MAK
VER SACRUM 
= Die Selbstgenüg 
samkeit. = Groteske 
von Rudolf Bacher. 
mehr verschwinden oder doch zurücktreten wird. Sie bietet 
der grossen Kunst schon jetzt kaum mehr ein wirkliches 
Problem. Was darin für sie zu suchen war, hat sie gefunden 
und hat es auszudrücken gelernt. Aber für die sogenannte 
„Kleinkunst“ der Lithographie bietet die Landschaft gerade 
heutzutage ein überaus dankbares, eigenartiges und stott- 
lich wie auch formal kaum je erschöpftares Stoffgebiet. 
Denn was ersehnen wir heute von einer künstlerisch wie 
dergegebenen Landschaft? Doch ganz gewiss nichts An 
sichtshaftes, auch nichts Heroisches — wohl aber intime 
Poesie. Ein Landschaftsbild soll auf uns wirken, wie ein 
Gedicht. Es soll einen lebendigen Hauch von grosser, un- 
entweihter Natur in unsere Stadtstuben tragen. Und gar 
nicht genug von diesen Gedichten können wir um uns an 
häufen. Eines soll immer das andere ablösen, damit aus 
ihrer Fülle und Mannigfaltigkeit die Unendlichkeit der 
Natur selber uns anzublicken scheine. Und darum muss 
das Landschaftsbild, wie jedes echte Gedicht, kurz und 
voller Stimmung sein. Es soll uns nur wenig sagen, dies 
aber mit voller Kraft und mit all seinem innewohnenden 
Zauber. Und darum ist die Lithographie, die sich auf die 
knappe Sprache beziehungsvoller Andeutungen so meister 
lich versteht, vielleicht an erster Stelle berufen, unserem 
dürstenden, landschaftlichen Gefühl in der Kunst Genüge 
zu thun. , . f , „ 
Was die Karlsruher hier geleistet haben und alle 
Tage leisten, das wird sicher auf lange hinaus vorbildlich 
bleiben. Kunsthistorisch scheint es mir schon allein um 
deswillen im höchsten Grade hervorstechend zu sein, weil 
hier zum erstenmale der Einfluss Japans vollständig und 
bis auf den letzten Rest europäisiert wurde. 
Bloss für den Gelehrten, der die Entwicke 
lung eines Menschenalters im Geiste zurück 
verfolgt, ist die von Japan kommende Ein 
flusswelle in ihren letzten Verebbungen noch 
bemerkbar. Der naive Beschauer wird ein 
fach ausrufen: „Wie ungemein DEUTSCH 
empfunden!“ — und er wird vielleicht bloss 
einen Moment lang ein ganz klein wenig 
stutzig werden, dass hier der deutsche Künst 
ler sein tiefes, mächtiges und andachtvolles 
Naturgefühl zugleich so ziervoll und präcise 
auszudrücken versteht. Es gibt in der That 
bei den Karlsruhern kein unklares Gewoge 
von landschaftlichen Empfindungen und Ein 
drücken mehr. Auch das Vage, wo sie es ge 
stalten, geben sie mit vollem Bewusstsein und 
Raffinement, mit reiner künstlerischer Freude 
wieder. So malt etwa VOLKMANN seine 
Vollmondnacht. Eine spärlich bewaldete Berg 
halde, langsam ansteigend, in grauem Däm 
mer schwimmend. Ganz winzig ein paar lau 
schende Rehe. Eine Blockhütte, bloss mit dem 
Dach hervorlugend. Und oben der Mond, von matt-milchi 
gem Dunstkreis umflossen. Das alles kann nicht sparsamer 
und einfacher ausgedrückt sein und doch ist alles, was 
wir dabei empfinden und träumen, herbeigezaubert. Oder 
er zeigt uns ein paar Bäume, die vom Abendwind bewegt 
werden, mit gebogenen Zweigen und raschelnden Blättern 
— oder beim Einbruch der Nacht in einer verlorenen Hütte 
ein einsames Licht, mit fast unsichtbar zartem Rauchdunst 
über dem Schornstein — oder ein paar fliegende Kraniche 
über einem kleinen in die Heide eingesenkten Weiher, mit 
einem Kamm schwarzer Bäume auf dem Rücken des 
Hügels. Und so ist jeder dieser Karlsruher Landschafts- 
Lithographen ein Dichter: KAMPMANN, der rothglühen- 
de Abendhimmel hinter dunklen Baumstämmen liebt, aber 
auch ganz schattige, fast übereinfache Landschaften mit 
spärlichen Linien; E. R. WEISS, der bekannte decadent- 
symbolische Verspoet, der aber als Zeichner und Litho 
graph weit annehmbarer ist, obwohl ein wenig unstet: sein 
bestes Blatt „Der Bach“; GUSTAV GAMPER, gleich 
falls mit Versen hervorgetreten, ein überaus zart empfin 
dender Landschaftspoet, durchseelt, duftig, licht und ein 
schmeichelnd-ornamental; WULFF, der eine „Dämme 
rung“, KOCH, der einen „Abend“, LANGHEIN, der eine 
„Nacht“ vor uns wachgerufen hat; STURZENEGGER, 
der mit seinem schattigen „Bergabhang“ hinter ^^olk- 
manns „Vollmond“ nicht zurückzustehen braucht; HEIN 
RICH HEYNE, wohl technisch der Virtuoseste, der das 
zitternde Wasserbild mit täuschender Treue festzuhalten 
weiss; und, last not least, KALLMORGEN, der uns Nacht 
bilder von Hamburg und Amsterdam zeigt, auf denen das 
Kämpfen der Dunkelheit mit dem künstlichen 
Licht zu raffinierten malerischen Wirkungen 
ausgenützt ist. Seien daneben noch Künstler 
wie GRAF KALIKREUTH und CARLOS 
GRETHE, die indes nicht mit Landschaft 
lichem hervortreten, genannt, so wird man, 
zumal der Namen keineswegs alle aufgezählt 
wurden, gewiss erkennen, welch reich ent 
wickeltes Künstlerleben in der Stadt, die als 
die Westwacht des Deutschthums dasteht, sich 
hebt und regt. 
Auch sonst geht die Kunst der Litho 
graphie in Deutschland bedeutsam empor, 
zumal ein Meister wie HANS THOMA seit 
Jahren zu ihren Vorkämpfern gehört. Es sei 
indes darauf verzichtet, der Beispiele me r 
noch anzuführen. 
Den österreichischen Künstlern mögi.n 
aber die Erfolge, die ihre deutschen Brü er 
errungen haben, ein Sporn sein, nicht zurüc 
zustehen! Denn in dieser Kunst, die zugleic 
so reich und so bescheiden ist, lässt sich noc 
vieles sagen und wagen.
	        
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