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Schluss wirklich voreilig, wenn ich auf den Titusbogen hinweise, wo
wirklich ein Becher auf einem Tische unter der Beute von Jerusalem
erscheint? Was auch für ein Becher auf dem hl. Tische im Tempel von
Jerusalem stand, ob er ein Trankopfer (dann hieß er n'y-Jan, W85 die
griechische Uebersetzung des A. T. richtig mit xoilvf wiedergibt), ob er
das Mannagefäß - aber es gab ja kein Manna mehr - repräsentirte!
wir wissen, dass gerade er auf den Münzen der Maccabäerfürsten, besser
auf den silbernen als auf den kupfernen, abgebildet worden ist. Aufjeden
Fall symbolisirt er die Befreiung aus fremdem Joche, denn er erinnert
an den Auszug aus Egypten, an die Führung in das reiche Land
Palästina. i
Und daher dürfte namentlich für das Paschafest er für viele Juden,
namentlich in Jerusalem, das Prototyp des Paschabechers geworden sein.
Er entspricht auch wirklich allen Forderungen, die man an ein Trink-
gefäß nur stellen kann.
Die hebräischen Münzen der späteren beiden Revolutionen bringen
nicht ganz dieselben Gedanken zur Geltung, da sie statt des Kelchesv
vasenähnliche Gefäße enthalten; sie erinnern an das Fest der Wasser-
weihe, den achten Tag des Laubhüttenfestes als Anspielung auf den freien
Besitz ihres Landes.
Freilich hatte die Kirche solche antiquarische Gedanken nicht, sondern
sie nahm, wo sie das hl. Messopfer feierte, die Gefäßform, welche ihr der
jeweilige Ort und die Zeit anbot. Kein Apostel, kein Kirchenlehrer, keine
Synode dachte daran, über die Kelchform etwas vorzuschreiben. Wir
finden daher gerade in der alten Kirche die mannigfachsten Formen des
Kelches, welche bis herauf über die karolingischen Zeiten antiken
Gefäßen entlehnt waren. Seroux d'Agincourt zeichnet, leider allzu winzig,
einige solcher Kelche, davon ein Paar aus Glas mit Goldzier bestehen,
einige schon einen Nodus (Knauf am Ständer zum Halten), einige eine
tiefe cylindrische Cuppa (das eigentliche Trinkgefäß) mit fast trichter-
förmigem Fuße zeigen - so sind auch die Formen, welche auf einem Bas-
relief in Monza sich Enden, mannigfach: ein wirklicher Kelch (ohne Henkel)
mit halbkreisförmiger Cuppa, Nodus und rohem Fuße; zwei Kelche mit
Henkeln, deren einer aus Glas bestehen muss; ein niederes Gefäß auf
trichterförmigem Fuße, das wie die Calices murrhini der Schatzkammer
von S. Marco in Venedig, einen (Go1d-) Streifen längs dem Oberrande
und breite Streifen vom Oberrande zum Fuße hat, also aus einem Halb-
edelstein besteht. Aehnlich mit den Henkelgefäßen von Monza sieht ein
Kelch aus, welchen Viollet le Duc, Mobilier Il, p. 48, abbildef). I
') Die Notiz in der Revue de l'un 1885, dass ein seltener Kelch aus dem 6. Jahr-
hunderte zu Samos(?) in Sudlirol im Jahre 1875 gefunden werden sei, verstehe ich
nicht. Eltz weiß in seiner Kunstgeschichte Tirols nichts davon.