Aufzeigung technischer Manipulationen in den Automaten-Trak-
taten jener Zeit.
Eine andere Gruppe der in den Alben gesammelten Blätter um-
faßt volkstümliche buddhistische und taoistische Heilige. Nach
chinesischer Art sind sie in ein Ambiente von schwungvoll ge-
kurvten Bändern und Schleifen eingefaßt, wie sie die ostasiati-
sche Götter-Ikonographie in einer Jahrhunderte alten formalen
Entwicklung gereift hat. Auch die chinesischen Fabeltiere,
Phönix, Drache und Kilin tauchen auf. Der Drache (lung), „ge-
laden mit mythologischen und kosmologischen Vorstellungen
und Anschauungen" (Lessing), wird von dem ihm gegenüber
zwerghaft erscheinenden Volk verwundert betrachtet, eine
Herabziehung dieser kosmischen Gottheit ins irdische Leben,
wie sie den Chinesen selbst fremd war.
Zahlreiche Blätter der Alben indizieren die Übernahme der Dar-
stellung von der ostasiatischen Breitrolle, sei es durch Auftei-
lung der Figuren in zwei Reihen oder durch streu-
musterartige Verteilung. Im Gegensatz zur aufgelösten Reihung
zwang das ebenfalls sehr beliebte Rundbild der ostasiatischen
Malerei zur Ballung der Figuren innerhalb einer Kreisfläche, die
zu glücklichen Kompositionen führte.
Viele Blätter des Albums sind mit späteren signaturartigen Be-
merkungen versehen, die keine eigcnhändigen Signaturen der
Maler, sondern später von diesem oder jenem „Experten" hinzu-
gefügte Namen von bekannten Künstlern der Zeit sind, die ein
Bibliothekar (vielleicht in höherem Auftrag) auf Grund stilisti-
scher Ähnlichkeit oder einer mündlichen Überlieferung (einer
literarischen „Hadith") hinzugefügt hat. Echte eigenhändige
Signaturen waren ja in der gesamten Buchmalerei des Orients
und des Fernen Ostens nicht gebräuchlich. Keinem Maler wäre
es eingefallen, seine Arbeit mit einer Signatur, wie „Werk (bar)
des Mehmet Siyäh Kalem" zu versehen, wie häufig vermerkt ist,
sondern er hätte sich mit dem Namen allein begnügt. Auch hätte
der eben genannte Karagösmalcr sich, wenn schon, dann mit
seinem wirklichen Namen als Urheber der Zeichnung bekannt.
Kurz, die Voraussetzungen für eine Signierung ihrer Werke
fehlten damals im Orient. Eine bedeutende künstlerische Per-
sönlichkeit, wie „Der Sehwarzpinsel", legitimierte sich durch
seinen Pinselstrich schon genügend. Außerdem wimmelt es im
Album von Kopien. Ein Beispiel ist der dem Behzäd zugeschrie-
bene Kamelkampf, von dem es mehrere, qualitativ allerdings
sehr ungleiche Fassungen gibt, so etwa die farbige Miniatur im
Gulistan-Palast in Teheran (Abb. 63 in Ars Orientalis, 1954).
Die Künstler nahmen auch gelegentlich die Namen ihrer Lehrer
an, um sie zu ehren. Das scheint bei Ahmet Musa der Fall zu
sein, dem im Album völlig heterogene Blätter zugeschrieben
sind, eine (Jebirgslandschaft mit Jägern und, davon völlig ver-
schieden, sechs Miniaturen mit Illustrationen der Himmelfahrt
des Muhammed, die von einer Hand sind, und mit ihren Figuren
im Trecentostil diesen als Vorbild verraten. Ein Maler namens
Ahmet Musa wird als Begründer eines neuen Malstils in Persien
angeführt, der unter Abu Sait Chudabende (1316-36 n. Chr.)
lebte. Die Annahme von Ipsir Oglu, daß dieser zweite Abu
Musa aus dem 15. Jahrhundert der Schule von Baghdad ange-
hörte, unter direktem Einfluß des giottcsken Stiles stand und im
Palast des Eroberers in Istanbul arbeitete, hat viel für sich. Sein
Bild mit dem monumentalen Hahn, der, umgeben von giotteskcn
Engelsscharen, den Namen Allahs verkündet (Ipsir Oglu,
Abb. 86), zeugt auch vom Verständnis für monumentale Wir-
kung, das der orientalische Künstler von seinen westlichen Vor-
bildern übernommen hat. Eine andere Abbildung bei Ipsir Oglu
(Nr. 84) gibt eine Pinselzeichnung mit zwei Drachen wieder,"
deren Körper in der Art des Arcimboldo in höchst kunstvoller
Art mit allerlei Tieren ausgefüllt sind.
Wie Spinnen sich hier die Fäden? Es gibt im Album Blätter,
die sich als Kopien türkischer oder persischer Zeichner nach
Abb. 5:
Karagös-Lculc
auf der Wanderung.
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