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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVIII (1973 / Heft 129)

namentlich in den Jahren 1960 bis 1965, eben- 
falls oft mit dem Theater befoßt; es entstanden 
Bühnenbildentwürfe zu Sophokles, zu Auffüh- 
rungen am Wiener Burgtheater und in der 
Felsenreitschule in Salzburg". 
Unlängst erst ging eine Nachricht durch die 
Presse, aus der zu entnehmen war, daß ein 
Theatervorhang, den Fritz Wotruba für einen 
Zyklus antiker Dramen fürs Wiener Burgtheater 
geschaffen hatte, aus Gründen mangelnden Ma- 
gazinraumes vernichtet worden ist. Der Vorhang 
war sehr groß; er deckte die ganze Burgtheater- 
bühne ab. Man ist also, wenn man sich den 1960 
entstandenen Vorhang vergegenwärtigen will, 
auf das hier abgebildete Schwarzweißfoto ange- 
wiesen. Audw die Originalzeichnung zum Vor- 
hang ist in New York an einen unbekannten 
Käufer veräußert worden, wie der Künstler mit- 
teilt. Dennoch gibt auch das Foto einen Begriff 
von der großartigen archaischen Blockigkeit und 
königlichen Gewalt des Vorhangs und von seiner 
tiefenplastischen Wirkung. Schon die Skizze lößt 
etwas von der Dramatik der endgültigen Ge- 
staltung ahnen. 
Mit dem 1. Preis wurden Entwürfe Fritz Wotru- 
bas für den eisernen Vorhang der Wiener Oper 
zur Wiedereröffnung nach dem Kriege ausge- 
zeichnet. Aber keiner der drei Entwürfe kam zur 
Ausführung; die Wahl fiel zuletzt, wie man 
weiß, auf den Entwurf eines anderen Künstlers, 
und es ist hier nicht der Ort, diese Entscheidung 
zu beurteilen. 
Ganz besonders interessant für die Geschichte 
der gemalten Theatervorhänge ist die Stadt Ulm. 
In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts hatte 
der Baumeister Joseph Furttenbach (1591-1667) 
dort seine kühnen, von Italien angeregten Büh- 
nenbauproiekte verwirklicht, und es ist uns über- 
liefert, wie seine bemalten Hauptvorhänge aus- 
gesehen haben". Eine spätere Spielstötte in 
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wurf von Almir Mavignier. Der in Hamburg 
lebende und lehrende Künstler (1925 in Rio de 
Janeiro geboren) wurde dafür gewonnen, für 
das neue, 1969 erbaute Theater an der Olga- 
straße zu Ulm (eine fesselnde architektonische 
Lösung von Fritz Schäfer, Ulm) den Vorhang zu 
entwerfen. Es handelt sich in Ulm um ein varian- 
tenreiches Podiumtheater, dem Mavigniers Vor- 
hang zweifellos trefflich entgegenkommt ". 
Der Vorhang ist 1969 installiert worden. Ma- 
vignier hat dafür eine Graphik entworfen: Gold- 
punkte auf dunklem Untergrund. Der Vorhang 
wurde hergestellt von Lotte Hofmann (Oberrat! 
Württemberg), die auch Vorhänge für das Staats- 
theater Kassel, für Ludwigshafen und Mainz 
produziert hat. Der Vorhang ist aus handge- 
webter Hononseide hergestellt, auf die die Punk- 
te appliziert sind, die im gleichen Abstand von 
etwa 20 cm auf 5 cm kleiner werden. Die hellen 
Punkte aus goldgelber Thailandseide sind auf 
dem Hintergrund tiefbrauner Chinaseide ange- 
bracht. Der Vorhang, der rückwärtig eine sehr 
starke Abnähung hat und, an einer Laststange 
montiert, nach oben weggezogen wird (sich also 
nicht seitlich öffnet), besitzt wie manche alten 
gemalten Draperievorhönge eine mittlere Off- 
nung, durch die die Schauspieler auch bei ge- 
schlossenem Vorhang heraustreten können. Das 
Theater hat zwei weitere, bräunliche Spielvor- 
hönge; der vordere befindet sich vor dem 
eisernen Vorhang, also vor dem Orchestergra- 
ben, der andere im verschiebbaren Portal. Der 
Vorhang Movigniers ist der einzige Schmuck des 
Zuschauerraums. 
Man sieht also, bis in die neueste Zeit ist die 
Freude am künstlerisch gestalteten Bühnenvor- 
hang erhalten geblieben, und es wird sich ge- 
wiß hin und wieder ein Theater finden, das 
einen Künstler mit der Ausschmückung einer sol- 
chen Riesenflüche betraut. 
20 
 
Anmerkun en 10-14 
m Kalalog skar Kokosduka (Handzeichnungen, Druckgra- 
phik, Tupisserie was-mm), Hamburg, Museum für Kunsi 
und Gewerbe, 197D, Nr. 227-253. er Kulalo umsdllag 
zeig! den Vorhanggobelin farbig. Deicils un Herslel- 
lungsbesdureibun im Katalog. 
"Cluus Pack, M0 arne Graphik in Usmrraidv, Wien 1969. 
Neue Ausgabe, S. 55 f. Unler Nr. 125 Äbbildung einer 
„Archifekionischen Figurenkompnsiiion", die Ähnlichkeil 
mit dem Vorhang besilzf. 
1' Karl Bachler, Gemalte Theatrvorhänge, S. 21 I. 
" Ebda. S. 38 1. 
" Ulmer TheuVer, Neubau 1969, Ulm o. J, (1969), Äbb. S. 34.
	        
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