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der unheilvolle Glaube an das „Wissen", 
dass man die ganze Welt wissen kann, 
also auch die Kunst. (Man redet ja von 
Kunstwissen, Kunstkennen u. s. w.) 
Sie fangen in ängstlicher Hast an 
zu lesen, zu horchen auf Worte und 
Manieren. Aber Geschriebenes und Ge 
sprochenes über zeitliche Kunst rührt 
zum grössten Theil von Künstlern selbst 
oder berufsmässigen Kritikern her, und 
bei beiden ist der Suchende verrathen. 
Die Worte der Künstler fallen ihm in 
die Seele wie Steine. Und die berufs 
mässigen Kunstrichter sind in Wirklich 
keit ebenso rathlos wie er, nur müssen 
sie von den Zeilen leben und machen 
aus ihrer Rathlosigkeit eine Blasirtheit, 
in der sie die nöthige Nonchalance zum 
Ablehnen und Geltenlassen gewinnen. 
Echte Sehnsucht zur Kunst wird so 
missleitet zur Blasirtheit. Und diese 
Blasirtheit dehnt sich allmälig wie ein 
weites Gras- und Heufeld rund um die 
Gärten der Kunst. Nicht mancher 
kommt noch zu ihren Eingängen. Er 
sieht das Lächeln rings auf den spötti 
schen Lippen, lächelt auch und ist für 
die Kunst verloren. 
Es ist ein schlechtes Zeichen, dieses 
ewige Schielen nach anderen, diese 
Furcht, sich zu blamiren. Die furcht 
bar überlegenen Gesichter in Gemälde 
salons und Concertsälen, weil jeder bei 
keinem Wort der Begeisterung sicher 
ist, ob er nicht an Falsches geräth und 
sich blamirt. Es zeigen sich auch da 
die verderblichen Folgen unserer Er 
ziehung, die mit allgemeinen Zielen und 
Idealen hantirt und die Menschen nicht 
auf sich gründet, den Einzelnen aus 
sich entwickelt und so den Menschen 
zugleich sich selbst und auch der Welt 
entfremdet. Der so „Gebildete" hängt 
sich gleichsam nach aussen an die Dinge, 
statt sie an sich aufzuhängen. 
* 
Ich habe von jeher die Menschen 
gern gehabt, die den Muth zur Dumm 
heit hatten, den Muth, sich trotz all 
gemeinsten Gelächters einmal gründlich 
zu blamiren, weil er nichts anderes ist als 
der Muth zu sich selbst, der Mufh zum 
Schlüssel aller Dinge, dem EIGENEN 
GEFÜHL. 
Das eigene Gefühl ist auch der ein 
zige Weg zur Kunst, der einzige, der 
aus ihrem Wesen möglich ist. Sie wird 
aus dem Gefühl geschaffen und muss 
ins Gefühl wirken. Wie wir Kunst 
werke bei den kindlichsten Völkern 
finden, so auch Freude an künstleri 
schen Darstellungen bei den einfachsten 
Menschen. Wenn wir uns dazu ver 
gegenwärtigen, dass Freudemachen — 
den Begriff im weitesten Sinne ge 
nommen — der höchste und eigent 
lichste Werth der Kunst ist, liegt der 
Weg klar, auf den wir die Pseudo- 
blasirten bringen müssen, damit sie 
selbst zur Kunst weiter finden. 
Wir müssen sie zum ersten auf ihr 
eigenes Gefühl verweisen. Wo das an 
irgend einer künstlerischen Leistung 
seine Freude hat, ist seine Kunst. Wenn 
sie sich darauf verlassen, unbekümmert 
um die guten Lehren der anderen, wer 
den sie von selbst zu weiterem Genuss 
und zu einer Auswahl kommen. Wir 
thun ja auch nichts daran, irgend einem
	        
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