die jetzt in den Brennofen wandern. Nach
dem Brennen werden die einzelnen Teile nun-
mehr zu dem endgültigen Ofen zusammen-
gesetzt und dann glasiert. Verschiedentlich
werden auch feine Zierglieder und Ornamente
gesondert geformt und nachträglich auf die
Mantelpartien des Ofens aufgetragen.
Von den Möbel- und Figurenöfen geben die
ersteren den älteren Typus ab. Das früheste
Stück ist bereits als Regenceschöpfung im
ersten Drittel des 18. Jahrhunderts nachweis-
bar. Dagegen taucht als später Nachzügler
der Figurenöfen noch ein Vertreter dieser
Gattung als Louis-XVl-(Jfen zu Beginn des
letzten Drittels im ausgehenden 18. jahr-
hundert auf. Damit verschwindet dieser Typus
restlos von der Bildfläche.
Der Ofenbau stand nach Überwindung der
archaischen Urformen (Sücltirol) zu Beginn
der Gotik und im weiteren Verlauf der
historischen Entwicklung unter dem ent-
scheidenden Einiluß der Architektur. Der
Hafner übernahm von diesem Kunstzweig
nicht nur einzelne Architekturdetails, sondern
sogar ganze Bauformen, wie das bei den turm-
artigen Bildungen der gotischen Öfen und
den Farradenoifen der Renaissance der Fall
1512.
Noch weiter gingen die Hafner des 18. jahr-
hunderts, als sie sich für die Gestaltung jenes
Ofentyps, von dem hier die Rede ist, ihre
Anregung aus der zeitgenössischen Möbel-
kunst holten. Hervorgerufen und begünstigt
wurde diese Sonderform durch den Hang zum
Kapriziösen, der besonders für die hölische
Gesellschaft des Rokoko so bezeichnend ist
und eine stilbildende Bedeutung hatte. Nur
so ist es zu erklären, daß man auf den uns
heute recht ausgefallen anmutenden Gedanken
kommen konnte, den Öfen in den Repräsen-
tationsräumen der Schlösser das Aussehen von
Kommoden und Schreibschränken zu geben.
In einem Raum der Residenz zu München
standen noch vor ihrer Zerstörung in zwei
gegenüberliegenden Ecken des gleichen Rau-
mes zwei sich aufs Haar gleichende Einrich-
tungsstücke, bei denen man erst nach genau-
erem Hinsehen mit Verwunderung feststellen
konnte, daß das eine ein Schrank und das
andere ein Ofen war.
Offenbar ist das Vorkommen der Möbelöfen
ausschließlich auf Bayern beschränkt, von
einem Beispiel abgesehen, sogar nur auf Ober-
bayern, und hier sind sie aller Wahrscheinlich-
keit nach auch gefertigt worden. Jedenfalls ist
der Verfasser auf seinen zahlreichen Studien-
reisen nirgends sonst auf diese interessanten
und einzigartigen Heizkörper gestoßen.
Eine verhältnismäßig schlichte Form zeigt
der um 1750 entstandene, ietzt zerstörte Ofen
in der Garderobe der Kurfürstenzimmer aus
der Residenz in München (Abb. 2). Er hat die
Gestalt einer Kommode mit aufgesetztem
Schreibschrank. Die Grundglasur ist ein
leuchtendes Weiß, auf dem der plastisch auf-
getragene Zierat: Gesimsleisten, sparsam ver-
teilte zierliche Blatr- und Blütengehänge,
sowie der übliche Rokokodekor vergoldet
sind. Die Schubfächer der Kommode, die
Türen des Schrankes mit ihren Leisten und
Beschlägen sind getreu denen ihrer Vor-
bilder aus der NVerkstatt des Schreiners nach-
gebildet.
