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seine Lieblingsmahlzeit zu entdecken, 
die findet jeder selbst beim Essen. 
Wir müssen sie zum zweiten von der 
unglückseligen Meinung abbringen, als 
richte sich die Güte des Gefühles nach 
dem Ziel, als sei es eine Ehrenpflicht, 
sich — sagen wir an Böckhlin zu freuen, 
und eine Schande, sich für Schirmer 
zu begeistern. Dergleichen wird noch 
immerzu gepredigt. Es ist eine falsche 
Predigt, und sie hat viel Unheil ange 
richtet. Auf die STARKE des Gefühles 
kommt es an. Wir schätzen den liebe 
vollen Esser nicht höher, ob er Fleisch 
speisen oder Gemüse bevorzugt. Wir 
wissen, dass der Geschmack, den wir 
an essbaren Dingen haben, nicht einmal 
allein von der Feinheit der Zunge ab 
hängt, sondern durch gewisse Magen- 
und Körperzustände bedingt ist. Die Be 
schaffenheit der Seele bestimmt den Ge 
schmack. Wie wir jedem seine Seele 
lassen müssen, wollen wir ihm auch 
seine Freude lassen. Wer die MEISTE 
Freude hat, ist der Werthvollste für die 
Kunst. 
* 
Hell und froh würde die Kunst wir 
ken, wenn alle, die zu ihr kämen, ihrem 
eigenen Gefühl horchten und sich darin 
freuten. Es wäre endlich reiner Genuss 
und deshalb Heiligung, wo jetzt Mühe 
und Arbeit ist. Nur so können Volk 
und Kunst sich finden, dass jeder weiss, 
WIE SEIN GEFÜHL IMMER RECHT 
HAT. 
Wie jede Zunge ihr Lieblingsgericht, 
wird jedes Gefühl seinen Lieblings 
künstler finden, und wenn es sich an 
dem einen zum Enthusiasmus entflammt, 
ist das ein idealer Zustand für Schaf 
fende und Geniessende. Der Künstler 
glaubt im Grunde nicht, dass ein Be 
wunderer ihn voll erfassen kann, wie 
soll er zugeben, dass ein Durchschnitts 
mensch einige Dutzend seines Gleichen 
aufrichtig zu gemessen fähig ist. Und 
der Bewunderer horcht sicher tiefer in 
die Welt, wenn er einem Deuter von 
Herzen lauscht, statt sich von einem 
Haufen Stimmen verwirren zu lassen. 
Ein Künstler kann über sich hinaus 
schaffen und die weitesten Kreise be 
wegen: GELIEBT wird er nur von 
denen, die seinem Wesen ähnlich sind. 
Und die Liebe zu sich um seiner Kunst 
willen ist das Höchste, was ihm ge 
geben werden kann. 
Aus dem Enthusiasmus für einen 
Künstler wird sich das von selbst er 
geben, was wir von der Kunst ganz 
besonders gern erhoffen: das Bildende. 
Wer sich in die Tiefen einer einzelnen 
Künstlerseele hineinfreut, kommt tiefer 
in die Kunst und die Welt. Jeder 
Künstler schafft über sich hinaus und 
ist ein Wegweiser über sich hinaus. Wo 
ein Gefühl in einem andern Künstler 
die Fortsetzung sieht, verlässt es den 
ersten. So verzweigen sich die Wege, 
so wird aus der Begeisterung für einen 
Künstler ein wahrhaftiger KUNST 
ENTHUSIASMUS. 
So lang die Kette ist, die von dem 
letzten zum ersten zurückläuft, das Ge 
fühl wird gern in Rührung an die ein 
zelnen denken, die ihm einmal alles 
gaben. Wie an die Gerichte der Mutter, 
die so herrlich sind in der Erinnerung. 
WILHELM SCHÄFER. 
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