MAK
FERDINAND ANDRI 
WIEN O M 
= HERRENPORTRÄT 
>1 
werden. Auch ist ja nur 
bei uns dieMisere in diesem 
Artikel merkwürdig so 
gross. Es gibt ja so wenig 
Blätter, die zugleich po 
pulär und künstlerisch in 
der Illustration wären. Fast 
alles ist Handwerk und 
die reine Manier des Zeich 
nerischen wird nirgends 
gepflegt. Und doch bot 
sonst allenthalben die Illus 
tration eines Journales, 
eines Buches die wunder 
barste Gelegenheit, auf 
die kleinen und grossen 
Zufälligkeiten des Lebens 
intim einzugehen, die un 
beachteten Posen und ihre 
Poseure des Augenblicks 
für ewig aufzunehmen, 
von jedem Ding das sonst 
Flüchtige und Uninteres 
sante als auch ein Wesent- 
liches seines Charakters zu 
bringen und wieder die 
krause Linie des Lebens 
zu stilisieren, dass man 
klar wurde über alles. 
Hekuba konnte diesen 
Künstlern freilich nichts 
sein, aber Rosenkranz und 
Güldenstem und jeder an 
dere Ueberschuss war eine 
heitere und auch trübe 
Quelle. 
Freilich konnte dann 
das Graphische nur dort 
recht gedeihen, wo es aus 
allen Gegensätzen, aus 
einem unablässigen Gehen 
und Kommen seine Stoffe 
schöpfen konnte. In der 
steten Bewegung des Le 
bens, die sich aus dem 
kleinsten Rade auch ab 
leitete, lag sein Heil. Paris 
und London waren da 
gleich anfangs die Haupt 
orte. Das Schaffen war 
gleich erleichtert. Ob es nun eine Illustration oder 
eine selbständige Arbeit war, beide wirkten gleich 
wie ein Text ohne denselben, sie waren immer ein 
Kunstwerk für sich. Es floss in ihnen wie ein reiches 
Wissen, das aus einer fortwährenden Arbeit kommt. 
Man konnte aus ihnen alles erkennen lernen. In den 
entzückenden französischen Blättern parfümierter 
Laster, die nur das nächste Leben desRococo zeichnen, 
Kavaliere, die einen kühnen Ueberfall unternehmen 
oder gewagte Stellungen ihrer Damen beobachten, 
wandelten sich das Gewirr und der Duft zarter 
Spitzen, verschnörkelter Möbel, die bemalten Fächer 
und galanten Degen in die harte und graue Oede 
der Revolutionsgefängnisse. Englands Moralinsäure, 
wässerig wie sein Thee 
und unverdaulich wie 
seine Butterbrode, wan 
dert durch die Werke 
Hogarths, fein säuberlich 
in ganze Romane ge 
kleidet, eine andere Col 
lection Tauchnitz. Aber 
man konnte daraus sehen 
und die Zeit mehr ver 
stehen lernen, als aus der 
Zahl der Historienbilder. 
Aber wo ist auch nur 
das deutsche Wesen des 
18. Jahrhunderts besser 
erhalten? Wer kann denn 
besser diese gespreizte Zeit 
der Familie, der kleinen 
Heimlichkeiten und Sor 
gen, das steife Menuett 
aller ihrer Gefühle, die 
verschlafen und unmuthig, 
aber immer preciös gingen, 
in die deutlichste Form 
bringen als Chodowiecki 
in seiner Unzahl von Illus 
trationen? Aber während 
in Deutschland dieser Mann 
lange eine vereinzelte Er 
scheinung blieb, förderte 
die graphische Kunst zahl 
reicher Journale Londons 
und Paris immer neue 
Talente zu Tage, die alle 
auf die Natur losgingen, 
namentlich in Paris, wo 
die sich in steter Revo 
lution gegen alles befind 
liche Menge sich so frucht 
bar zeigte. Da bemäch 
tigte sich ein Daumier 
und Gavarni ihrer Typen 
und die Historik gelang 
so besser als wenn man 
die Barrikaden gezeichnet 
hätte. Man sieht zwar 
nur dicke Bourgeois, ver 
wöhnte Lebemänner, Job 
ber, Staatsmänner, grosse 
Cocotten mit witzigen Ver-
	        
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