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Volltext: Alte und Moderne Kunst VI (1961 / Heft 52)

NOTIZEN AUS 
DEM KUNSTLEBEN 
Drei Wiener Herbxtausstellungeiz: 
Secerxion, Künstlerhaus, Kreis 
Das Gegenständliche in der österreichi- 
schen Malerei und Skulptur der Gegen- 
wart nahm die Wiener Secession zum 
Leitmotiv ihrer Hcrbstnusstellung, wohl 
um nach einer im Sommer der „abstrak- 
tiven" Richtung dargebrachten Huldi- 
gung auf gleichermaßen starke Kräifte 
unter den figuraliv schaffenden hinzu- 
weisen. Gesamteindruck: ebensogut prü- 
sentiert wie die Sommer-Kollektion der 
Abstrakten zeigt diese Schau leuchtende 
Höhepunkte, wie die beiden prachtvol- 
lcn, saftigen, hundertmal überarbeiteten, 
farbig exquisiten Kleinbilder von Her- 
bert Boeckl, den strahlend-naiven Fabu- 
liersurrenlismus von Brauer, Lehmdens 
Blumenslillcben. 
Hausner und Fuchs stellen neben bes- 
sere ältere zwei geringere neuere Werke. 
Vor dem gekreuzigten Bischof aus der 
heroischen Anklagezeit des letzteren 
drängen sich Bewunderer altmeisterli- 
cher Konsequenz in der Zeichnung, um 
vor dem neuesten noch feuchten Bild 
des gleichen Malers (einem Christus in 
Neon-Violett) böse Worte von Kinopla- 
kat und Werbung für l-lollywoodschin- 
ken wie „König der Könige" zu hinter- 
lassen. Brauers Aufstieg dagegen zeich- 
net sich immcr deutlicher ab. Huner ge- 
fällt nach wie vor, Hrdlicka gefällt nach 
wic vor nicht, weil seine antiästhetische 
Kunst nicht gefallen, doch als urwüchsige 
Kralriiußcrung sich immerhin schockie- 
rend einprägen kann. 
Ein helles Blumenstilleben von Ko- 
koschka in dieser Ausstellung schadet 
dem Renommee des großen Malers mehr 
als es ihm nützen könnte. Dcn Maler 
des Masaryk-Porträts, der „WindsbrauW 
und des „Hammelstillebens" mit einer 
evidenten Entgleisung seines bewunder- 
ten Pinsels - nur um der Signatur 
O. K. willen - mitlaufen zu lassen, 
das muß Kokuschka-Anhäingern zutiefst 
Schmerzen bereiten. 
[Einige Monate nach seiner großangeleg- 
tcn, mit Recht vielbeaehteten 100 jahr- 
Ausstellung hat das Künstlerhaus einen 
schweren Stand. Im Zentrum des Hau- 
ses am Karlsplatz wirkt diesmal die ak- 
tuelle Arehitekturschau „Der Votivplatz 
im Wandel der Zeiten", Pläne und Fotos 
des Architekten Kurt Sehlauß und - 
ztnliißlich seines 60. Geburtstages - das 
gediegene Oeuvre angewandter Kunst 
von Leopold Schmid. Diesem ebenso 
ehrlichen wie gründlichen Reliefsehnei- 
der, Mosaizisten, Teppichkartonisten und 
Sgmffito- und Majolikenfnchmann, einem 
der besten Männer des Künstlerhauses, 
wird die Kollektion des siebzigjährigen 
Ekke Ozlberger zur Seite gestellt. Ozl- 
berger beginnt tonig (Selbstpor ät1913), 
um später, vor allem im Gesellschafts- 
bildnis hellere, leuchtendere, wohl auch 
Wienerisch süßere Farbakkorde zu pfle- 
gen. In zwei Sälen ist weiter die Ge- 
däcbtnisausstellung für Franz Windhu- 
ger (1879 bis 1959) ausgebreitet. Gen- 
redarstellungen aus dem allen Wien 
(„Heitere Gesellschaft beim Wein". "Der 
Fasseldippler") charakterisieren die erA 
zählende Malerei und lllustrntionskunst 
(„Der arme Spielmann") eines gemüt- 
lichen Lokalpatrioten, in dessen Werk 
sich sinnvoll das Bildnis Josef Weinbe- 
bers, wie auch der frisch hingestrichene 
„Stehende Akt" einfügen. 
Heribert Potuznik, Naehwuchspersön- 
lichkeit des Künstlerhauscs, tritt neuer- 
lich mit einer größeren Anzahl von Öl- 
bildern an die Öffentlichkeit. Der deut- 
sche Expressionismus, der französische 
Kubismus, das Vorbild Modiglianis, ha- 
ben deutliche Spuren in der Malerei. 
des farbfrohen, oftmals pzislos Auftra- 
genden hinterlassen. Beste Leistungen 
erreicht er wohl im kleinsten Format 
(„Mariental", „Nächtliche Landschaft"), 
Bilder, in denen er der Konzentration, 
der subtileren Farbigkeit fähig ist. Auch 
Franz Wleek, etwas undisziplinicrtes, 
doeh kräftiges Malertalent, steuert seine 
Kollektion von Olhildern und Tempera- 
rnalereien zur Herbstausslcllung des 
Wiener Künstlerhauses bei. 
