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nicht vom Winde; das Haar flatterte auch nach 
rückwärts. Nur der Hauch ihres eigenen Tanzes 
in all' dieser Bewegung, sonst kein Atemzug. 
Ein toter Raum, eine seltsame Versteinerung in 
dem weissen Rund des Marmors, in dem die wei 
chen Linien einsanken und sich verloren. Ihre sich 
leicht zurückneigenden Köpfe betäubt wie in Be 
rauschung. 
Leonzino hatte nie etwas Ähnliches gesehen 
oder geahnt, einmal ums andre umkreiste er sein 
Kleinod und sah es an und war froher, als er sich 
je gefühlt. Nun musste er es oben bei sich in 
Bellosguardo haben und es ansehen, ansehen, es 
dünkte ihm, fast sein ganzes Leben lang. 
Er sandte Boten hinauf zu sich nach Hause, 
man möge die weissen Ochsen lösen, die den 
Springbrunnen trieben, ihnen ihr schönstes pur 
purgemaltes Joch anlegen und sie vor den besten 
Wagen spannen, um seine Urne zu holen, und 
indes er wartete, war er in liebevoller Arbeit be 
strebt, die allerletzten kleinen verwischenden Spu 
ren der jahrhundertelangen Ruhe im Erdreich zu 
beseitigen. Das Gefährt kam, er liess es beladen, 
und ging selbst zur Seite, um darüber zu wachen. 
An der Pforte von Gentiles Garten, von wo 
er einen Schimmer der Stadt sah und an all' die 
Menschen dachte, denen er begegnen würde, 
brach er lange lichte Zweige von den lenzbelaub 
ten Pappeln und schwarze Cypresse und wand sie 
Zu Kränzen um die Hörner der Zugtiere, weil sie 
den Fund vom Totenreich wieder ans Licht brach 
ten. Leute blieben stehen und sahen ihn an und 
lachten verwundert, doch er achtete nicht darauf. 
Der Weg ging zwischen Mauern, gekrönt von 
dem bläulichen Laub der Weinranken unter dem 
bebenden Blau des Himmels. Die Ochsen hoben 
bedächtig ihre Füsse aus dem feuchten Boden 
und machten an den Hügeln Halt, um zu rasten, 
langsam ihre bekränzten Häupter wendend. Leon 
zino wartete jedesmal geduldig, den Blick gebannt 
von seiner weissen Urne und dem Spiel des war 
men Sonnenscheins über dem Tanz der weiblichen 
Gestalten. Als er höher hinaufkam, sah er Flo 
renz' Glockenturm zwischen den Cypressen und 
die Berge dahinter; noch höher, und die Weite 
war frei, und der Arno brannte in Sonne mit 
der lichten Stadt um sich, umarmt von blauen 
Hügeln, denen das Laub der Oliven ein silbernes 
Glitzern gab, und die wasserschwere Luft einen 
Perlglanz in der Ferne. 
Leonzino hatte nie seine Stadt so gesehen, 
und nie war sie ihm so teuer gewesen. Sie 
hatte etwas von der Schönheit und Vergänglich 
keit der Blumen über sich, und wenn er an die 
Kirchen dachte, die gebaut wurden, unter langen 
Mannesaltern, immer ein Giebel für sich, ein Thor 
für sich, mit seiner Spitzenausschmückung, die 
reife Farbe von Sonne und Wind bekam und 
verblassen konnte, bevor das nächste ausgeführt 
ward, da dünkten sie ihn wie Auen und Haine 
von Riesenbäumen, deren Schicksal es ist empor- 
zuschiessen und sich über die Wurzeln der Nach 
barn auszubreiten, und zu sterben in ewiger Ver 
gänglichkeit und Wechsel. Aber die Menschen, 
die sich regten und arbeiteten und kämpften und 
hofften, zwischen diesen blühenden Ruinen, für 
die hegte er eine mitleidige Liebe, und es dünkte 
ihn, dass er für allezeit von ihnen fortzog, mit 
seinem weissen seltsamen Schatz, der die Lösung 
von allem barg, die Befreiung von allem. 
Nun war er nahe von seinem Heim, nun sah 
er rechts Mont Oliveto mit seinem Kreise von 
schlanken Cypressen um den Rand und den Cy 
pressen in der Mitte, die sachte ihre schwarzen 
Wipfel unter dem Flüstern des Windes zusammen 
neigten. Der war wie der Thron des Todes 
selbst; in dem Grase des Plateaus wusste er, 
wuchsen dicht blassgelbe Schwertlilien, deren 
Kelche an den Spitzen in erdfarbenes Schwarz 
übergingen. Wanderte man dort rings herum, 
rings herum, schien die Stadt so ferne zwischen 
den steingleichen Stämmen und dem harten Sau 
sen der Bäume. Doch sein Weg ging höher. Da 
lag seine weisse Villa und leuchtete in Sonne 
zwischen dunklen Ranken, da war er zu Hause, 
hinein durch das Thor, und er sah mit neuer 
Freude, wie schön sein Garten mit Blüten und 
Blättern dem Neuangekommenen entgegenlächeln 
würde. 
Es liess die Urne aufstellen, auf einer Marmor 
platte unter einer schwarzgrünen Steineiche, die 
so dicht war, dass kein Regen durch ihre rascheln 
den Blätter drang. Dann verweilte er einsam mit 
ihr, liebkoste sie mit dem Blicke und den Händen 
und sehnte sich, in ihren Sinn einzudringen, die 
Musik zu dem Tanze der Frauen zu vernehmen, 
den Stein in seiner Umarmung atmen zu fühlen. 
Sowie er sich unbeobachtet wusste, küsste er die 
feinen zurückgeneigten Köpfe der Tänzerinnen, 
und da er Mitleid empfand mit ihrer frierenden
	        
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