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und Staub blätterten ganze Stücke der Kompositionen einfach ab und Groll
hatte, als er das Erhaltene durch Pausen aufnahm, viele Partien aus Eigenem
zu ergänzen. Die Restauration wurde so, unter vollständiger Erhaltung der ur-
sprünglichen Komposition, in malerischer und zeichnerischer Beziehung eine
teilweise Neuschöpfung. Es galt, sich in Pozzos Stil hineinzudenken; es galt, ihn
auch in einzelnen Partien zu verbessern. „Man würde mich absetzen und Zeter
über mich schreien, wenn ich gewisse Dinge wieder so malen wollte, wie sie
Pozzo gemalt ha ", sagte der Künstler mir selbst gelegentlich, als ich mit ihm
über dieses Restaurationswerk sprach. Niemand, der die prächtige Kirche heute
betritt, wird sich dem Zauber dieser Arbeit entziehen können, welche, mit all
ihrer grandiosen Kühnheit im linearen Aufbau und in der Beherrschung der
gewagtesten perspektivischen Verkürzungen, bei voller Erhaltung des Form-
charakters dieser Barockkunst wie eine lebendiggewordene Vergangenheit
anmutet. Hier hat Groll auch in glücklicher Anpassung an die koloristischen
Eigentümlichkeiten namentlich des österreichischen Barocks eine Leichtigkeit
und Helligkeit der Tongebung erreicht, welche in einem gewissen Gegensatz
zu seinen eigenen auf stärkere Kontraste und pastosere Wirkungen ausgehen-
den Schöpfungen steht, aber gerade hier, inmitten der farbigen und goldenen
Pracht der Gesamtdekoration, von größter Wirkung ist (Abb. 5).
Schon aber hatte der Künstler neben dieser Restaurationsarbeit eine
größere selbständige Arbeit übernommen, welche seiner Kunst der großen
Komposition und Raumgestaltung zum ersten Male freie Entfaltung gewährte.
Auf dem Pöstlingberg oberhalb Linz steht, weit ins Land hineinschauend
und mit herrlichem Blick über das oberösterreichische Donaugebiet bis zu
den Alpen hin, eine in weitem Umkreis berühmte Wallfahrtskirche. Ein zwei-
türmiger Barockbau; im Innern trotz nicht allzu großer Dimensionen be-
deutend wirkend. Der Mittelraum halbkugelförmig überwölbt, nach dem
Portal und dem Hochaltar zu verlängert und an beiden Seiten in zwei mäch-
tigen Nischen für die Seitenaltäre sich öffnend. Der Bau war ohne maleri-
schen Schmuck, ja überhaupt ohne Polychromie geblieben. Es war gewiß
völlig im Geiste einer verständnisvollen Kunst- und Denkmalspfiege, daß die
beteiligten Faktoren sich entschlossen, diese künstlerische Lücke auszufüllen
und die Gewölbe mit Darstellungen aus dem Leben der heiligen Maria zu
schmücken. Der Raum, der dafür zur Verfügung stand, war verhältnismäßig
beschränkt: das Kugelgewölbe, zwei Pendentifs an den Pfeilern der Kuppel
gegen die Altarseite zu und je ein mäßig breiter Gewölbegurt über dem
Presbyterium und der Eingangshalle (Abb. 6). Es war ein überaus schwieriges
Problem, welches dem Künstler gestellt wurde: die Hauptvorgänge aus dem
Marienleben, welche zugleich die I-lauptmomente der Erlösungsgeschichte
sind, in dem einen Kugelgewölbe anzubringen, welches auch architektonisch
den Mittelpunkt der ganzen Anlage bildet. Darstellungen, welche ihrem
Charakter und Stimmungsgehalt und folglich auch ihren koloristischen Er-
fordernissen nach weit auseinanderliegen, waren in einem Raum, welchen das
Auge als Einheit empfindet, zu vereinigen. Diese Aufgabe ist sehr geschickt