MAK
SACRUM. 
waren, hörte die letzten Klagen der Untergesunkenen und 
an den Wänden Plattgedrückten; keiner fühlte, dass er auf 
zitterndem Menschenfleisch schritt, und keiner sah das 
blutigrothe Bächlein, welches die Eingangsstufen herab 
plätscherte; alle drängten gegen das Thor des Gebäudes, 
hineinzukommen um jeden Preis, lebend oder todt. 
Unter denen, die lebendig die Todespforte passierten, 
befand sich auch durch Zufall unser Faulpelz, und wurde 
dadurch erst recht der grössten Gefahr ausgesetzt. 
Er glaubte in eine freiwillige Folterkammer zu treten, 
in welcher Tausende gleichzeitig gezwickt und gestochen 
wurden, so unerfreulich war der Anblick der verzerrten 
Gesichter, so wenig harmonisch der ungeheure Schrei der 
wahnsinnigen Menge. Aber doch schien manchmal die 
Disharmonie der Schmerzenslaute einer Harmonie von 
Rufen der Begeisterung zu weichen; auf jeden Fall wurde 
die Sache immer unfassbarer. Haarsträubend wunderbar, 
unerklärlich selbstverständlich war die Scene, welche den 
Hauptsaal des Gebäudes erfüllte. Nicht nur 
nebeneinander stand man, wie sonst bei den 
gedrängtesten Fest-Versammlungen, son 
dern, weil niemand hinaus konnte und fort 
während Nachschub kam, war bald der 
ganze Fussboden besetzt, die Nachfolgen 
den stiegen auf den Köpfen und Schultern 
der An deren umher, diese ihrerseits standen 
auf den armen Zertretenen, welche mit dem Blute ihrer 
Leidensgenossen einen schaurig farbigen Teppich bildeten. 
Auf der einen Seite des Saales entdeckte der Maler 
plötzlich eine kolossale Marmorbüste, um welche sich der 
wirre Menschenknäuel drängte. Laut priesen die Nieder 
sinkenden noch mit ihrem Wehgesang den grossen Mann 
und bewarfen seine Büste mit Lorbeerkränzen, so dass sie 
allmählich darunter zu verschwinden begann. Auf der an 
deren Seite aber befand sich dieses Mannes unsterbliches 
Werk, von dem unser Freund leider nichts sehen konnte, 
als hin und wieder das flüchtige Blitzen eines gewaltigen 
Goldrahmens. 
Wie nun ganz logischerweise der Menschenstrom, 
der hier im Riesensaale zum Meere geworden, gewaltige 
Wellen schlug, so befand sich der Künstler bald tief unten, 
seine Locken in das Blut der Verstümmelten tauchend, 
bald suchte er hoch oben auf den Köpfen des Publicums 
das Gleichgewicht zu finden, immer vergeblich bemüht, 
einen Ausblick auf das Bild zu gewinnen. 
Eben richtete er mit dem rechten Fusse 
furchtbare Verwüstungen in dem Gemüse 
garten eines Damenhutes an, nachdem der 
linke einen Cylinderhut zum dauernd ge 
schlossenen Chapeau claque gemacht hatte, 
während die Hände vergeblich in der Luft 
nach irgend einem Halt suchten. Da wurde 
Buchschmuck für V. S. 
gez. von Josef Olbrich. 
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