mando der Cultur zu schaffen, immer so gewesen ist; der
Zustand ist keineswegs neu. Neu ist, dass man seit etwa
zehn Jahren angefangen hat, in ihm unsere Noth zu er=
kennen. Es sind vehemente Naturen unter uns erschienen,
die wissen oder doch fühlen, woran es fehlt, und dass bei
unseren besonderen Verhältnissen das blosse Talent nicht
genügt, um zu wirken, wenn es sich nicht entschliesst, für
sich aus Eigenem zu besorgen, was von rechtswegen der
Staat für das Talent zu thun hat. Sie haben bemerkt, dass
wir, in Sachen der Cultur, gleichsam noch vor der Erfindung
des Staates leben, und haben sich entschieden, ihn, da sie
ihn nicht entbehren können, nun selbst beizustellen. Die
Vertheilung der culturellen Aufgaben des Staates an private
Freiwillige, sozusagen, scheint mir das eigentliche Merkmal
der stillen Bemühungen zu sein, die sich seit zehn Jahren
immer deutlicher ankündigen; und ich zweifle nicht, dass
die Forscher später einmal dieses Schauspiel staunend und
entzückt bewundern werden, da es ja wohl ganz einzig ist,
dass ein Volk, innerlich auf der Höhe der Civilisation, sich
äusserlich gleichsam noch in einem Urzustände befindet
und alle Werkzeuge der Cultur, alle geistigen Apparate, die
man eben zusammen Staat nennt, entbehren muss, aber
nun, in der letzten Stunde, von äusserster Gefahr bedroht,
vor den Untergang gestellt, resolut aus sich selbst zu be=
schaffen die Energie hat. ©0©
© Dies muss man bedenken, um die Bedeutung unserer
österreichischen Secession überhaupt vermuthen zu können;
sie ist nur in diesem Zusammenhänge zu begreifen. Mit den
Secessionen in den anderen Ländern hat sie nichts gemein.
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