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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIV (1969 / Heft 103)

Buchbesprechungen 
Eugan von Ph povich, Kuriositiitenl 
Antiquitäten, khardt 8c Biermann 
Verlag, Braunschweig 1968, 559 Seiten, 
355 Abb.. 12 Farbtafeln. L" eraturver- 
zeichnis und Register. Ln. Bibliothek 
für Kunst- und Antiquitatenfreunde 
Bd, XLVl), DM 18,- 
Ein Buch über die Stiefkinder des Kunst- 
gcwerbes, die kuriosen Antiquitäten, hat lange 
auf dem deutschen Buchmarkt gefehlt, Gerade 
zur Zeit der Pop-Art ist sein Erscheinen zu 
begrüßen, da es einmal viele Verrücktheiten 
der Gegenwart als wenig originelle Machwerke 
entlarven hilft, zum anderen auf Künstler 
anregend wirken konnte. Obwohl von grund- 
sätzlich anderer Anlage und Aufmachung, 
geht das Buch letzten Endes zurück auf 
J. G. Theodore Graesse, Guide de l'amateur 
dobiects d'art et de curiosite ou Cotlection 
des monogrammes, Dresde 1871 Dieses 
40 Seilen umfassende Markenverz chnis er- 
schien dann in völliger Umarbeitung mit 
Meisterlisten und Erläuterungen durch Jaen- 
nicke in 3. Auflage 1905 als .Führer für 
Sammler und Liebhaber". Von Feldhaus fort- 
geführt, kam es zuletzt in s. Auflage 1920 in 
der ..Bibliothek für Kunst- und Antiquitäten- 
sammler" als ..Kunstgewerbiiche Altertümer 
und Kuriositäten" heraus. - Eugen von 
Philippovich hat in dem vorliegenden Buch 
nicht nur auf die Markenverzeichnissa und 
Meisterlisten verzichtet, er hat im Gegensatz 
zu den Vorgängern auch die reinen Antiqui- 
täten weggelassen und ausschließlich den 
seltsamen Dingen des Kunstgewerbes einzelne 
Aufsätze gewidmet. Schon das Inhaltsver- 
zeichnis weckt den Lesehunger; da findet man 
in bunter Folge 91 Einzeldarstellungen der 
unterschiedlichsten Bereiche, nämlich 1. der 
unedlen und seltsamen Materialien wie Blei, 
Gagat und Wachs, Z. der besonderen Tech- 
niken wie Scagliola und Pietra dura. 3. der 
besonderen Naturprodukte wie Straußeneier, 
Bernstein und Korallen, 4. der seltsamen 
Gegenstände wie Trinkschiffe und Püsteriche. 
5. schließlich effektbesiimmter Randgebiete 
der Malerei wie Riefelbilder, Anamorphosen 
und Konturgemaldc. Einen thematischen und 
zeitlichen Rahmen deutet das erste Stichwort 
.Kunst- und Wunderkammern" an; ein be- 
sondarer Akzent wird mit dem Kurzkapitel 
..Arcimboldo" gesetzt. - Seitdem Julius von 
Schlosser 1909 sein berühmtes Buch „Die 
Kunst- und Wunderkammern der Spät- 
renaissance" geschrieben hatte, war das Thema 
mehrfach aufgegriffen, aber immer entweder 
kulturgeschichtlich oder sammlungsgeschicht- 
lich abgehandelt worden. Fhilippovich hat 
dagegen von einem Realienstandpunkt her die 
Kunstkammarn in ihre einzelnen Bestandteile 
zerlegt und lührt diese nacheinander vor, zur 
Anregung und Belehrung der Liebhaber und 
Sammler. Die Kapitel sind sehr unterschiedlich 
in Aufbau und Darstellungsweise; h ulig 
grailt der Autor über den selbstgewahlten 
Rahmen hinaus, so bei den umfangreichen 
Kapiteln über Blei und Wachs, deren gesonderte 
 
 
 
Bearbeitung in der .Bibliothek für Kunst- und 
Antiquitatenfreunde' sehr wünschenswert 
wäre. Als Bode 1903 für das Kaiser-Friedrich- 
Museum eine Wachsbüste erwarb. die er als 
Arbeit Leonardos bezeichnete, sc 
diese Büste den Ausgangspunkt 
trachtung der Wachskunst bilden könnte, Das 
große Interesse weitestar Kreise erlahmte aber 
wieder, als man die Büste als Arbeit eines 
englischen Fälschers aus der Biedermeierzeit 
bezeichnete, in der die Wachskunst besonders 
beliebt war. - Es ist zu hoffen, daß Fhilippo- 
vich, der in dem Buch viele Sammelgebiete 
erstmals behandelt, in einem Zusatzband die 
Merkenverzaichnisse und Meisterlisten nach- 
liefert, da er selbst im Vorwort schreibt, daß 
in seiner Kartothek z. B. zur Wechskunst viele 
hundert Künstlernamen verzeichnet seien. 
