scheint, muss dennoch unserem Wesen
viel mehr gemäss sein als die besten
Gesetze, die wir erfinden können. Die
Zeiten sind wahrscheinlich nahe, wo
der Mensch lernen muss, das Centrum
seines Stolzes und seiner Freuden anders
wohin zu pflanzen als in sich selbst.
Während unsere Augen sich öffnen,
fühlen wir mehr und mehr uns von
einer enormen Kraft beherrscht und
überschattet; doch wir erwerben zu
gleich immer mehr und mehr die in
time Gewissheit, dass wir selbst einen
Theil dieser Kraft ausmachen; und so
gar wenn sie uns schlägt, können wir
sie bewundern, wie Telemach das Kind
die Kraft des väterlichen Arms be
wunderte.“ Es giebt Momente, wo das,
was uns besiegt, uns schon näher zu
berühren scheint, als der Theil von uns
selbst, welcher unterliegt. Wäre die
Natur minder achtlos, sie schiene uns
nicht so gewaltig. Dass sie zerstören darf,
was uns werthvoll gilt, dass sie ver
schwenden mag, was uns
unersetzlich, giebt uns
das Mass ihrer Grösse
und ihres Reichthums.
Dass wir für sie nichts
bedeuten, macht sie uns
so bedeutend. Und was
wir in ihr verlieren, ge
winnen wir in ihr; denn
was wir bewundern, wird
gewissermassen ein Theil
von uns selbst, und je
grösser es ist, desto
grösser die Seele, die
so Ungeheueres zu be
hausen vermag.
Eine kurze Skizze gleich dieser kann
nur die Gesinnung und den Umriss eines
Buches wiedergeben, das um so reicher
ist, als es der festen Systematik entbehrt.
Es ist nicht unanfechtbar. Dass wir
selbst unser Schicksal sind und insofern
auch unseres Schicksals Herren, ist eine
Wahrheit; doch sind wir wirklich Herren
unseres Selbst? Ist unser Ich nicht selbst
schon ein Schicksal? Ist es uns nicht
anerschaffen? Ich will nicht die müssige
Frage nach der Freiheit des Menschen
auf werfen; es kann sich in der Praxis
doch nur darum handeln, ob wir die
Kräfte, die in uns liegen, frei machen
können, sie frei zu benutzen verstehen.
Allein in welchem Mass wir das
können, hängt nicht ganz von unserem
Willen ab. Es ist nicht so einfach,
ein Weiser zu sein als Maeterlinck es
meint. Zwar unterscheidet er Grade. Es
giebt von der instinktiven Weisheit bis
zu der voll bewussten zahllose Stufen;
jedoch die instinktive, ist sie nicht mehr
noch als die ausgereifte
ein vorbestimmtes Werk
der Natur? — Aber viel
leicht WILL Maeterlinck
dies alles vergessen. Viel
leicht ist es gut, dass alles
dies einmal vergessen
wird. Es ist nothwen-
dig, dass alle Kräfte des
Menschen wieder einmal
auf gerufen werden. Und
vielleicht hat Maeterlinck
recht, wenn er vorher alle
Hemmungen ausschaltet.
MARIE HERZFELD.