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Volltext: Alte und Moderne Kunst X (1965 / Heft 83)

halten haben) ist in der bereits mehrmals er- 
wähnten adeligen Privatgalerie der patrio- 
tischen Kunstfreunde mit einem Gemälde 
„Äneas, Sibylle und Charon am Ufer des 
Styx" aus der Sammlung Nostitz, vertreten; 
außerdem besaß das Stift Strahov sein Porträt 
des Kaisers Leopold II. - Von Ignag Unter- 
herger (1748-1787) hatten die böhmischen 
Stände ein Bildnis des Hof kanzlers Freiherrn 
von Kressl als Leihgabe der Galerie der 
Kunstfreunde gewidmet. - Das Haupt des 
Wiener Klassizismus Friedrich Heinrich Pilger 
(1751-1818) repräsentierte in dieser hervor- 
ragenden Sammlung eine „historische" Kom- 
position „Achilles an der Leiche des Patroklos" 
(eine Leihgabe des Grafen Heinrich Rottenhan), 
die stilistisch mit dem thematisch ähnlichen 
Gemälde „Alkestes Selbstmord am Totenbett 
ihres Gemahls Admetos" (Nationalgalerie in 
Prag) verwandt sein dürfte. - Als Mitarbeiter 
des bekannten Theatermalers Joseph Plazer 
l-igurierte Füger bei einer Nachtszene im 
Kerker, wo er in Plazers Architektur die 
kleinen Staffageiiguren einsetzte (Leihgabe des 
Grafen Christian Clam-Gallas). 
Als Beispiel für die Wiener Porträtmalerei 
wird in der Ausstellung ein ziemlich konven- 
tionelles Bildnis Joseph II. als Knaben im 
Gewand eines ungarischen Paladins von 
Älariin IJJII Zllejlen: (1695-1770) gezeigt und 
außerdem das in der Haltung unzeremoniöse 
und farbschöne Porträt Kaisers Franz I. 
(Franz Stephan von Lothringen) (Abb. 2), ein 
Werk des Franz Anton Palko (1717-1766) 
aus dem Jahre 1737. Demselben Maler wurde 
unlängst auch die prächtige und flotte Studie 
zu einem großen Bildnis eines jungen adeligen 
Jägers mit seiner Meute zugeschrieben (Eduard 
A. Safarik). - Der bekannte Autodidakt 
Chrirtian Jgyhold (1697-1772) wird durch 
eines seiner unzähligen Selbstbildnisse ver- 
treten, worin eine etwas langweilige und 
glatte Manier zur Geltung kommt. Die 
Nationalgalerie besitzt noch ein weiteres 
Autoporträt von ihm, das aus der Sammlung 
Waldstein in Dux stammt. - Mehr Saft und 
Witz äußerte Eurehiur johann Alphen (1741 bis 
1772) in seinem angeblichen Selbstporträt, das 
früher irrtümlicherweise sogar als ein Werk 
Johann Kupeckvs galt. Von einem starken 
Einfluß der modischen englischen Bildnis- 
malerei spricht Fügers eindrucksvolles, flott ge- 
maltes Porträt des Kaisers Leopold ll. (Abb. 12). 
Als selbständiges Gebiet tritt die Landschafts- 
malerei in Österreich zwar ziemlich früh auf, 
wobei aber trotz ihrer niederländischen Stim- 
mung der Hauptakzent vom eigentlichen 
Naturausschnitt mehr auf die genrehaften 
Elemente der Stalfage verlagert wird. Das gilt 
ebenso von Hans Graf (1653-1710), von 
dem wir in unserer Übersicht zwei Bilder 
ausstellen, wie von joreph Orient (1677-1747), 
der auch mit einem Paar seiner typischen 
Bergtäler vertreten ist, sowie besonders von 
Fraug rle Paula Ferg (1689-1740), Karl Aigen 
(1684-1762) und illaximilian Joreph Srhinagel 
(1697-1762). Von allen diesen bringen wir 
einzelne oder paarweise Beispiele ihrer etwas 
spießbiirgerlichen und kleinlichen, ziemlich 
anspruchslosen Kunst. - Die „heroischen" 
Landschaften von Anlon Fairlenberger (1663 
bis 1708), der im Jahre 1706 kurz in Prag 
weilte, waren und sind in den böhmischen 
Sammlungen ziemlich selten. Einige seiner 
Bilder werden in dem Katalog der Privat- 
gesellschaft patriotischer Kunstfreunde an- 
geführt (EC 848, 1475176, 1598199, 1529[30).) 
