reißen von so lange genährten Vorurtheilen nicht ohne die größten Anstren
gungen. Ich überwachte mich indeß auf das strengste und strebte rastlos,
mich immer mehr auf dem Wege des Studiums der Natur zu vervoll
kommnen. Auch war ich fleißig daran, durch das Studium kunstliterarischer
Werke meine Erkenntniß zu erheben und zu klären. Das meisterhafte Buch
des trefflichen, leider uns nun schon durch den Tod entrissenen Kanonikus
Speth „Die Kunst in Italien” gab mir die lebhafteste Anregung, dieses
Land auch selbst zu bereisen und seine Kunstschätze zu studiren. Ich that
es, wiederholte diese Reisen mehrere Male, und sie waren von großem,
wichtigem Einfluß auf meine künstlerische Wirksamkeit. Das Anschauen
der zahllosen, in dem schönen Italien gehäuften Werke der größten Meister
erschloß meinem Sinne die ganze Größe, Herrlichkeit und Bedeutsamkeit
der Kunst. Im regsten Kampfe meines Innern fühlte ich mich bei dieser
Erkenntniß entmuthigt und begeistert zu gleicher Zeit. Entmuthigt, weil ich
eben im Anschauen solcher Werke die gänzliche Mangelhaftigkeit alles
bisher von mir Geleisteten erkannte, und es mir sehr problematisch er
scheinen mußte, ob ich in einem Alter von 35 Jahren noch hoffen dürfe,
einen Standpunkt zu erreichen, wo ich den Anforderungen, wie ich sie im
Sinne der jetzigen Entwicklung meiner Ansichten und Begriffe an künstle
rische Leistungen stellen mußte, entsprechen könne. Begeistert hingegen
fühlte ich mich eben zu dem Vorsatz, mit aller Kraft nach dem Höchsten
zu ringen, und nur der Wahrheit und Natur zu huldigen, wie jene großen
Meister thaten, deren unsterbliche Werke vor meinen Blicken glänzten. ©
© So war mir endlich die Wahrheit klar geworden. Ein ferneres Irren
war unmöglich. Alle meine Studien und Bestrebungen geschahen in diesem
Geiste, in dieser Richtung. Im Jahre 1830 besuchte ich Paris, um die Ar
beiten der neueren französischen Schule zu studiren, deren treffliche Lei
stungen ein neuer Sporn für mich waren, in dem seit Jahren schon von mir
versuchten Genrefach thätig zu bleiben. In diesem Jahre erhielt ich auch die
Anstellung als Professor an der k. k. Akademie der bildenden Künste in
Wien, dann als erster Kustos der dieser Akademie eigentümlich angehö-
rigen, weiland gräflich Lamberg’schen Gemäldesammlung, endlich als aka
demischer Rath. JeneZeit, welche die Ausübung der Berufsgeschäfte, welche
mit dieser meiner Stellung verbunden sind, mir übrig ließ, benutzte ich rast-
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