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Volltext: Alte und Moderne Kunst IV (1959 / Heft 1 und 2)

Aufzeigung technischer Manipulationen in den Automaten-Trak- 
taten jener Zeit. 
Eine andere Gruppe der in den Alben gesammelten Blätter um- 
faßt volkstümliche buddhistische und taoistische Heilige. Nach 
chinesischer Art sind sie in ein Ambiente von schwungvoll ge- 
kurvten Bändern und Schleifen eingefaßt, wie sie die ostasiati- 
sche Götter-Ikonographie in einer Jahrhunderte alten formalen 
Entwicklung gereift hat. Auch die chinesischen Fabeltiere, 
Phönix, Drache und Kilin tauchen auf. Der Drache (lung), „ge- 
laden mit mythologischen und kosmologischen Vorstellungen 
und Anschauungen" (Lessing), wird von dem ihm gegenüber 
zwerghaft erscheinenden Volk verwundert betrachtet, eine 
Herabziehung dieser kosmischen Gottheit ins irdische Leben, 
wie sie den Chinesen selbst fremd war. 
Zahlreiche Blätter der Alben indizieren die Übernahme der Dar- 
stellung von der ostasiatischen Breitrolle, sei es durch Auftei- 
lung der Figuren in zwei Reihen oder durch streu- 
musterartige Verteilung. Im Gegensatz zur aufgelösten Reihung 
zwang das ebenfalls sehr beliebte Rundbild der ostasiatischen 
Malerei zur Ballung der Figuren innerhalb einer Kreisfläche, die 
zu glücklichen Kompositionen führte. 
Viele Blätter des Albums sind mit späteren signaturartigen Be- 
merkungen versehen, die keine eigcnhändigen Signaturen der 
Maler, sondern später von diesem oder jenem „Experten" hinzu- 
gefügte Namen von bekannten Künstlern der Zeit sind, die ein 
Bibliothekar (vielleicht in höherem Auftrag) auf Grund stilisti- 
scher Ähnlichkeit oder einer mündlichen Überlieferung (einer 
literarischen „Hadith") hinzugefügt hat. Echte eigenhändige 
Signaturen waren ja in der gesamten Buchmalerei des Orients 
und des Fernen Ostens nicht gebräuchlich. Keinem Maler wäre 
es eingefallen, seine Arbeit mit einer Signatur, wie „Werk (bar) 
des Mehmet Siyäh Kalem" zu versehen, wie häufig vermerkt ist, 
sondern er hätte sich mit dem Namen allein begnügt. Auch hätte 
der eben genannte Karagösmalcr sich, wenn schon, dann mit 
seinem wirklichen Namen als Urheber der Zeichnung bekannt. 
Kurz, die Voraussetzungen für eine Signierung ihrer Werke 
fehlten damals im Orient. Eine bedeutende künstlerische Per- 
sönlichkeit, wie „Der Sehwarzpinsel", legitimierte sich durch 
seinen Pinselstrich schon genügend. Außerdem wimmelt es im 
Album von Kopien. Ein Beispiel ist der dem Behzäd zugeschrie- 
bene Kamelkampf, von dem es mehrere, qualitativ allerdings 
sehr ungleiche Fassungen gibt, so etwa die farbige Miniatur im 
Gulistan-Palast in Teheran (Abb. 63 in Ars Orientalis, 1954). 
Die Künstler nahmen auch gelegentlich die Namen ihrer Lehrer 
an, um sie zu ehren. Das scheint bei Ahmet Musa der Fall zu 
sein, dem im Album völlig heterogene Blätter zugeschrieben 
sind, eine (Jebirgslandschaft mit Jägern und, davon völlig ver- 
schieden, sechs Miniaturen mit Illustrationen der Himmelfahrt 
des Muhammed, die von einer Hand sind, und mit ihren Figuren 
im Trecentostil diesen als Vorbild verraten. Ein Maler namens 
Ahmet Musa wird als Begründer eines neuen Malstils in Persien 
angeführt, der unter Abu Sait Chudabende (1316-36 n. Chr.) 
lebte. Die Annahme von Ipsir Oglu, daß dieser zweite Abu 
Musa aus dem 15. Jahrhundert der Schule von Baghdad ange- 
hörte, unter direktem Einfluß des giottcsken Stiles stand und im 
Palast des Eroberers in Istanbul arbeitete, hat viel für sich. Sein 
Bild mit dem monumentalen Hahn, der, umgeben von giotteskcn 
Engelsscharen, den Namen Allahs verkündet (Ipsir Oglu, 
Abb. 86), zeugt auch vom Verständnis für monumentale Wir- 
kung, das der orientalische Künstler von seinen westlichen Vor- 
bildern übernommen hat. Eine andere Abbildung bei Ipsir Oglu 
(Nr. 84) gibt eine Pinselzeichnung mit zwei Drachen wieder," 
deren Körper in der Art des Arcimboldo in höchst kunstvoller 
Art mit allerlei Tieren ausgefüllt sind. 
Wie Spinnen sich hier die Fäden? Es gibt im Album Blätter, 
die sich als Kopien türkischer oder persischer Zeichner nach 
Abb. 5: 
Karagös-Lculc 
auf der Wanderung. 
 
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