Wünschenswert wäre auch eine generelle 
Ausweitung des Bandes auf Kuriositaten des 
19. Jahrhunderts und die Aufnahme solcher 
Gebiete wie: Schützenketten, Zinkguß,.Muste_r- 
und Meistarstücke, Galvanoplastik und Da- 
guerreotypien. - Auf jeden Fall ist das Buch 
ein wichtiger Meilenstein zu einem dringend 
benötigten Antiquitätenlexikon. Seit des Bruno 
BucherReal-LexikonderKunstgewerbe(1883). 
welches vor allem Begriffserklärungen gab. 
und seiner Geschichte der technischen Künste 
(3 Bde, 1875-1893) hat es zwar viele hervor- 
ragende Einzeldarstellungen gegeben, es fehlt 
aber an fundierten Kunstgewerbegeschichten 
und entsprechenden Lexika, die nicht nur die 
stilistische Seite behandeln, sondern neben 
den gängigen auch die ausgefallenen Techni- 
ken erortern und somit die den Sammler inter- 
essierende Zuständlichkeit der Objekte in 
den Vordergrund stellen. 
Horst-Herbert Kossatz 
 
Ronald F. Michaelis, ..A short history of 
Tha Worahiptul Compony of Pewterers 
of London und e cetelogue of pewterware 
in its posseuion". Im Selbstverlag der 
Londoner Zinngießergilde. Pewterers 
Hall. Oat Lane. London E.C.2. S:2l-l- 
franco 
Mr. Michaelis, selbst Ehrenmitglied der ehr- 
saman Gilde und u, a. Verfasser des Standard- 
Werkes uber das englische Zinn, .,Antique 
Pewrer of the British lsles', we t uns kurz in 
die Geschichte einer der ältesten, noch beste- 
henden anglischen Zünfte ein, die seit dem 
14. Jahrhundert bis heute ununterbrochen 
amtiert. Aus einer mönchischen Gemeinschaft. 
die neben ihrer fachlichen Tätigkeit auch 
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religiöse Ziele verfolgt, wird im Laufe der 
Jahrhunderte eine rein weltliche Organisation, 
was, rein äußerlich dadurch zum Ausdruck 
kam, daß man während der Reformation reli- 
giösa Symbole aus dem Gildenwappen ent- 
fernte, Der historische Teil des Buches wird 
besonders für jene Leser von Interesse sein. 
die im altehrwürdigen Zunftwesen mehr als 
eine zwar nicht unsympathische. aber längst 
überholte Form genossenschalllicher Zu- 
sammenarbeit sehen, deren wunderliche Ge- 
brauche ein wenig drollig anmutan und die 
fachunkundigen Romantikern Stoff zu senti- 
mentalen Darstellungen boten, 
Eine gewisse Übereinstimmung in organisa- 
torischer und funktioneller Hinsicht mit dem 
kontinentalen Gildewesen ist weder zufällig 
noch beruht sie auf Imitation. Die Grundlagen 
wirkungsvollerZusammenarbeit auffachlichem. 
rechtlichem und auch sozialem Gebiet sowie 
die Notwendigkeit der Selbstbehauptung 
gegenüber rivalisierenden oder feindlichen 
Gruppen waren hier und dort eben ähnlich. 
Der Liebhaber alter Zinngaräte wird sich, sollte 
er bisjetzt noch keinen Einblick in die nüchtern- 
sachliche Formenwelt des englischen Zinn- 
ßers gehabt haben, von deren sympathischer 
enart angesprochen fühlen. Die zahlreichen 
Abbildungen im Buche zeugen vom prak- 
tischen Sinn der Hersteller und Käufer, 
Nirgends ist das Material überfordert, deko- 
rative Zutaten sind sparsam verwendet, und 
Verwandtschaft mit kontinentalen, insbeson- 
dere deutsche Typen. ist kaum feststellbar. 