Prächtige Stücke, vornehmlich aus der Bieder- 
meier-Sammlung des Prager Arztes Dr. Josef 
Hoser hervorgegangen, dessen großzügiger 
Widmung die Prager Nationalgalerie so viele 
ihrer Schätze verdankt, besitzen wir von den 
beiden Brand, dem Vater Chrixlian Hiygott 
(1695-1756) (Abb. 3), und dem Sohne Johann 
Chrirtian (1722-1795), dessen vedutenhaft 
aufgefaßte Landschaft bei Devin (Theben) an 
der Donau (Abb. 4) zu den hervorragendsten 
Leistungen seiner Jugendzeit, also aus den 
fünfziger Jahren des 18. Jahrhunderts, gehört. 
Aber auch die sonstigen Bilder des alten so- 
wie jungen Brand stellen einen vorbildlichen 
Querschnitt durch ihr Werk dar. - Der 
Übergang zum romantischen wie auch zum 
realistischen 19. Jahrhundert, der sich schon 
in einigen der anmutigsten Werke von Johann 
Christian Brand ankündigt, tritt in der Aus- 
stellung an einer fein gemalten Waldgegend 
mit Felsenspitze von Martin von Molilor (1759 
bis 1811) beispielhaft in Erscheinung. 
Auch die Stillebenmalerei wurde in Österreich 
von spezialisierten Malern betrieben, von 
denen einer der frühesten, Frang Werner von 
Tamrn (1658-1724), tnit seinen effektvollen 
und dekorativen, für den Wandschmuck von 
Palästen und Schlössern besonders geeigneten 
Bildern die reichste Tätigkeit entfaltete. Seine 
breite Werkstattproduktion vertritt in der 
Ausstellung ein Stilleben mit einem Papagei, 
toten Vögeln und Obst, das ursprünglich - 
vor der Entdeckung der Signatur -, im 
handschriftlichen Katalog der Privatgesell- 
schaft patriotischer Kunstfreunde als „angeb- 
lich Hondecoeter" bezeichnet wurde. - Die 
miniaturhafte Pinselführung eines präzisen 
Feinmalers tnit historisierendem Einschlag 
zeigt in vorbildlicher Weise Franz [Michael 
Sigmund von Purgau (1677[78-nach 1751) mit 
seinen Gegenstücken Disteln mit Reptilien 
und Insekt. 
Eine eigentümliche, typisch wienerische Form 
entwickelte die für die Malerei von Gesell- 
schaftsstücken spezialisierte Richtung, deren 
Begründer johann Georg Plazer (1704-1761) 
war, ein Schöpfer manieristisch gestimrnter 
Genreszenen mit historisierend kostümierten 
Personen. Der Grazer Franz Chrixtaph janeek 
(1703-1761) bemühte sich umsonst, mit 
Plazer in dieser Hinsicht Schritt zu halten. - 
Auch von diesen drei Genremalern sind drei 
bezeichnende Arbeiten ausgestellt. 
Diese zeitlich begrenzte Ausstellung öster- 
reichischer Malerei des 18. Jahrhunderts aus den 
Bestanden der Prager Nationalgalerie, in den 
klassizistisch dekorierten Sälen des prächtigen 
Barockschlosses Jemniste veranstaltet (dessen 
weitere Räume das vorbildlich installierte 
Heimatmuseum des Bezirkes Benesov beher- 
bergen), das unweit der Hauptstraße zwischen 
der Südgrenze des Landes und Prag liegt, 
wird wohl eine starke Anziehungskraft nicht 
nur auf einheimische, sondern auch auf 
ausländische Besucher ausüben.
	        
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