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Volltext: Alte und Moderne Kunst VI (1961 / Heft 46)

gewölbe bildeten das reizvolle Gemisch alter und neuer 
Kunst, wie es Ferdinand besonders liebte. In dieser 
Hofburg plante er zwei Repräscntationsräume: den 
großen Saal und die Paradeisstube, deren Einrichtung in 
einer zwanzigjiihrigen, vom König in jedem Detail ge- 
nau überprüften Planung Wirklichkeit wurde. Diese 
Ausstattung zieht sich von den ersten noch ganz deut- 
schen Projekten bis zur endgültigen Gestaltung im Sinne 
der italienischen Hochrenaissance hin. Die ersten Ent- 
würfe sahen im großen Saal eine schwere Kasscttendecke 
mit den geschnitzten Wappen des Kaisers, des Königs 
und Österreichs, den Titeln, den 32 Länderwappen, 18 
Angesichten und llauptharnischen und 52 „erhebten" 
Rosen vor, während die Paradeisstube eine gewölbte 
Decke mit Rippen aus Holz, drei großen und vierzig 
kleinen Wappen, Planetenzeichen und Kopfkonsolen er- 
halten sollte, bemalt in den Farben Blau und Gold. Das 
Getäfel, eingelegt aus Esche, Ahorn, Olbaum, liiche und 
Erle wäre cin Prachtwerk der I n t a r s i e n k u n s t ge- 
worden. Auch die Marmorportale hätten den Renais- 
sanceschmuek mit Säulen, Kapitälen, Laubwcrk, Del- 
phinen, Figuren und den kaiserlichen Wappen gezeigt. 
Zwischen Getäfel und Decke sollte die Malerei mit der 
Darstellung des Paradieses (Adam und Eva, Tiere, Vö- 
gel) und den dazugehörigen Reimen zum Zuge kommen. 
Die Innsbrucker: Bildhauer Veit Arnberger, Tischler 
jörg von Werdt und Maler Schel und Dax traten in 
erbitterte Konkurrenz zu dem berühmten, von den Fug- 
gern empfohlenen Augsburger Dreigespann: Christof 
Amberger (Maler), Hans Kels (Bildhauer) und Heinrich 
Kron (Tischler) und zu Hans Muelich von München. 
llans Kels hatte für Ferdinand 1537 das prachtvolle Spiel- 
brett geschnitzt, wohl das bedeutendste Kleinkunstwcrk 
der deutschen Frührenaissance, das heute im Kunsthi- 
storischen Museum in Wien ausgestellt ist. Kriege ver- 
hinderten aber die für 1548 geplante Ausführung der 
Getäfel, die der deutschen Kunst eine der prachtvollsten 
Renaissanceausstattungen geschenkt hätte. 1S60f61 kam 
dieses Werk endlich zustande, aber es war bescheidener 
und trug den Charakter der neuen Hochrenaissance: Die 
Tischlerarbeit führten Hans Gartner und Jörg von Werdt, 
die Schnitzereien Noe Lechner und die Paradiesgemälde 
Domenico da Pozzo von Mailand aus, der noch die 
Schlachten und Taten Maximilian I. und Karl V. in Bil- 
dern verewigte. Immerhin fanden die Arbeiten das Ge- 
fallen des Kaisers, der Gartncr und Pozzo an den Prager 
llof rief. 
Das andere Lebensanliegen Ferdinands war die nach 
Testament und Pietät übernommene Verpflichtung zur 
Schaffung eines Grabmals für Kaiser Maxi- 
m i l i a n. Maximilian hatte schon 1502 seine große „Ge- 
diichtnus" in den Grundzügen festgelegt: 40 Überlebens- 
große Bronzestatuen der Ahnen des Hauses Habsburg 
sollten als Totengeleit das Ilochgrab des Kaisers flankie- 
ren, 100 Statuetten der Sippenheiligen die Verbunden- 
heit des Hauses mit der christlichen Welt dokumentieren 
und 34 Brustbilder der römischen Kaiser die Herleitung 
des Herrschaftsanspruches aus der Antike bekräftigen. 
Mit diesem von den Humanisten ausgearbeiteten Plan 
des Kaisers hatte die Renaissance ihren Einzug gehalten, 
aber die Ausführung war in den Anfängen steckenge- 
blieben. Als Ferdinand die Regierung übernahm, waren 
erst 21 Kaiscrbüstcn (von Lorenz Sartor von Augsburg). 
23 Sippenheilige (von Stefan Godl) und 10 Statuen (von 
Gilg Sesselschreiber und Peter Vischer) fertig. Er ließ 
zwischen 1519 und 1532 siebzehn große Statuen gießen. 
Im Modellierer Leonhard Magt und dem aus Nürnberg 
zugewanderten Gielier Stefan Godl fand er zwei Meister, 
die die Erinnerung an die letzte Gotik mit der realisti- 
schen Krait der Renaissance zu großen Kunstwerken zu 
verschmelzen verstanden, die wie kaum irgendwo in 
deutschen Landen das bodenständig Deutsche im neuen 
Kleid vertreten. 
Zwanzig Jahre standen die Figuren im Bilderhaus zu 
Mühlau, bis Ferdinand nach der Festigung der politi- 
schen Lage diesem Grabmal durch Erbauung der Hof- 
ki rc h e zum Heiligen Kreuz eine endgültige Heimstatt 
in Innsbruck gab. 1553-1558 wurde die Kirche nach 
dem Vorbild der Augsburger Heiligkreuzkirche vom 
Innsbrucker Nikolaus Türing erbaut und nach dessen 
Tod von Marx della Bolla von Como gewölbt. Wieder 
wurde es ein Werk, in dem sich deutsche Gotik (Strebe-- 
pleiler, Mnßwerkfenster, Rippengewölbe) und italienische 
Renaissance (Portalvorhalle, Kapitellc) harmonisch ver- 
einen. Im Bewußtscin, daß seine Lebensjahre nur mehr 
gezählt waren, trieb der Kaiser die Ausstattung der 
 
Kirche rastlos voran. Den Hochaltar mit der Kreuzigung 
Christi schulen nach einer Umfrage bei den besten 
Künstlern Deutschlands der Bildhauer Kaspar Leschen- 
brand von Ulm und der Tischler Hans Walch von Min- 
delheim (1556); der Fürstenchor, ein Meisterwerk deut- 
scher Intarsicnkunst, stammt von Hans Waldner von 
Ravensburg, die große Orgel mit dem prachtvoll ge- 
schnitzten Kaiseradler ist vom Orgelmeister jörg Ebert 
4 Das Schweizertor der Wiener Hofburg, 1552. 
5 Ferdinand I., Bronzedenkmal zum Ausbau der Fernpaßstraßc 
in Tirol, 1543. Modell Veit Arnberger, Guß königliche Guß- 
hütle Mühlau, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum. 
ß Küriss König Ferdinand I. von Jörg Seuscnhofer, 1537, Wien, 
Wuffensammlung. 
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