(Eine Ausnahme sind die Formen der Teller.) 
Dies ist nicht verwunderlich, wenn man weiß, 
daß kontinentale Wanderburschan bei der 
Londoner Gilde weder als Gäste oder Mit- 
arbeiter willkommen waren. Eine Ausnahme 
machte man wohl mit den aus ihrem Vater- 
lande vertriebenen Hugenotten, worin sich 
ein karitativer Charakter der Gilde manifestiert. 
der bis zum heutigen Tage besonders wirksam 
blieb, denn die Gilde verfügt über bedeutende 
finanzielle Mittel, die aber nicht für politische 
Zwecke zur Verfügung stehen. 
Während die Einfuhr ausländischer Zinnwaren 
wirksam unterbunden wurde, exportierte 
London sein Zinn in alle Welt. Klugerweise 
sandte man nur erstklassige Ware ins Ausland 
und sicherte damit den legendär guten Ruf des 
..englischen" Zinns. Bald wurde die gute. 
bleifreie Legierung, die man in London ver- 
wendete auch für des kontinentale Gewerbe 
vorbildlich, Die unter dem Druck der eng- 
lischen Konkurrenz u,a, auch von deutschen 
Meistern angenommene Bezeichnung ..Eng- 
lisch Zinn" bezieht sich nicht auf den Fundort 
des Metalls (Cornwall) sondern auf die ver- 
gossene, bleifreie oder mindestens bleiarme 
Legierung. 
Die meisten Zinnsammler und darunter, be- 
sonders die britischen schwören auf die Uber- 
legenheit des heimischen Produkts. in ge- 
legentlicher Blick über den Zaun empfiehlt sich. 
denn auch in Nachbars Garten wachsen schone 
Blumen. Mr. Michaelis Buch ermöglicht solche 
Blicke. 
 
 
Robert M. Vetter 
Plakate l Poster Affiches. Art Doco. 
Mappe mit B farbi an Plakaten l Polder 
with B pesters in colourc I Mappe avei: 
8 affiches an couleurs. 31x46 cni. 
efrl 24,95. DM 24,-, USS 5.30. Bntiliul 
Presse. Basel 1967. Llzenznusgabe für 
Deutlchlend: Heinz Mooa Verlag. Mün- 
chen 
Als Fortsetzung zur Jugendstilmappe: acht 
hervorragend fiiksimilierte Plakate im Innen- 
format, auf dem Mappenumschlag (drei- 
sprachig) eine Art Waschzetteleinführung von 
40 Zeilen Länge. Nino Weinstock versteht 
hier unter Art Deco eine von der ..Ecole des 
Ans decoratifs" beeinflußte Formensprache. 
die dem Kunstgewerbe dar zwanziger Jahre 
ihren Namen gegeben habe. Die bezeichnend- 
sten Elemente seien die stark farbigen, aus 
regelmäßigen kleinen Formen aufgebauten 
Ornamente. Da denke ich an Czeschka und 
Moser; der Autor aber wäre für einige seiner 
Plakate mit einem Hinweis auf den von Peche 
geprägten Spätstil der WW, für den Rast mit 
einem Hinweis auf die Plakatkünstlar Deutsch, 
Heine und Klinger weitergekommen. - Eine 
Wiederentdeckung ist Etoile du Nord von 
Cassandre (1927), Im Kurzkatalog muß es 
statt .Junge Muhle" Jung Mühle heißen. 
Erdts Plakat ist nicht zirka, sondern tatsächlich 
(Signatur) 1911 entstanden. Und: Auch bei 
Plakaten miß Höhe vor Breit Die für den 
Wechselrahman geeigneten Blätter sind ein 
hübsches Geschenk - besonders für Teen- 
ager. 
Der Autor kündigt eine dritte Mappe über 
konstruktivistische Plakate an. Wie war's mit 
dem Titel: Plak Konst? 
Horst-Herbert Kossatz 
  
Anton Sailer. Das private Kunstltabinett. 