Irn Französischen Saal des gleichen Ge- 
bäudes, Eingang Karlsplalz, ehrt die 
Künstlergruppe "Der Kreis" ihr fünfzig 
Jahre alt gewordenes Mitglied josef 
Stoitzner. Beginnend mit breit aufge- 
tragenen, immer aufs Dekorative gear- 
beiteten Bildern hat Stoilzner mehr und 
mehr Farbe wie Gegenstand zu redu- 
zieren verstanden, so daß er nun als 
Extraktionist sich der herrschenden „ab- 
strakten" Malweise konsequent annä- 
hert. Daß er sich als jünger von Klirnt 
und Czeschka fühlt, deutet sich in man- 
chen seiner Gemälde an. Thomas Manns 
josephroman inspirierte ihn zu Visionen 
des Alten Orients. 
Eine Expressionistcngruppc im „Kreis" 
(Schmitt, Stransky, Stockbauer, Bern- 
hard) geht völlig andere Wege. Möser 
als ernpfindsamer Ton-in-Ton-Maler, 
Hilda Sapper, eigenwillige Stickerin, 
Greta Freist mit graziöser Liehtfleck- 
malerei, sind vorteilhaft vertreten. Als 
sehätzenswerte Neuentdeckung kann der 
stille, gediegene Lyriker Axel Eggler 
gelten. 
Arnulf Neuwirth 
Redakteure von Arehitekturzeitsehriftcn 
und Organisatoren von Architekturaus- 
Stellungen wählen - wie könnte es an- 
ders sein - die besten Gebäude ihres 
Landes als Objekte der Demonstration 
und bedienen sich der wirkungsvollsten 
Fotos. So werden die weniger guten und 
die schlechten Architekturen ohne böse 
Täuschungsabsicht verschwiegen und es 
muß davor gewarnt werden, etwa den 
Inhalt des „WERK" mit einem Quer- 
schnitt durch das schweizerische Bau- 
schaflcn zu verwechseln. Nur wer diesen 
Umstand beherzigt, erspart sich in der 
Züricher Bahnhofstraße, in Mailand oder 
Paris eine Enttäuschung, deren Höhe von 
dem mengenmäßigen Verhältnis von gu- 
ter zu schlechter Architektur abhängt. 
Die Zentralvereinigung der Architekten 
Osterrcichs veranstaltete im Österreichi- 
schen Museum eine Ausstellung „Oster- 
reichischc Architektur", um vor der brei- 
ten Oiicntlichkeit einen kurzgelaßtcn 
Rechenschaftsbericht über die Resultate 
zehnjähriger Arbeit abzulegen und viel- 
leicht auch, um selbst das eigene Ge- 
wissen zu prüfcn, wie dies jeder ernst- 
halt Tätige von Zeit zu Zeit eben tut. 
Ohne die Qualität jedes einzelnen der 
ausgestellten hundertneunzig Bauten zu 
überprüfen war es leicht, einen Gesamt- 
eindruck zu registrieren: Klarheit der 
Konzeption, klaglose Erfüllung der Ge- 
brauehsforderungen, sachlich richtige 
Verwendung von Material und Einzel- 
heit, Charme - aber nicht zuviel, an 
einzelnen Objekten - wie der Stndthalle 
oder dem Salzburger Festspielhaus - 
jenes künstlerische „Mehr", das über 
die „AnsländigkeiW, die am Wohnbau 
das entscheidende Element ist, hinaus- 
führt. 
Die Öffentlichkeit und die Architekten 
dürfen mit diesem Resultat, mit den in 
der Ausstellung gezeigten Resultaten, 
zufrieden sein. Wir wissen aber leider, 
dnß sie nur für einen Teil, für einen 
nicht genügend großen Teil des tat- 
sächlich Gebauten stellvertretend sind. 
Hier liegt nun die Malaise. 
Die Stadthnlle, das Gänsehäufei-Bad, der 
neue Parlzimentssaal, die Ausstellungsm- 
ehitektur als ganzes Arbeitsgebiet, einige 
Fabriken, Wohnbauten in Linz - dies 
alles ist sehr schön und gut. Aber wie 
sehen leider, leider die meisten Wiener 
Gemeindehäuser aus, lieblos hingezeich- 
net und mit den von der Behörde nicht 
nur geduldeten, sondern befohlenen 
gräßliehen Daehaufbauten versehen? 
Was muß das Wiener Stadtbild von den 
hemmungslosen Portalcrbnuern erdulden, 
was denkt man über die pseudo-barok- 
ken Zutaten zur schlichten Fassade der 
Albertina, über die „repräsentativexf 
Umhüllungen gewisser Verwaltungsge- 
bäude, die Trosllosigkeil der Neubauien 
am Donaukanal (mit ausnahme der 
Bundes]änder-Versicherunß). über die 
sinnlose, aber teure Höhenentwicklung 
des Westbahnholes und dessen komisch 
profilierte Vordächer? 
Zu allen Zeilen wurden bessere und 
schlechtere Häuser gebaut, Daß die letz- 
teren jetzt in der Mehrzahl sind, ist be- 
trüblich. Darum hoffen wir, daß die An- 
regung, welche die Zentralvereinigung 
der Architekten mit ihrer Ausstellung 
gab, richtig verstanden wird: für die 
Planer zur Gewissenscrforsehung, für 
die Bauherren und Behörden als deut- 
licher Hinweis zur Verpflichtung, die 
Qualität zu wahren. 
Von besonderen" Seite 
30
	        
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