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Volltext: Monatszeitschrift XI (1908 / Heft 8 und 9)

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und Staub blätterten ganze Stücke der Kompositionen einfach ab und Groll 
hatte, als er das Erhaltene durch Pausen aufnahm, viele Partien aus Eigenem 
zu ergänzen. Die Restauration wurde so, unter vollständiger Erhaltung der ur- 
sprünglichen Komposition, in malerischer und zeichnerischer Beziehung eine 
teilweise Neuschöpfung. Es galt, sich in Pozzos Stil hineinzudenken; es galt, ihn 
auch in einzelnen Partien zu verbessern. „Man würde mich absetzen und Zeter 
über mich schreien, wenn ich gewisse Dinge wieder so malen wollte, wie sie 
Pozzo gemalt ha ", sagte der Künstler mir selbst gelegentlich, als ich mit ihm 
über dieses Restaurationswerk sprach. Niemand, der die prächtige Kirche heute 
betritt, wird sich dem Zauber dieser Arbeit entziehen können, welche, mit all 
ihrer grandiosen Kühnheit im linearen Aufbau und in der Beherrschung der 
gewagtesten perspektivischen Verkürzungen, bei voller Erhaltung des Form- 
charakters dieser Barockkunst wie eine lebendiggewordene Vergangenheit 
anmutet. Hier hat Groll auch in glücklicher Anpassung an die koloristischen 
Eigentümlichkeiten namentlich des österreichischen Barocks eine Leichtigkeit 
und Helligkeit der Tongebung erreicht, welche in einem gewissen Gegensatz 
zu seinen eigenen auf stärkere Kontraste und pastosere Wirkungen ausgehen- 
den Schöpfungen steht, aber gerade hier, inmitten der farbigen und goldenen 
Pracht der Gesamtdekoration, von größter Wirkung ist (Abb. 5). 
Schon aber hatte der Künstler neben dieser Restaurationsarbeit eine 
größere selbständige Arbeit übernommen, welche seiner Kunst der großen 
Komposition und Raumgestaltung zum ersten Male freie Entfaltung gewährte. 
Auf dem Pöstlingberg oberhalb Linz steht, weit ins Land hineinschauend 
und mit herrlichem Blick über das oberösterreichische Donaugebiet bis zu 
den Alpen hin, eine in weitem Umkreis berühmte Wallfahrtskirche. Ein zwei- 
türmiger Barockbau; im Innern trotz nicht allzu großer Dimensionen be- 
deutend wirkend. Der Mittelraum halbkugelförmig überwölbt, nach dem 
Portal und dem Hochaltar zu verlängert und an beiden Seiten in zwei mäch- 
tigen Nischen für die Seitenaltäre sich öffnend. Der Bau war ohne maleri- 
schen Schmuck, ja überhaupt ohne Polychromie geblieben. Es war gewiß 
völlig im Geiste einer verständnisvollen Kunst- und Denkmalspfiege, daß die 
beteiligten Faktoren sich entschlossen, diese künstlerische Lücke auszufüllen 
und die Gewölbe mit Darstellungen aus dem Leben der heiligen Maria zu 
schmücken. Der Raum, der dafür zur Verfügung stand, war verhältnismäßig 
beschränkt: das Kugelgewölbe, zwei Pendentifs an den Pfeilern der Kuppel 
gegen die Altarseite zu und je ein mäßig breiter Gewölbegurt über dem 
Presbyterium und der Eingangshalle (Abb. 6). Es war ein überaus schwieriges 
Problem, welches dem Künstler gestellt wurde: die Hauptvorgänge aus dem 
Marienleben, welche zugleich die I-lauptmomente der Erlösungsgeschichte 
sind, in dem einen Kugelgewölbe anzubringen, welches auch architektonisch 
den Mittelpunkt der ganzen Anlage bildet. Darstellungen, welche ihrem 
Charakter und Stimmungsgehalt und folglich auch ihren koloristischen Er- 
fordernissen nach weit auseinanderliegen, waren in einem Raum, welchen das 
Auge als Einheit empfindet, zu vereinigen. Diese Aufgabe ist sehr geschickt
	        
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