Noch verblüffender als Kopie eines Möbel-
stückes wirkt ein weiterer Ofen, ebenfalls aus
der Residenz in München, der leidet das gleiche
Schicksal erfahren hat wie das zuvor ange-
führte Objekt. Man darf ihn als den künst-
lerisch wertvollsten aller Möbelöfen werten
(Abb. 1). Das prunkvolle Stück, eine unüber-
treffliche Meisterleistung des Hafnerhand-
Werkes, stammt von Niedermayer und ist 1748
errichtet worden. Es ist das klassische Beispiel
eines Möbelofens schlechthin und hat als
solches die Form eines Schreibschrankes,
ähnlich der des vorgenannten Stückes. Über
dem Feuerkasten, dem breiteren unteren Teil
in Gestalt einer Rokokokommode, erhebt sich
der schlank aufsteigende Oberofen von schrank-
artigem Aussehen. Im Schmuck seiner zahl-
reichen, üppig wuchernden Rokokoornamente
ist die Angleichung an sein Vorbild aus der
Schteinerwerkstatt noch sorgfaltiger und
detaillierter als bei dem zuerst angeführten
Beispiel.
Man sieht an dem kommodenartigen Unterteil
deutlich die beiden Schubfächer mit Zier-
leisten, Handgriffen und Schlüssellöchern.
Darüber ist die ausziehbare Schreibplatte
sowie ein mit Handgriffen ausgestattetes Über-
gangs- und Zwischenstück erkennbar. Daß
diese Teile nicht tatsächlich zu öifnen sind,
sondern nur symbolische Bedeutung haben
und nur die Illusion eines Möbelstückes
erwecken sollen, ist an einem Heizkörper eine
Selbstverständlichkeit. Am Oberofen schließ-
lich gilt von den beiden Schranktüren mit
ihren minuziös ausgearbeiteten Beschlägen das
gleiche. Unwillkürlich vermutet man dahinter
die Abstellfächer für Schreibpapier und Brief-
schaften. Sogar die „Marketerien" -- das sind
an den Original-Rokokomöbeln in verschie-
denen Hölzern ausgeführte Einlegearbeiten -,
sind in überraschender Naturtreue bis ins
kleinste nachgeahmt. Der Eindruck ist noch
verblüffender, wenn man (was leider auf der
Abbildung nicht ersichtlich ist) sich die
farbige Behandlung des Ofens vergegen-
wärtigt, die den stoi-Tlichen Charakter des
Baumaterials der Möbel vorzutäuschen sucht.
Den zur Verwendung gekommenen Holzarten
entsprechend, sind die Öfen in der warmen
Tönung von Nußbaum- und Mahagoni-
furnieren gehalten. Die an den Originalmöbeln
in vergoldeter Bronze ausgeführten Beschläge
und Rahmen sind an den Heizkörpern durch-
Wegs plastisch in Ton herausgearbeitet und
gleichfalls vergoldet. Auf den Flügeltüren sind
in Anlehnung an den Dekorationsstil der Zeit
in den schlanken Palmen und in den weiteren
Zutaten sogar ostasiatische Motive, sogenannte
Cllirmirerien, wie sie vielfach an den Lack-
möbeln des Rokoko als modischer Schmuck
erscheinen, als apartes und erlesenes Ornament
verarbeitet. Über der geschweiften Haube
erscheint als Bekrönung und modische Kon-
zession an das galante Zeitalter ein engum-
schlossenes Puttenpärchen. Die halbrunde
Nische, in der der Ofen ehemals stand, war
mit schlanken Profilleisten und einer palmetten-
artigen Rocaille, Blattgehängen und Banclwerk
überreich verziert.
An einem Überschlagnfen ist man in dem
Streben nach höchstmöglicher Angleichung an
001112 Schreinererzcugnisse so weit gegangen,
daß man Holz als Baumaterial verwendet hat
(Abb. 3). Dieses einzigartige Erzeugnis aus
einer Hafnerwerkstatt steht heute im Heimat-
museum von Mindelheim in Schwaben. Es
stammt aus der näheren Umgebung der Stadt,
aus Steinbach bei Memmingen, und hat eine
Höhe von 1,95 m. Auch dieser Ofen hat die
Gestalt eines Schreibschrankes; der Oberteil
ist aus Ton modelliert und trägt als plastischen
Schmuck an beiden Seiten Reliefs der Madonna
von Steinbach. Auf der Vorderseite erscheinen
wieder in allen Einzelheiten zwei Türen am
Oberteil, ein pultartiges Mittelstück, hinter
dessen als aufklappbar zu denkendem Stirn-
brett die Schreibplatte anzunehmen ist, sowie
zwei darunter befindliche geradwandige Schub-
fächer. Die Glasur ist dem Charakter des
Holzes entsprechend in einem lichten Braun
gehalten.
Der Unterteil, als das bezeichnendste Bauglied
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