wurde. 1563 stattete derselbe die „Compagnia dell’ arte del disegno” mit
Statut und Privilegien aus, ihre ausgezeichnetsten Mitglieder sollten unter
dem Namen Akademie vereinigt werden. Michel Angelo, der uralt in Rom
lebte, ernannte man zum Ehrendirector. Im nächsten Jahre kam seine
Leiche nach Florenz und wurde mit mächtig studentischen Feierlichkeiten
von den neuen Akademikern beigesetzt. Reden wurden gehalten, über die
Kunst gedacht, geschrieben, gestritten, in aller Munde war der große Buo-
narotti, sein Denkmal ward aufgestellt. Aber man sehe sich dies Werk an.
Nichts hat der Würdigung des großen Michel Angelo so im Wege ge
standen, als diese wie ein unendlicher Zopf an seinen Schatten sich an
hängende Kunstthätigkeit, die, seine gewaltigen Formen nachahmend, so
schwächliche Gestalten geschaffen hat. 0 © ©
© Von den Akademien Italiens ging der Glaube an die Richtigkeit ge
wisser Körperstellungen aus, die von nun an wie unvermeidliche Ge
spenster durch die Gemälde ziehen. Am unumschränktesten herrschte
diese abstracte akademische Musterschönheit im vorigen Jahrhundert.
Die besten Eigenschaften aller Kunstwerke, antiker wie moderner, wurden
zergliedert, und aus ihren vollkommensten Bestandtheilen die absolut
schöne Gestalt componirt, deren Proportionen man stets zu erreichen
suchte. Diese Berechnungen wurden zu einem ernsten Studium, Winckel-
mann und Rafael Mengs stehen auf seinem Boden. ©0©
© Heute wird dieses akademische Ideal verurtheilt, gerade wie die fran
zösische Tragödie, deren Gestalten vor hundert Jahren die Welt bezau
berten. Wie für das Theater gab es in der Malerei die detaillirtesten Vor
schriften. Was man malen sollte, was nicht. Wie man das malen sollte,
was zu malen erlaubt war. Welche Fehler zu vermeiden wären, wie die
Leidenschaften darzustellen, wie die Stoffe zu drapiren, wie die Arme und
die Füße zu stellen, welches Licht, welche Größe, welcher Grad der Aus
führung. Und solche Ansichten sind die Frucht von langen Lebenserfah
rungen! Fueßli, der berühmte Professor an der Akademie zu London, ver
öffentlichte 1801 seine „Lectures on Painting”. Er geht mit kritischer
Schärfe die ganze Kunstentwicklung durch und stellt schließlich seine
eigenen Ideen auf. Er beschreibt, wie man es z. B. anzufangen hätte, wenn
als historisches Bild der Tod des Germanicus zu malen wäre. Er giebt
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