Klassik und Moderne - Kontraste und 
Vergleiche. Verlag Karl Thiemig KG, 
München (1967). 200 Seiten, 117 mono- 
chrome, B7 mehrfarbige. z, T. gunzieitige 
Bildtafeln. Ln., DM 33.- 
Seit einer Reihe von Jahren gibt der Verlag 
Karl Thiamig KG Monographien zu Problemen 
der Kunst heraus, die ein Maximum an All- 
gemeinverständlichkeit mit einem Maximum 
an drucktechnischer und ausstattungsmäßiger 
Qualität vereinen. Sailers Buch berichtet über 
Bilder, Maler und den Kunstbetrieb, den Akt 
als klassischen Karton. das Porträt, das Ver- 
hältnis von Welt und Mensch, über Spazier- 
gänge in der Landschaft, über Stilleben, über 
.die große Unruhe", die mit Expressionismus 
und Surrealismus in die Welt kommt, und in 
einer Art von Sonderkapitel über die Schicksale 
von James Ensor, Toulousa-Lautrec. Lesser 
Ury und Jules Pascin. Kurzbiographien, Regi- 
ster und ein Literaturverzeichnis ergänzen das 
in Planung und Aufbau unkonventionelle 
Werk. 
Die Hauptbetonung liegt auf den klug in den 
Text eingestreuten Bildern und die zugehörigen 
Kommentare. Der Text selbst beschrankt sich 
- von den vier intelligenten Schlußessays ab- 
gesehen - auf das Ziehen von Verbindungs- 
linien und das Aufzeigen von crundrrsscmwre 
die Sache vor sich geht, sei an einem einzigen 
Beispiel demonstriert: Der Autor konfrontiert 
im Kapitel .Der Akt" einen giosenen Muskel- 
mann mit dem berühmten Dürer'schen Holz- 
schnitt eines mit Hilfe eines Quadretnetzes 
aktzeichnenden Künstlers, einem Photo aus 
einem Aktsaal akademischer Observanz, einer 
..prakubistischen'Aktstudie von Durei(.Wurlel- 
weib"), aber auch eine fast völlig abstrahierte 
Aktzeichnung von Arno Schiffers mit einer 
Aktzeichnung von Schiele. einem Gemalde 
von Beckmann, der Jtuckenvenus" von 
Valazguez und einem kauernden Rückanakt 
von Otto Mueller. Die Schlußakzente dieses 
Kapitels werden durch einschlägige Arbeiten 
von lngres, Renoir, Manguin und Marquet 
gesetzt. Welche Fülle von Interpretatione- 
möglichkeiten werden hier in der Gegenüber- 
stellung einiger weniger Grundtypen aufge- 
zeigtl 
Der Autor ist kein unbedingter Freund dessen, 
was sich in unserer allerunmittelbarsten Gegen- 
wart gelegentlich noch Kunst nennt. Er ver- 
meidet aber jegliche Polemik, beweist jedoch 
durch die Berücksichtigung zahlreicher Werke 
,.gegenständlicher", bei uns kaum bekannter 
Zeitgenossen, daß _, es auch anders geht. 
Schade nur, daß Osterreichs Kunst wieder 
einmal zu kurz kommt! 
Ernst Koller 
Heinz Weder. Walter Kurt Wiemken- 
Mlnifest das Untergangs. 52 Seiten. 
Benteli Verlag, Bern 1968 
In der Reihe ..Offene Folge" erscheint dieser 
Band als siebenter, nachdem schon ein 
Schweizer Beitrag zur zeitgenössischen Lyrik, 
eine Erzählung von Jörg Steiner. ein Beitrag 
über das Theater von Engen Keller, Gedicht- 
bändchen mit Werken von Gerhard Meier und 
weiters von Heinz Weder sowie eine Betrach- 
tung über die Arena-Kapelle zu Padua von 
Werner Y, Müller dieser Veröffentlichung voran- 
gegangen sind. wie ersichtlich ein weitge- 
stecktes Programm! Dieses Büchlein belaßt 
sich nun mit dem Maler Kurt Wiemken, der 
1907 in Basel geboren wurde und 1940 bei 
Castel San Plelro im Tessin in eine Schlucht 
stürzte, aus der man drei Wochen später seinen 
Leichnam barg. _'l5 Abbildungen lassen uns 
einen gewissen Uberblick uber das Schaffen 
des Schweizer Künstlers gewinnen. Der Autor 
zeichnet Wiemkens Leben nach, interpretiert 
die abgebildeten Arbeiten und stellt ihnen, 
beziehungsweise der jeweiligen Schaffens- 
periode passende Ausschnitte aus Werken von 
Picasso (als Dichter), Lautreanront, Henri 
Michaux, Andre Breton und Rene Ghar an die 
Saite. Kommt Wiemken offenbar aus einer 
Richtung, die mit George Grosz viel gemeinsam 
hat, so schien er ganz in surreale Bereiche 
tendiert zu haben; zumindest ist das hinter- 
lassene Werk dahin orientiert. Es ist durchaus 
dieser und mehr Beachtung wert. Text und 
Bild des Bändchens ist gut zusammengestellt, 
und zu der einfachen, aber außerordentlich 
sauberen Aufmachung ist dem Verlag zu 
gratulieren. 
