ausgegangen, es sei vielmehr nur, gleich einer Be-
stätigung der Formen 4 wenn es einer solchen be-
dürfte i durch die sogenannten exakten Erkenntnisse,
erwähnt.
Ausgangsbasis ist, neben den bereits genannten vollen
Gestalten Maillols. der Wunsch des Künstlers, jene
haptischen Formen zu ünden. mit denen er jede Er-
innerung an die Zweidimensionalitüt überwindet.
Diese vielleicht vielfach nur unbewußte Sehnsucht
liißt ihn sich von den kantigen Pflastersteinen - und
damit überhaupt von den kantigen Formen der
meisten Bildhauer. die die heutige Wiener Schule
kennzeichnen - distanzieren und zu dem durch das
Flußgeröll im jahrhundertelangen natürlichen Ab-
schleifungsprozeß rundgewordenen Kiesel greifen.
Diese Form sehen wir bei Ingerl schon besonders
deutlich ausgeprägt bei einer Anzahl sorgfältig aus-
geführter weiblicher Por1räts. Bei diesen Köpfen
(1960 und 1961) aus Beton und Eisen gibt es kein
Eindringen und Ein-Gehen, das ganze Sein. Da-Sein,
muß als solches genommen werden. Alle Kräfte
dieser geschlossenen, man möchte fast sagen. ver-
schlossenen Formen sind in ihr Zentrum gerichtet.
Dabei handelt es sich um echte Porträts, die Indivi-
dualität der einzelnen Person wird deutlich und
präsent.
Weist jede einzelne Kante eines Pflastersteines eine
Linie auf. eine Linie, die. ihrer Natur gemäß. immer
in ein Unendliches führt. führen muß, immer ein in
den Raum Hineinstaßen in sich birgt, so ist die runde
Form des Kieselsteines die des vollkommen ge-
schlossenen Körpers. Alle Kraftlinien, die in ihm liegen,
werden von der dichten. glasharten Haut zusammen-
gehalten. Dem Künstler wurde auch dieses Zusammen-
gefaßtsein der Materie richtig bewußt. Er poliert ous
diesem Grund die Oberfläche seiner Figuren oft
mühselig und lange, bis er jene ihm richtig scheinende
Dichte erhält. die solchen Formen entspricht. Sicher
würe die Kugel die letzte Erfüllung dieser Konzen-
trotion und Dichte. dieses noch innen wirkenden
Kräftespiels. damit aber auch ein Endpunkt jeder
plastischen Gestaltung. Jede Richtung. jede Orien-
tierung hörte auf, jeder weiteren Entwicklung wäre
ein Riegel vorgeschoben.
lngerl, der sich dieser Gefahr bewußt ist, hat sich
darum seit 1960 jenen melodiösen Formen zugewandt.
bei denen hauptsächlich von einer inneren Bewegung
gesprochen werden kann. Von Hans Arp beeinflußt,
entstehen eine Reihe sehr ausgewogener Gestalten,
auf die die Worte Arps in dessen Erinnerungen ge-
münzt sein könnten: "Die Kräfte des Gerinnens
anrufen. so wie die Erde und die Gestirne geronnen
sind. die Masse der Steine, der Pflanzen, der Tiere.
des Menschen. Konkretion ist etwas. das gewachsen
ist..." Bei den Plastiken lngerls spürt man dieses
Gewachsensein, spürt man dieses im Fließen er-
starrende Gerinnen. Sorgfältig wird jeder Krümmung
nachgegangen. jedes Ausgreifen und Einbuchten
abgetastet. Der Umriß darf kein Riß sein, darf nicht
zerreißen, muß für die Daktylitüt verbindliche Einheit
bleiben.
Bei den Schöpfungen dieser Plastiken hat nicht nur
die Überlegung. sondern eigenmächtig und produktiv
das Unterbewußte des Künstlers durch den Gestal-
tungswillen seiner Hände Anteil. Es ist aber auch
nicht nur dem Unterbewußten überlassen zu gestalten,
sondern das geistige Formungsprinzip und -wollen
bestimmt mit.
Der zu einer Synthese strebende Künstler nimmt seine
Formen nicht grundsätzlich vom menschlichen Körper.
sondern auch von anderen natürlichen Erscheinungen
seiner Umwelt: knospenden Pflanzen, Früchten u. ä.
Trotzdem scheint uns das beherrschende und zentrale
Motiv die weibliche Gestalt zu sein. Plastiken wie die
Torsos, die1962 und 1963 entstanden sind. zeigen uns
deutlich diesen Duktus. Immer dringt das weibliche
Idol mit all seiner Sinnlichkeit durch. Einer von
lngerl mit voller Absicht gesetzten Sinnlichkeit, die
förmlich wieder zu jener von dern Künstler so sehr
geschützten und gewünschten Hoptik herausforderl.
lngerl. der Mitglied des Wiener Künstlerhauses ist.
hat in vielen Ausstellungen seine Werke gezeigt, so
u, a. in Deutschland. in Italien. in Jugoslawien, in
EI Salvador und bei verschiedenen österreichischen
Veranstaltungen in Wien und den Bundesländern.
1961 wurde der Bildhauer mit dem Förderungspreis
für bildende Künste des Landes Niederösterreich
ausgezeichnet.
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e Kur! lngerl. "Torso", 1961162. Gips für polierle Bror
H. 20 cm. In polierier Bronze im Besilz der Firma l
brüder Böhler