LIRA.
EINE KÜNSTLER-ODYSSEE
von PAUL SCHEERBART.
»Meinet* grossen Datty Servaes.«
I.
W ie lachende Kinder schaukelten
die Wellen auf der grossen See.
Der Himmel war dunkelblau.
Das Wasser war dunkelblau.
Lika sass in einer feinen weissen Porzellanschale,
deren Rand so kraus war, wie ein Halskragen der
Maria Stuart.
Die ziemlich flache runde Schale zeigte im
Innern krause Linien -— mattbraune, die sich zier
lich verschnörkelten, wie altindische Schrift.
Und ein orangefarbiger Sonnenschirm schützte
die Lika vor den Strahlen der Sonne.
Der Schirmstock stak in der Mitte der Por
zellanschale.
Das orangefarbige Schirmdach war aus Seide
— nicht gebogen, sondern grad und steif wie ein
Schirm aus dem Lande der Chinesen.
Lika wusste nicht recht, was sie denken sollte.
Jedoch da tauchte plötzlich neben ihr im blauen
Meerwasser ein dicker Triton empor und fragte,
nachdem er sich das Wasser aus den Augen ge
wischt hatte:
„Nun, Lika, wohin willst Du?”
Lika besann sich auf Worte, doch sie merkte,
dass sie fast alle Worte vergessen hatte.
Nur ein Wort fiel ihr wieder deutlich ein —
das Wort „Heimath”.
Und Lika rief laut:
„Du, ich möcht' in die Heimath!”
Der Triton fragte wieder:
„Was willst Du denn da?”
„Das Glück!”
Der Lika war dieses zweite grosse Wort ganz
unwillkürlich in den Mund gesprungen.
Jetzt merkte sie erst, was sie gesagt hatte, und
sie lächelte darüber.
Der Triton aber meinte:
„Gut, so wollen wir die Heimath mit Deinem
Glück suchen — nicht wahr, Lika?”
„Ja!” sprach sie.
RUDOLF
JETTMAR.