l( Ver sacrum.
sich draussen im Freien eine Wiedergeburt und du siehst
sie nicht, begreifst sie nicht!Du studierst vielleicht gerade die
Renaissance und nimmst an der lebendigen Renaissance
der Gegenwart, an der du mitzuwirken berufen, keinen
Antheil. Und sie nicht an dir.
Es gibt Kunstgelehrte, welche genau Tag und Stunde
angeben können, wo Meister Rembrandt die letzten Ab
züge einer Radierung von seinesVatersWindmühle gemacht
hat. Und doch haben sich solche Kenner durch plumpe Fäl
schungen unerhört täuschen lassen. Davon haben wir die
heitersten Beispiele erlebt. Es wird deswegen niemandem
einfallen, ihre Freude an der „reinen“ Wissenschaft und
ihre Verdienste um dieselbe schmälern zu wollen. Nur lehrt
die Erfahrung, dass mit dem „Kennen“ nicht allemal das
Erkennen verbunden ist!
Tritt solche merkwürdige Rathlosigkeit in Fragen des
eigentlichen Kunstwertes und der Echtheit alter Kunst
werke häufig zutage, so ist das noch in erhöhtem Masse
gegenüber modernenWerken der Fall. Man verhält sich im
ganzen ziemlich ablehnend gegen dieselben und sucht ihnen
mit vorgefassten Urtheilen oder gar aus alter Gewohnheit
mit abgeleiteten „Kunstregeln“ beizukommen. Zum Glück
gibt es keine feststehenden Regeln über Kunst. Das Ge
heimnis der Kunst und ihre wunderbare Wirkung auf den
Menschen liegt nicht zum geringsten Theil in ihrem steten
Wechsel, ihrer Unbeweisbarkeit, ihren unaufhörlichen
Wandlungen, die so oft als Widersprüche erscheinen, in
Wahrheit aber nur natürliche, nothwendige und wohlthu-
ende Gegensätze sind. Und nur darum kennt sie keine
Wiederholungen, weil nicht irgend eine äusserlich wahr
nehmbare mechanische Gesetzmässigkeit, eine willkürliche
ästhetische Theorie, sondern der unerforschliche Wesens-