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SACRUM. 
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jeder Arbeit des täglichen Lebens geübt werde. Und ein reifes und geübtes Auge 
trage einen untrüglichen Massstab in sich selber. Gewisse Formen und Farben 
vertrage das Auge nicht u. s. w. — Ja, wenn es so wäre! Aber gerade von der 
bildenden Kunst und besonders von der Malerei gilt es, dass „Vernunft und 
Herz nur schwer zu Wort kommen“. Die meisten, die sich berufen fühlen, in sol 
chen Dingen mitzureden, stehen im Banne ererbter und anerzogener Thorheiten 
und Unzulänglichkeiten. Die natürliche Fähigkeit, zu schauen und das Geschaute 
ins Bewusstsein aufzunehmen, versagt in künstlerischen Dingen mitunter gänz 
lich und ist jedenfalls nicht ausreichend, um ein gesundes künstlerisches Urtheil 
zu ermöglichen. Im gewöhnlichen Leben sehen wir nicht nur mit den Augen, 
sondern auch mit dem Verstände. Alles, was wir sehen, ist ein Gegenstand unseres 
Begehrens, unseres Interesses, unserer Neugierde. Die ungewohntesten Dinge 
vermag unser Auge richtig zu erfassen, weil sich unser Verstand und unser 
Wollen beim ersten Anblick eines jeden Dinges bemächtigt. In der Kunst sollen 
wir aber auf einmal nur mit dem Auge, ganz uninteressiert und objectiv schauen 
— das Auge allein, unser Formen- und Farbengefühl soll Erklärer und Beur- 
theiler sein. Und da entdecken wir erst, wie gering die Kraft unseres Auges ist, 
selbständig dem Gefühle einen Eindruck zu vermitteln. Eine einzige Farben 
zusammenstellung, die wir noch nicht gemalt gesehen haben, kann uns trotzdem, 
dass wir ihr vielleicht schon unzähligemale in der Natur begegnet sind, nicht 
nur scheusslich, sondern geradezu unmöglich Vorkommen. „Das gibt es nicht!“ 
rufen wir aus, und wenn uns dann nachgewiesen wird, dass es so etwas aller 
dings gibt und uns noch gar nie unangenehm aufgefallen ist, so sagen wir wohl 
ärgerlich: „Aber so etwas malt man nicht!“ In der Malerei pflegen wir den 
Massstab für unser Urtheil ganz und gar nicht unseren sonstigen Eindrücken und 
Erfahrungen zu entnehmen. Überzeugt davon, dass die Kunst ihre eigenen Ge 
setze habe und die Natur eher zu verbessern, als bloss nachzuahmen berufen sei, 
lassen wir in künstlerischen Dingen auch nur den Massstab gelten, den wir der 
Kunst selbst entnommen zu haben glauben. Die Kunst selbst aber, das sind 
schliesslich doch nur jene Kunstwerke, die wir am besten kennen, die uns eben 
geläufig sind oder in deren Umgebung wir aufwuchsen. Und die Künstler, die 
sie geschaffen, waren ihrerseits auch wieder im Banne vorgeschriebener Regeln 
und überkommener Traditionen. So gewinnen wir schliesslich ein „Schönheits 
deal“, das aus einer Zeit stammt, die der unseren vielleicht in keinem Zuge 
gleichen mag. Wir lassen nur eine Gestaltungsweise, die mit der uns umgebenden 
W trklichkeit kaum mehr als eine entfernte Ähnlichkeit gemein hat, als künst 
erisch berechtigt gelten, und die erste ehrliche Nachahmung der Natur bringt 
uns aus dem Häuschen. 
Nur solcherart lässt sich die Thatsache erklären, dass in älteren Kunst 
epochen niemand an der steifen, unnatürlichen Formengebung, der fehlerhaften 
Buchschmuck 
fürv. S. gez.v.
	        
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