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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIII (1968 / Heft 97)

 
Es ist kein Zufall, daß er zu diesem Lehrer ge- 
funden hat. Von humanem Denken beherrscht. 
mußte er sich am meisten von jenem Meister ange- 
zogen fühlen. der mit seinem Leben und seinem 
ganzen Werk Zeugnis für den Menschen in seiner 
Bedingtheit und in seiner Freiheit ablegte, der 
einer ganzen Generation junger österreichischer 
Bildhauer ein leitender Begleiter und. sei es wie 
immer, selbst noch antipodisch, Wegweiserwurde. 
Avramidis fand nun bald seinen ihm gemäßen 
Kanon. Zuerst vor allem in der Erfassung des 
menschlichen Kopfes. Der formelhaften Zeichen- 
setzung der lkone verwandt. wird der Kontur 
immer klarer, und nur mit wenigen Variationen 
wird das einmal gefundene Ideal in Richtung 
Geschlossenheit weiterentwickelt. Hier und in der 
großen Figur erreicht der Künstler ein Maximum 
an konstruktiver Bewältigung. Bei den Aufrecht- 
stehenden 7 Erinnerung an die allein ihr So-Sein 
prüsentierenden Koren 7 werden gleichsam alle 
Gliedmaßen in ein dichtes Koordinatengeflecht 
gespannt und zu einer leichtgeschwungenen 
harmonischen Einheit gebracht, in der die Form 
zur primären Aussage wird. Konstruktive Be- 
wältigung. haben wir gesagt: Ordnungseinheit, 
System. hätten wir es auch nennen können. Erbe 
freier Eigenständigkeit. ionische Sonderentwick- 
lung. 
Für diese Figuren hat sich Avramidis in einer Art 
SelbstdisziplinierungsehrbaldeineneigenenSkelett- 
bau erdacht. Nach einer Werkzeichnung 1:1 
fertigt er etwa zwei Millimeter starke Metall- 
schablonen an, die er vertikal. jeweils in einem 
entsprechenden Winkel zur Löngsachse versetzt, 
als Kern seiner Plastiken montiert. Eine große 
Anzahl horizontaler. in gewissen Abständen 
geschichteter, ebenso starker Metallscheiben, die 
durch ihre Durchmesser die Aus- und Einbuchtun- 
gen des Körpers begrenzen. geben dem Skelett 
seine variable Modulation. Zwischen diesen sich 
selbst gesetzten Konstanten füllt nun der Künstler 
das Material, Gips oder Kunstharz, ein Gemisch 
mit Marmor oder Bronze. Die Hochkanten der 
bis an die Oberfläche der Plastik reichenden 
Skelette geben durch die optischen Unterbrechun- 
gen dem glattpolierten Körper einen durchaus mit 
den anatomischen Gegebenheiten schwingenden 
Rhythmus, der aus einem angeschlagenem Thema 
immer von neuem entwickelt wird. So etwa 
aus den fließenden Profilen die symmetrischen 
Formen, aus abgesetzten Profilen konvexeGruppen- 
gestaltungen. Bei einer „Absoluten Figur" wird 
durch eine Verengung der Abstände der hori- 
zontalen Skelettscheiben mit einer gleichzeitigen 
Auswötbung der dazwischenliegenden Felder eine 
weitere Steigerung erzielt. Es ergibt sich daraus 
eine wie aus unzähligen ineinandergeschobenen 
Kugeln geformte Figur. Wir finden auch den 
reinen Rumpttorso. Er ist von besonderer Aus- 
geglichenheit und nicht mehr zu Oberbietender 
Koinzidenz von Form und Idee. 
In all diesen Formen spüren wir einen Zug zum 
Vollkommenen (welcher Körper wäre voll- 
kommener als eine Kugel ?), der Avramidis seltsam 
mit den großen Vorfahren im Manierismus ver- 
bindet. einem Manierismus, von dessen Schöpfer 
Würtenberger u. a. sagt: "Der manierisiische 
Künstler sucht sein Heil in einer ganz anderen 
Sphäre als in der Natur, er wandte sich höheren 
Mächten zu. Er glaubte an die innere Vorstellung. 
cin das ,disegno interno'. an die forma spirituale', 
an die ldea." 
Es ist klar. daß bei einer exakten Durchführung 
seines Frogrammes Avramidis nur feine Variations- 
möglichkeiten offen gelassen werden. Wir sehen 
schon eine ähnliche Erscheinung bei der geschicht- 
lichen lkonenmalerei. Auch dort gibt es, ist der 
Formenkanon "Nikolaus" oder „Koimesis" er- 
reicht, nur sehr wenige augenfällige Unterschiede 
in der Behandlung des Themas. Kommt es jedoch 
auf das Augenföllige an? 
4D 
z JDdrtnlS Avramidis, Kopf, 1959. Kunstharz wir Alu- 
miniumkonstruktion. H. 33 cm 
3 JOGHHlS Avramidis, Torso I. 1961. Bronze. H. 10 (m 
4 Joannis Avramidis. Links im Bild Figur lll. 1963. Gips 
auf Alumiriiumkcnstrukliürii H. 190 cm. wie Sockel. 
Rechts im Bild FÜftfrlgUPengPUDDQ, 19a. Gips auf 
Aluminiumkonslruktion. H. 153 crn. ohne Sockel
	        
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