lmGedenken an den ehemaligen Generaldirektor
der Österreichischen Nationalbibliothek,
Joseph von Zessner-Spitzenberg T
Komplexe. Klarabgetrenntvon der Bürgersladtstehtdasgro-
Be Jesuitenkolleg und ebenso für sich, durch Umfassungs-
mauern isoliert, die Barbarakirche, die hier wie später auch
bei Kaliwoda ein ungeteiltes Dach hat, d. h. keine Dreiteilung,
wie sie seit dem Mittelalter für Laun überliefert ist und in Kut-
tenberg erst im späten 19, Jh. wiederhergestellt wurde.
Daß Venuto im Königgratzer Kreis besonders eifrig und ge-
nau zu Werke ging, wenn er Orte schilderte. liegt auf der
Hand. So wurden auch kleine Ansiedlungen wie das Städt-
chen Boruhradek zu topographischen Köstlichkeiten. Zwei
Jahre bevor das Blatt entstand. schreibt Jaroslaus Schalter
in seiner Topographie des Königreichs Böhmen: nBorohra-
dek, Boruhradek. ein Marktflecken v. 126 N. (also Häusern)
führet im Wappen ein Stadtthor fast eben so wie die prager
Stadt Hradczin . . .k(Bd. 15. S. 199). Die barocke Michaelskir-
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che ist sehr kostbar ausgestattet, das kleine Schloß später
umgebaut. Uns interessiert vor allem der schöne Marktplatz
milden Laubenhäusern, die nach einheitlichen Bauvorschrif-
ten gleichförmig errichtet sind; die Straße nach Mähren rührt
darüber, das Rathaus ist hervorgehoben - so begann es ein-
mal mit jeder geplanten Siedlung!
Einen späteren Entwicklungsstandzeigen "Schloß undStädt-
chen Gaiersberg: (Setohrad) nahe von Grulich. Sie haben bis
zum heutigen Tag ihren Charakter bewahrt. Der langrecht-
eckige Marktplatz von Gaiersberg mit den Laubenhäusern,
Schloß und Kirche. die Mariensäule in der Mitte und schließ-
lich die über einem fünfeckigen Grundriß erbaute Johannes-
von-Nepomuk-Kirche mit ihren Ambiten sind - mit ihrer je-
weils auch sehenswerten lnneneinrichtung - erhalten, ganz
ähnlich wie wir sie hier vor uns sehen.
oder Klatlau, aber auch kleiner und weitgehend unbe-
kannterStädtchen und Flecken wie Drum oderStiahlau.
Als dererste und zweite Durchgang geschalftwar, woll-
ten wir uns freilich auch mit dem Künstler belassen. der
ein Amateurwar, ein hochangesehener Domherr in Kö-
niggrätz: Johann Venuto. der oft auch Joann oder Joan
unterschrieb.
Wir wissen wenig: er ist 1746 in Mähren geboren, stu-
dierte in OlmiitzTheologie, und wurde in Königgrätz Ka-
nonikus. Die nähere Umgebung dieser ostböhmischen
Bischofsstadt hat er besonders gut gekannt und liebe-
voll dargestellt. In den einschlägigen Künstlerlexika
wird erwähnt, daß er eine Landkarte der Diözese ge-
schaffen hat. Dlabacz nennt ihn einen wortrefflichen
Zeichenmeisteru. im hohen Alter von 87 Jahren starb er
1833 in Chrast und hinterließ eine große Sammlung von
Gemälden.
Von seinentopographischen Arbeiten, die in derÖNBzu
Wien liegen, sind nur wenige gestochen worden. Umso
wichtiger ist die Kenntnis der Originale, die für das erste
Drittel des 19. Jahrhunderts unschätzbare Dokumente
sind. da sie den Zustand der Gebäude aufs Genaueste
darstellen. da jedes Fenster. jede Dachgaube, jeder
Turm genau aufgenommen ist. Die Raumaufteilung.
das Baugefüge eines Ortes ist so klar erfaßt, daß man
meint, den Grundriß mitlesen zu können. Die halbe Vo-
geiperspektive, die Venuto wählt. läßt die gewünschten
Einblicke zu. die das Wachstum und die Entwicklung ei-
nes Ortes vermitteln. Der Künstler ist vor allem an der
Architektur interessiert. die Landschaft im Hintergrund
odervorderjeweiligen Stadt wird ganz schematisch be-
handelt und hat den Reiz der ungewollten Naivität. Fel-
der. Wiesen und Wälder seiner romantischen Zeitge-
nossen sehen ganz anders aus! Stimmung. einführende
Staffagen sind seinen Ansichten fremd. Manche bete-
stigte Städte gibt er so wieder. wie sie uns noch von Dar-
stellungen des 17, Jahrhunderts vertraut sind: Ozaslau,
Chrudim,ja sogar Königgrätz mit den weitläufigen Befe-
stigungsanlagen. Beispiele für den Einblick in das urba-
nistische Gefüge seien die Blätter von Kuttenberg und
Kaaden.
Möge dieser kurze, erste Hinweis auf die Sammlung böhmi-
scherVedutenvonJohannVenutoAnstoßliirweitergehendeEr-
schließung sein! Eswäre ganzimSinne desverstorbenen Gene-
raldirektors Dr. Joseph von Zessner-Spitzenberg, geboren am
29.11 1919 in Dobritschan bei Saaz. gestorben am 13. 5, 1983