VER SACRIMER
Hier ist der Übergang zur zweiten Wirkung aus dem
Geist der Sache, ohne sich von der Wirkung des Typus zu
entfernen. Im Placat nämlich kann die glückliche Mischung
eines Productes mit einem Charakter liegen. Es wird typisch
hergestellt und kann doch jedesmal in seiner Art wirken,
indem es den Sinn, die Nothwendigkeit, d. i. die Seele des
Darzustellenden vermittelt. Da darf man natürlich nicht
so Vorgehen, dass man dieselbe Schablone für verschiedene
Dinge nimmt, sondern immer intimer muss man mit diesen
werden, um jedes sich neu bewerben, um das Publicum
von ihnen abhängig zu machen. Der Fall muss einfach
jedesmal ins vereinzelte gezogen werden, während er doch
immer derselbe bleibt. Dass hier culturelle Wirkungen an
gebahnt werden, kann ohne Zweifel sein, wenn man be
denkt, dass dem Publicum so immer neue Bedeutungen
der Nothwendigkeiten des Lebens zufliessen würden.
Bei uns freilich weiss man noch sehr wenig mit dem
Placat anzufangen, aus dem einfachen Grunde, weil die
wenigsten Künstler einer Cultur zu dienen wissen, man
will nur herrschen, irgendeinen Höhepunkt einnehmen.
Unser Verhältnis zu den Dingen ist bis jetzt noch ein Lieb
haberverhältnis, man weiss nur mit diesen etwas anzu
fangen, nur die sprechen mit uns, die sich einzuschmeicheln
gewusst haben, die anderen liegen in steinerner Stummheit
herum und bedrohen uns. Diese geringgeschätzten Dinge
sagen nicht weniger ihr Ja als die anderen und man möchte
dieses Wunder, des Glaubens liebstes Kind, bald sehen.
Es ist nur noch zu sagen, dass das Placat in der Kunst
eine wahrhafte Entwickelung bedeutet, wenngleich mit eini
gem Vorbehalt in Bezug auf Modethorheit und deren Con-
sequenzen. Aber es hat uns vor allem mit geholfen, der
Kunst die Gleichwertigkeit aller Dinge vor denselben zu
zeigen, das Monopol von Stoffen aufzuheben und schon
in diesem Sinne social zu wirken und jedem Ding zu seinem
künstlerischen Recht zu verhelfen. Anderseits hat es noch
eine wichtige Perspective auf das Kunstgewerbe geöffnet,
das von der Maschine mit ihrer typischen Arbeit getödtet
wurde. Nun ist aber auch das Placat ein maschinelles Pro
duct und trägt doch einen individuellen Stempel. Auf einem
ähnlichen Weg werden sich die einzelnen Zweige zu ent
wickeln haben, indem sie einfach aus ihrem Wesen heraus
sich entwickeln, ohne ihr typisches zu verlieren, und so
sich dem mittelalterlichen Handwerksideal nähern. Auch
hier erweisen die Placate schon einen social-culturellen
Dienst, der einfach in der leichten Zugänglichkeit derselben
liegt. Grassets wunderbare panneaux ddcoratifs sind für
wenige Francs erhältlich. Die Dinge in ihrem freien Wesen
aber, die sich ähnlich entwickeln, werden uns vertrauter
werden, nicht bloss unheimlich stumm unser Leben be
drängen. GUSTAV GUGITZ.