Linie unterwirft. Bei den Illustrationen zu Ernst Dawsons „Pierrot of the
Minute” finden wir einen Augenblick lang eine entschlossenere Hingabe
an Eisen und Saint-Aubin, aber es ringt sich auch noch eine andere Manier
darin durch. ©0©
© In den bisher noch unveröffentlichten Illustrationen zu Mademoiselle
de Maupin glaubte ich, als ich sie zuerst sah, abgesehen von einer herr
lichen farbigen Zeichnung, ein gewisses Nachlassen der Kraft, eine sicht
liche Schwäche in der Handhabung der Feder zu bemerken. Aber sie
stellen, wie ich später fand, in ihrem nicht ganz glücklichen Streben
nach der natürlichen Form das dar, was uns noch als Beardsleys letzte
„Manier” zu betrachten übrig bleibt. Die vier Initialen zur Volpone, deren
letzte er nicht ganz drei Wochen vor seinem Tode beendete, zeigen voll
kommen neue technische und geistige Eigenschaften. Sie sind mit Blei
stift gezeichnet und verlieren wie alle Bleistiftzeichnungen viel in ver
kleinerter Wiedergabe. Aber die Originale stehen unbedingt in rein tech
nischem Können auf gleicher Höhe wie das Beste aus seinen früheren
Zeiten und führen endlich — mit vollständigem Erfolg = die Naturform
in die Flächenbehandlung ein. Und hier fließt unter fast feierlichen Um
ständen die gebrochene Linie der Schönheit wieder zusammen. „Die Not
ist zu Ende” und das Mühsame ist aus dieser nicht weniger phantastischen
Welt verschwunden, in welcher Pan noch immer zwischen Bäumen von
seiner Säule herunterlächelt, aber ohne seine alte Bosheit. © © ©
© Menschliche und tierische Form kehren zu klarer Erkennbarkeit zu
rück mit einer neuen Hoheit, unter dieser neuen Achtung vor den Mög
lichkeiten, die sie bieten. Beardsley ist zur Stilisierung der Natur selbst
übergegangen, er macht sie sich zunutze, er entnimmt ihr seine Symbole
und stößt sie nicht länger von sich zu Gunsten einer Stilisierung voll
kommen eigener Prägung. Und so finden wir in seinen letzten Arbeiten,
die er schuf, als schon der Schatten des Todes auf ihm lastete, neue
Fingerzeige für eine Kunst, die, als reine Linie empfunden und durch das
reine Flächenmuster hindurchgeführt, nach vielem Zaudern zu jenem
großen Kompromiß übergegangen ist, zu dem die größten Künstler aller
Zeiten sich verstanden haben: dem Kompromiß zwischen den Gebilden
unserer Gedanken und den Gebilden der Wirklichkeit. © © ©
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