius Schmidt würdig anreiht. Unter den Alt
wiener Elfenbein m i n i a t u re n begegnet man
Stücken, die seinerzeit in der Internationalen Minia
turenausstellung in Wien bewundert wurden, so ein
Porträt der Hofschauspielerin Botha von Alois A n -
reit er, die Miniatur eines weißgekleideten Mäd
chens von Emanuel Peter. Miniaturen von Albert
und Robert The er u. a.
Beachtung verdient auch ein Kum-Kaputeppich
aus der Sultans-Manufaktur (Untergrund Seide,
Knüpfung Wolle) y der auf 8000 S geschätzt ist.