NACH EINEM
ORIGINAL
HOLZSCHNITT
VON
EMIL ORLIK
ZUR WERTHSCHÄTZUNG
DER JAPANISCHEN KUNST.
rot z verschiedener Be
mühungen besitzen wir
leider noch immer keine
wirkliche Geschichte der
japanischen Kunst. Die
ersten, besonders franzö
sischen Versuche der Art,
so verdienstlich sie an und
für sich auch sind, konn
ten natürlich nicht sofort
das Richtige treffen. Das
W erk Brinkmann's ist
ausserordentlich anregend und belehrend, sucht den
Dingen aber von ganz anderer Seite beizukommen,
als von der zeitlicher Entwicklung, v. Seydlitz
legt in seiner Geschichte des japanischen Farben
holzschnittes darauf wohl hohen Werth; aber doch
ist nur ein kleiner Theil der gesammten Kunst
entwicklung in Betracht gezogen, und auch da
scheint mir, offen gestanden, vieles durchaus nicht
so sicher, als es Manchem zu sein scheint; schon,
dass Gonse, Anderson und Fenollosa, auf die er
meistens zurückgeht, einander so häufig wider
sprechen, erweckt mir Verdacht.
Es ist in der That für uns Europäer, besonders
da wir Sprache und Litteratur des eigenartigen
Volkes nicht kennen, überaus schwer, uns seine Ent
wicklung und damit die Grundlage seiner Kunst
deutlich zu machen. Wir kennen den grossen
Zeitraum, der eine so seltsame Blüthe wie die
japanische Kunst gezeitigt hat, eigentlich erst seit
dem Augenblicke, wo er mit der grossen Um
wälzung der sechziger Jahre zu Ende ging. Aber
wie am Ende, so muss auch am Anfänge jener
Epoche eine grosse Krise stattgefunden haben.
Japan war ein Feudalstaat, der mit den euro
päischen Staaten des Mittelalters grosse Aehnlich-
keit hatte. Schon das lässt uns vermuthen, was
auch die Ueberlieferung bestätigt, dass die Japaner
aus zwei Rassen entstanden sind, einer erobernden,
die später den herrschenden Adel abgab, und einer
unterworfenen — ähnlich wie in Europa der alte
Adel aller romanischen Länder dem Blute erobern
der Germanen entsprungen ist und erst allmählich
in dem Volke aufging.
Eigenartige Cultur kann in solchen durch ein
ander gewürfelten Völkern nur dann entstehen,
wenn sie sich zu einer einheitlichen Masse ver-
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