MAK
VER SACK 
schlechterdings auf den alten Wegen, gesucht werden müsse, 
lede Zeit, die ihre eigene Cultur hatte, hatte auch eine 
moderne Kunst. Denn „modern“ ist nichts anderes, als — 
g Der entscheidende Gesichtspunkt bei der Organi- 
Sterling der Ausstellung war: Kunst muss künstlerisch, sein* 
Jeder Gegenstand ist ja kritisierbar, aber er muss ein künst 
lerisches Interesse bieten, das ihm .seine Berechtigung ver 
leiht. Und dann: wie die „Secession“ die Befreiung einer 
Gesammtheit bildet, so bedeutet „Secessionist“ die Befrei 
ung des Einzelnen auch innerhalb seiner neuen Gesammt 
heit. Woran die alte Schule verstechen musste, das ist hier 
vermieden: es gibt kein Recept. Das gleichmässige Ein 
trichtern einer vorgeschriebenen Kunst hat aufgehört, jedes 
Talent sucht sich seine Schule im Leben und macht sich 
seine Technik selbst. Wo hat etwa SEGANTINI die seine 
gelernt, oder RUDOLF ALT, BESNARD, SARGENT, 
ALEXANDER, KLINGER? Noch nie war die Kunst so 
individuell, wie heute. Die Noth der Traditionslosigkeit ist 
zur Tugend geworden, und nur wer ein Selbsteigener ist, 
wird heute als ein Echter anerkannt. Es ist auch ein stol 
zer Anblick, wie die Persönlichkeiten sich in dieser Aus 
stellung von einander abheben. PUVIS DE CHAVAN- 
NES findet eine persönliche Art decorativer Historienma 
lerei, eine neue Hellfarbigkeit, die der Baukunst entgegen 
kommt. BÖCKLIN erschafft sich frischweg eine neue W elt 
und zwingt die alte, sie anzuerkennen, ja, er lehrt sie, an ihr 
Freude zu haben. ROLL hat sich aus stürmischer Gährung 
zu einem Maler mit zwei zielbewussten Händen herausge 
klärt: mit einer feinen Stimmungshand und einer starken 
Thatsachenfaust. BESNARD malt souveräne Farbe mit 
allen ihren optischen Consequenzen, und gälte es einen offi- 
ciellen Plafond mit Sonne, Mond und Sternen, wie im Ho 
tel de Ville. ALT ist der grosse Sachliche, der aber dabei 
jeder Sache das unauslöschliche Gepräge seiner besonderen 
Hand auf drückt. KLINGER ist in seinen Randzeichnun 
gen zu „Amor und Psyche“ ein Nabob, dessen Küchen 
zettel mit Gold und Purpur 
geschrieben ist. Seine grosse, 
nackte Figur am Meeres 
strand aber (das erste Ge 
mälde, das man hier von 
ihm sieht) ist voll gewaltigen 
Malerwillens, der sogar die 
Technik zwingt. 
In den Köpfen STUCK S 
ist ein Ton angeschlagen, in 
dem es heroisch und dämo 
nisch durcheinander klingt; 
seine Amazonen - Statuette 
kann man moderne Antike 
nennen. SEGANTINI 
kommt von seinen Alpen 
herunter, wie ein Wilder, Äugen und Hand voll Naivetät, 
unddazuein persönliches Element von Meisterschaft, die den 
Eindruck des Angeborenen macht. Er ist eine malerische Ur- 
natur, der sogar ihre Fehler nur nützen. WHISTLER phan 
tasiert mit dem Stift, als wüsste er gar nichts davon, und es 
ist immer wieder eine unnachahmliche Handschrift. Auch 
KHNORFF phantasiert, aber nicht mit der Hand, die bei 
ihm stets mathematisch genau weiss, was sie will, sondern 
mit einer Seele, die im Traume zu fragen scheint und m 
der Hypnose Räthsel löst, die er im wachen Zustande selbst 
nicht mehr begreift. SARGENT und ALEXANDER sind 
amerikanische Realisten, die beweisen, dass es keinen Re 
alismus gibt; denn es gibt so viele Arten von Realismus, 
als Künstlerseelen, um ihn zu empfinden. Ein Cylinderpor- 
trät von KROYER denke man sich neben eines von Bon- 
nat, und man hat die Vorstellung, wie antipodenhaft sich 
die Kunstwelt um und umgewälzt hat, von der überlegten 
Retouche zur ertappten Augenblicklichkeit. UHDE, 
LIEBERMANN, THOMA, MARR, SKARBINA, 
KÖPPING, lauter Deutsche, aber wie verschieden an 
künstlerischer Rasse. Und so weiter. , , 
Da sähe man also den Steg der Persönlichkeit auf 
der ganzen Linie. Und dann bemerkt man, dass diese Linie 
fast durchaus in der Richtung des Malerischen geht. Hinter 
die einfachsten Dinge kommt der Mensch am schwersten. 
Das ist ja eine der Unglaublichkeiten in der Geschichte des 
logischen Denkens: niemals hat man gezweifelt, dass die 
Architektur die Kunst des Architektonischen und die Pla 
stik die Kunst des Plastischen ist; dass aber auch die Ma 
lerei die Kunst des Malerischen sein muss, daran haben 
sich drei volle Generationen elend verblutet. Den erblinde 
ten Grosseltern schon wurde durch Delacroix der Staar ge 
stochen, aber erst die Enkel haben völlig sehen gelernt. 
Etwas Neues findet man leichter, als man etwas Verlore 
nes zurückgewinnt. Natürlich wurde anfangs auch für die 
Farbe sofort ein Recept gemacht. Verschiedene Recepte, 
von denen man sich dann wieder mühselig befreien musste. 
Aber man hat sich befreit 
und die persönliche Farbe 
kam zur Geltung. Die per 
sönliche Stimmung, der per 
sönliche Ton. Auf und ab 
durch die ganze Ausstellung 
wimmelt es von Beispielen 
dafür. Die Differenzierung 
hat es in dieser Hinsicht un 
endlich weit gebracht; man 
meint Maler von verschiede 
nen Planeten zu sehen. Ist 
nicht BRANGWYN, der 
die orientalischen Teppiche 
in Farben übersetzt, ein 
Sohn des rothen Mars? Und 
463. JoM 
Swan. London 
Siiberlöwen-
	        
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