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steigern. Die Stufenreihe, ihrem Wesen nach ein konstruktiver, dem Zweck
vor allem ausgesprochen dienender Teil des Bauwerks wird so zu einem
dekorativen Element, zu einem Spielball freier Künstlerlaune, die sich auch
bis zur Nichtachtung jeder Zweckbestirnmung verirren konnte.
Jeder Freund baulicher Gestaltungskraft wird mit großem Genuß die
Treppenkunst Italiens kennen lernen. Der Städtebau des Südens hat die
freien Treppen mit
großem Geschick und
sorgfältiger Beachtung
ihres Schönheitwerts
ausgebildet.
Die hochgestell-
ten Paläste und Kir-
chen des königlichen
und päpstlichen Rom
sind ein unerschöpfli-
cher Quell und Antrieb
der Treppenkunst ge-
worden und die größ-
ten Künstler haben
ihrer Gestaltung sich
gewidmet; so hat Mi-
chelangelo mannigfal-
tige Treppenanlagen
geschaffen, von denen
der Aufgang zum Se-
natorenpalast am Ka-
pitol eine der berühm-
testen ist. Der natür-
liche Bundesgenosse
der Treppenkunst war
stets die Wasserkunst,
der das Gefälle und
die Terrasse günstige _
Bedingungen WarerL Palazzo Podeaxä in Florenz
Dadurch entstanden
in Verbindung mit den Stufenbauten reizvolle Brunnenanlagen, die Plätzen
und Gebäuden (selbst der kleinsten Städtchen) in Italien abwechslungsreichen
Schmuck gewähren.
Spanien, das südliche Frankreich stehen darin Italien wenig nach. So
hat die romanische Rasse, der das warme Klima, der Aufenthalt im Freien
ein Lebenselement bedeuten, an einer reichen und hoch entwickelten Treppen-
kunst besondere Freude gefunden. Sie ist ein beredter Ausdruck südlicher
Lebensgewohnheiten und Schönheitsbedürfnisse.