VER SACRUM.
Bild der Zeit und der Nation gaben. Auch zeichnete sich
jede der vergangenen Kunstepochen dadurch aus, dass sie
gänzlich*Neues v ^ngenen Epochen etwas
gänzlich Neues, Unvergleichliches zutage förderte. Diese
ne , ue f ^ unst einer Zeit des „Fortschrittes“ hingegen er
schöpfte: sich m der Nachahmung und Verwertung des
Alten, des Überkommenen. Nicht das wirkliche Leben
diente ihr zum Vorbilde, aber auch nicht ihre eigenen
Traume und Phantasien wagten die Künstler rückhaltlos
arbeitet k S1C ^| S ° S T ^^lauung 2« bringen, sondern sie
arbeiteten alle nach berühmten Mustern und nach den
Kegeln, die man aus diesen
abgeleitet hatte. Die künst
lerische Praxis wurde von
der Theorie beherrscht,
und mehr als ein bedeu
tendes Talent hat ihr das
grausame Opfer der Indi
vidualität gebracht. Min
der starke Individualitäten,
denen es von vornhinein
an Kraft und Willen zur
Schöpfung eines persön
lichen Stiles gebrach,haben
durch die sichere Beherr
schung und bewusste An
wendung der „besten Re
geln“ vorübergehende Be-
deutung erlangt. „Correcte“ Zeichnung, „Symmetrie“ und
„Khythmus in der Composition, „Harmonie“ in der
f ^engebvng - solche und ähnliche Begriffe waren genau
festgestellt, für jeden Begriff gab es ein oder mehrere clas-
sische Beispiele, und die glückliche Aneignung desjenigen,
was sich einem solchen Beispiele überhaupt abgucken und
nachbilden Hess, das war das Höchste, was man in Aka-
demien und Malerschulen lernen konnte. Für die „Correct-
. 7r r Zeil =hnung aber waren eben nur die Beispiele,
nicht die Natur massgebend; „Symmetrie“ und „Rhyth
mus war aus berühmten Gemälden, nicht aus denzufälli-
gcn Gruppierungen des Alltags zu entnehmen; die „Har-
, ° me J f er Farbengebung war etwas abstract Erklügeltes
Wl Ikürlich Vorgeschriebenes, das mit dem wunder-
en Leben natürlicher Farbenerscheinungen nur den
amen gemein hatte. Sonst hätte es ja nicht geschehen
onnen dass der grosse Farbenzauberer Böcklin, in dessen
„mythologischen Landschaften“ sich die liebevollste Natur-
i n? mit dner urs p™nglichen Schöpferkraft ver-
Tb ’ S0 l an ? e unverstanden blieb und dass die Werke eines
Zeit™?’ Cr * e ~ 2 *, a ^ eme ‘ ne Verehrung geniesst, geraume
- a s “Unmöglich“ von den Kunstausstellungen a priori
die IÜi C -i ° S ! en waren. An solchen Fällen erwies sich, wie
vewn 4° eraer a f ßn Geister zu pedantischen Schulmeistern
r en waren, die die „freie“ Kunst zur starren Disciplin
erniedrigten.DenwirklichenMenschen konnten diese Schul-
herrichtefe* * ls ." Mode11 “ ^rauchen, das sie stellten und
schTÄr CS ZU / C j Re ff In passte * So ^r die land-
schatthehe Natur wurde daraufhin geprüft, ob sie male
risch“ sei oder nicht. Dass der Malef Tmstande £ tden
unscheinbarsten Winkeln der Erde Schätze von Poesie und
Sr iS fn Sd T h t e ' t c U heben ' dasw ^r damals noch un
bekannt. Damals glaubten die Maler in ferne Lande reisen
zu müssen, wenn sie einmal „loslegen“ wollten. Für ihren
Drang nach satteren Farben und kräftigeren Farbencom-
plexen sollte die Glut des Orients oder der Tropen zum
Vorwände und zur Ent
schuldigung dienen. Und
doch fielen auch diese
Reisebilder zahm genug
aus. Die schrankenlose
Freiheit und der kühne
Trotz des echten und
rechten Künstlersehnens
schien nicht vorhanden zu
sein. Wohl dürfen wir ein
zelne Namen mit Ver
ehrung und Bewunderung
aussprechen. Aber sie kön
nen uns nicht darüber täu
schen und nicht dafür ent
schädigen, dass diese ganze
v. 44 4 TLT„r . Kunst — sagen wir: die
Kunst der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts
eine Kunst war, deren Jünger und Bekenner von sich sagen
durften: „Die Hälfte unseres Thuns ist nicht Natur“. Und
wenn auch Einzelne, zur anderen Hälfte wenigstens, vom
besten Wissen, Wollen und Können beseelt waren und auf
ihrem künstlerischen Lebenswege einen schönen, männ
lichen Schritt einhielten, so „tappte“ doch die grosse Mehr
heit der Übrigen unschön und ungeschickt auf ihrer Spur
einher; nicht auf der Spur der alten Meister, denen noch
die Vorangegangenen gefolgt waren, sondern nur auf der
Spur dieser Nachfolger, dieser Epigonen. So ward schliess
lich eine Kunst aus zweiter, aus dritter Hand die herr
sehende. Und das Publicum fand alles in Ordnung. Es
hatte sich daran gewöhnt, nach denselben Regeln zu ur-
theilen, die von den Künstlern beobachtet wurden. Es
stand gewissermassen auf demselben Standpunkte wie das
Publicum der byzantinischen Künstler. Es freute sich einer
Kunst, die zwar ohne „Fehler“ war, aber deren Formen
und Bildungen im wirklichen Leben gar nicht anzutreffen
waren, ausser höchstens auf der Bühne und in sogenannten
„lebenden“ Bildern, für die aber eben die gemalten zum
Vorbilde dienten.
Diese Kunst ist heute noch nicht überwunden. Noch
immer wird an Akademien und Malerschulen nicht viel
anderes gelehrt als das todte Erbe alter und neuer, grosser
Decorativer
Entwurf v.
Adolf Böhm