berichten englische Journale, und es ist wohl kein Zweifel, dass es sich auch wirklich so
verhält. Auf diese Weise wurde Ferstel der Architekt für die künftige katholische
Kathedrale in London, welche den Titel „New Westminster Kathedrale“ führen
wird, und Sir Tatton der Begründer dieser Kathedrale.
Der Plan für die neue katholische Kirche in London wurde nach dem Vorbilde
der Votivkirche entworfen, nur wird die künftige Kathedrale um ein Travde länger
sein als ihr Wiener Vorbild. Sie wird einen Chorumgang ähnlich dem in der Votiv
kirche haben, dagegen im Aeusseren das Detail einfacher und massiger gehalten
sein, um den Bau gegen die bösen klimatischen Einflüsse Londons widerstands
fähiger zu machen.
Ferner ist geplant, in dieser Kirche eine Triforiumsanlage durchzuführen,
wodurch selbstverständlich der Bau einen reicheren und pittoresken Charakter gewinnt.
Nach den Intentionen des Sir Tatton soll die ganze Kirche mit Glasmalereien ge
schmückt werden, um der englischen Glasmalerei Gelegenheit zu grösserer Entwick
lung zu geben. Vorläufig ist aber ausser den Glasgemälden auf eine Polychromie
des Innern der Kirche keine Rücksicht genommen, wohl aber werden daselbst Chor
stühle und ein Hauptaltar in Ciborienform aufgestellt werden, und zwar in ähnlicher
Art wie in der Votivkirche. Nach dem Bauprogramm soll eine selbstständige Sacristei
gebaut und mit der Kathedrale durch eine Halle in Verbindung gebracht werden. Die
Engländer wollen den Platz um die Kathedrale mit Gebäuden in der Weise umgeben,
dass die ganze Oertlichkeit einen einheitlichen und harmonischen Charakter erhält,
ähnlich wie es bei der Votivkirche in Wien der Fall ist. Dadurch soll auch die Mög
lichkeit geschaffen werden, bei Verkauf der Baustellen, resp. der Gebäude, einen Theil
der für den Platz verausgabten Summe hereinzubringen. Wenn man bedenkt, dass
dem Baukünstler damit eine Aufgabe gestellt wurde, die an Grossartigkeit und Schön
heit das übertrefifen sollte, was bei der Votivkirche geleistet wurde, so kann man nur
in den schmerzlichen Ruf ausbrechen: „Armer Ferstel, wie Schade, dass du die Durch
führung dieses grossartigen Baues nicht erleben konntest!“ Nach dem Tode Ferstels
wird nunmehr das Atelier Ferstel, welches von dem Architekten Köchlin und dem
Sohne des Verstorbenen, Baron Max Ferstel, geleitet wird, es übernehmen, den
Bau der Londoner katholischen Kathedrale nach dem Projecte des dahingeschiedenen
Künstlers auszuführen, falls die diesbezüglichen Unterhandlungen zu einem günstigen
Resultate führen sollten.
Kein Auftrag aber erfüllte Ferstel mit so grosser Begeisterung als der Bau der
Wiener Universität. Die Bestimmung des Gebäudes, sowie dessen grosse Ausdehnung
ist ja auch ganz geeignet, jeden Künstler im hohen Grade zu begeistern. Von edlem
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