VER
Buchschmuck
flirV. S. gez.v.
Jos. Auchen-
taller.
den Künstlern ausgeht, so dass die Kunst auch wirklich
organisch mit dem Leben verbunden ist und nicht bloss
eine zufällige Form bedeutet.
Bis jetzt sind allerdings nur tüchtige Decorateure ver
langt worden, wie Makart einer war, Decorateure für die
Festlichkeiten. Das Wiener Makart-Bouquet in seiner ver
staubten Aufgeblasenheit ist ja auch so ein äusseres Zeichen
für die Armut an neuer Cultur. Und so wird alles alte Ge
rümpel nothdürftig mit billiger Zier verkleidet, damit es
sich der neuen Zeit nicht schämt.
Für die neue Wiener Cultur aber wird sich etwas
Merkwürdiges ergeben, in welche Theile man auch blicken
mag. Überall bringt sie Formen, die sie schwerlich bestim
men können, die nicht aus dem Kern ihrer eigenen Natur
wirken, die rein äusserlich sind, ohne einen organischen
Zusammenhang mit dem Wiener Wesen. Es werden nur
lauter angeflogene Decorationen sein, die über den Augen
blick hinwegtäuschen. Trotzdem aber können sie vielleicht
bestimmender wirken, als es lieb ist. Es kann so kommen,
dass einmal eine Form auch ein ihr fremdes Wesen mit
sich zieht und abbricht, was dieses dumpf und schwer
macht. Es wäre das ein kleiner Fortschritt, der aber viel
leicht auch nur ein Übergang ist;
denn werweiss, ob mit einer solchen
Zwangsveränderung etwas ge
schaffen ist. Zum mindesten ist, wie
bei allem, was von der Form ab
hängt, ein Parvenu-Charakter zu
befürchten. Noch immer ist das
wahrhaft Bildende aber in der
Wandlung des Innerlichen zum
Product gelegen, nicht in der um
gekehrten Folge.
Besser wird es erst werden, wenn
langsam jenes Wiener Geschlecht
aussterben wird, das zu viel in die
Vergangenheit geblickt hat und
noch immer nicht aus der Trunken
heit eines verflossenen Festes aufwachen kann, bei den
traurigen Scherben desselben sich noch den vollen Glanz
zurückruft. Dieser reactionäre, larmoyante Trieb muss
ausgemerzt werden, bei dem nur „ein blutlos Volk von
Gegenwartsverächtem“ (Loris) sich glücklich fühlen kann.
In denen aber wie immer auch ein dumpfes Gefühl eines
culturlosen Zustandes wohnt, das wie etwas lebendig Ge
wordenes an den Grabwänden pocht, den Druck eines eng
gewordenen Milieus abschütteln und hinaus will, diesen
muss man Zurufen: „Werdet hart!“ — Und hier in Wien
muss man um so eifriger darauf hören, denn unsere südliche
Weichheit, die Behaglichkeit, der ein günstiges Geschick
so vielen Genuss an lebendiger Schönheit zuführt, lässt
uns ewig die Hände in den Schoss legen, wenn noch dazu
die schmeichlerische Erinnerung an eine Zeit kommt, wo
wir wahrhaftig viel durch unsere Cultur bedeutet haben.
Dahin geht ja auch ein tiefes Wort Grillparzers: „Wir sind
Deutsche, ja, aber wir sind halt auch Österreicher!... Die
Luft ist hier zu weich, die Frauen sind zu schön und die
Strauss'sche Musik geht uns zu sehr ins Blut. Das Tüpfel
chen auf dem i fehlt all unseren ernsten Arbeiten und wir
vergessen vielleicht nur oft daran, — weil gerade ein „Wer
kel“ unterm Fenster unsere Lieb
lingsmelodie orgelt...“
Ja, die Lieblingsmelodie ... •
Aber auch die gibt sich aus und wird
banal. Wenn wir immer später damit
abbrechen werden, dann wird unser
Gefühl immer grausamer vergewal
tigt werden, um so härter werden
wir die Zeit empfinden. Darum soll
ten wir jetzt schon hart werden, dass
jede krankhafte und feige Rührung
von uns Wienern schwinde und wir
uns wieder in einer Cultur stärken,
die jetzt in nicht viel mehr als in einer
rein äusserlich-decorativen Form
besteht, hinter der die Leere gähnt.
Decoratives Gefäss. Ent
wurf von J. M. Olbrich.