Alois Vogel 
Figurinen nach alten Schnittbüchern. 
Katalog zur Ausstellung des Sta t- 
museums Linz, 1968. 132 Seiten. 10 Bild- 
tafeln, Textillustrationen 
Im Linzer Stadtmuseum und in anderen 
Sammlungen wird eine Reihe von Muster- 
büchern des Schneiderhandwerks verschie- 
dener österreichischer Städte aus der Zeit 
vorn 16. bis zum 1B. Jahrhundert aufbewahrt. 
Diese Handwerksbücher weisen nicht nur 
lllustrationen, sondern auch Schnittzeichnun- 
gen auf. Der Gedanke war daher naheliagand, 
maßstabgerechte Holzfigürchen her-zustellen 
und diese dann mit Kleidungsstücken nach 
den alten Vorlagen anzuziehen. Die auf diese 
Art zustande gekommene Ausstellung zählt 
wohl zu den reizvollsten ihrer Art, der Katalog 
selbst ist ein wissenschaftliches Dokument 
ersten Ranges: jedes Exponat ist m't den zeit- 
genössischen Originallexlen beschri et, und 
ein ausfuhrliches Glossar klärt uns uber die 
Terminologie von damals auf. Eine umfassende 
Einleitung bringt eine Zusammenschau der 
Teilphänomene. 
Ernst Koller 
Die Kunst Vietnams. lmro Patkö -Mikl6s 
Räv. 54 Textseiten mit 1B Abb 180 z. T. 
farbige Bildtafeln, Ln. Corv Verlag. 
Budapest 1967 
Dieses Buch, verfaßt von zwei Journalisten, 
die Nordvietnam noch vor Ausbruch das 
gegenwärtig tobenden Krieges bereistan und 
sich bei ihrem Versuch einer Bestandsaufnahme 
der Kunstdenkmäler von einheimischen und 
ungarischen Fachwissenschaftlern beraten lie- 
 
ßen, ist von höchstem Aktualltatswert, denn 
wer vermag haute schon zu sagen, was vom 
künstlerischen Erbe des unglücklichen, zwei- 
geteilten und sich in mörderischen Kämpfen 
zerfleischenden Land die Schrecken dieses 
schmutzigen Krieges" berleben wird? Schon 
die Kämpfe von 1954 brachten Verluste von 
großen Mengen Kunstgutes mit sich, und 
während der französischen Kolonialherrschaft 
wurde das Wertvollste. Schönste nach Paris 
abgezogen, wo es im Musee Guimet ein wohl- 
beireuies Dasein fuhrt. 
Aus den Ausführungen der Autoren geht hervor. 
daß das Gebiet von Vietnam seit eh und je 
eine Art von Schlachtfeld in Permanenz war. 
Nicht nur die Kulturen Indiens und Chinas 
stießen in diesem geradezu klassischen Puffer- 
gebiet aufeinander. sondern ein rascher 
Wechsel von Dynastien und Jieichen", die in 
standiger Fehde miteinander und gegen Dritte 
lagen, trug auch nicht gerade zur Mehrung 
des Kunstgutes bei. Schließlich durfen die 
immensen Fährnisse des Klimas nicht ver- 
gessen werden, das bei einem Luftfeuchtig- 
keitsgrad von 90h nur Objekten aus robuste- 
slen Materialien ein Uberleben gestattet. 
Hingewiesen muß auch auf die Tatsache 
werden, daß die ethnischen Verhältnisse in 
Vietnam äußerst verworren sind; an die 50 
(fünfzigl) Sprachen werden hier gesprochen, 
viele in relativer Primitivitat lebende Einge- 
borenenslamme sind noch kaum erforscht. 
Die Verdienste der beiden Autoren liegen in 
textlicher Hinsicht vor allem in einem unge- 
wöhnlichen Maß von Selbstbescheidung, sie 
kennen ihre Grenzen und versäumen es nicht. 
immer wiederdaraul hinzuweisen. Von größerer 
Bedeutung als Text und Katalog ist das reichlich 
dargebreitete Photomaterial, das in sehr erheb- 
Iichem Maß nach Originalen angefertigt wurde, 
die bisher als kaum bekannt zu gelten hatten. 
Nordvielnam ist und war die ärmere Hallta des 
gesamten Staatsgabietes: Hanoi kann sich 
hinsichtlich der Uberfulla an Gaben dar Natur 
mit Saigon in keiner Weise messen. Deshalb 
ist auch die Kunst Nordvietnams, von der 
allein hier die Rede ist, der kleinere, beschei- 
denera Bruder des Schaffens im Süden, Der 
indische Einschlag ist besonders in älterer 
Zeit unverkennbar. der Grund hiefür ist nicht 
nur in den geographischen Voraussetzungen, 
sondern auch in religiosen Gegebenheiten zu 
suchen, Im großen und ganzen muß jedoch 
gesagt werden, daß die Kunst Nordvietnams 
ein mehr oder minder provinzieller Ableger der 
Kurisl Chinas ist, wobei das Wort .provinziell" 
jedoch nicht im abschatzigen Wortsinn ge- 
meint ist. Der Begriff „provinziell' umfaßt auch 
hier eine Reihe von originellen und bedeut- 
samen Sonderleistungen, wie sie eben nur 
abseits der großen Straßen entstehen können. 
Und es laßt sich nicht bezweifeln, daß Vietnam 
der kulturellen Großmacht Chinas einiges ge- 
schenkt hat. das heute als typisch chinesisch 
gilt, So sollen etwa die großen Bronze- 
trommeln, die noch in der Pra-Han-Epoche 
geschaffen wurden. eine Erfindung Vietname- 
sischen Ursprungs sein. Waiters sei darauf 
verwiesen, daß die Kunst Nordvietnams gerade 
ob ihrer Volkstlimlichkeit länger am Leben 
geblieben ist als die Kunst Chinas; noch im 
sparen 19. Jahrhundert entstehen Arbeiten, 
denen spontane Frische und unmittelbare 
Aussagekraft zu eigen ist, 
Was allerdings in den allerletzten Jahren in 
Nordvietnam geschaffen wurde, ist provienziell 
im schlechtesten Sinne das Wortes - miß- 
verstanderies. banalrsiertes Europa furs trauta 
Heim. 
 
Ernst Köller 
S" gward Sprotte. Aquarelle auf Sylt. 
Einleitung von Herbert Retid, Geleitwort 
von Carl Zuckmayer, Rembrandt Verlag 
Berlin (1967). 23 Textseiten mit Schwarz- 
weißebb, 32 Farbtafeln, Ln. 
Siegward Sprotte - Ihr Rezensent bekennt, 
seinen Namen bislang noch nie gehört zu 
haben - muß schon dem äußeren Schein 
nach .wer sein", denn die Namen Herbert Read 
und Carl Zuckmayer allein bürgen für Qualität. 
Sprotte ist ein Meister der Verknappung, der 
Reduktion auf ein paar Zeichen. Er bewegt 
sich hart am Rande des Noch-Anschaulichen. 
ohne die beinahe imaginäre Grenze zur rainan 
Abstraktion je zu überschreiten. Er hat viel von 
den Ostasietan gelernt und kann sich nicht gut 
genug arn Wenigen tun. Liebmanns Wort, die 
Kunst bestünde i Forilassen, findet hier 
neuerlich seine Bes ätigung. 
Nach Durchsicht des vorliegenden Albums 
bekäme man Lust, mit den Origineiarbeiten 
Sprcttes konfrontiert zu werden. Vielleicht 
wird Sprotte von einem herben Dünenwind 
auch einmal in unsere Breiten entführt. 
Ernst Koller 
 
gelangte Bücher 
Wiener Jahrbuch fur Kunstgeschichte, heraus- 
gegeben vom Institut für Kunstforschung des 
Bundeskanzleramtes, 231 Seiten, B4 Bildtafeln, 
Leinen, Hermann Bohlau Verlag, Wien. 19GB. 
S 296,7 
Ursula Pfistcrmeister. Verborgene Kostbarkei- 
ten, Rund um Würzburg, 104 Seiten, 48 Abb. 
Hln., Verlag Hans Carl, Nürnberg, 1969. 
DM 9,80 
Marianne Haraszti-Tacecs, Die Manieristen, 
29 Seiten Text, 4B Farbtafeln, Leinen, Corvina 
Verlag, Budapest, 1959.
	        
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