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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XI (1876 / 135)

Entwicklung des gewerblichen und mercantilen Unterrichts. LIX 
nicht erspart werden können, wenn der übrige Aufwand für gewerbliche Schulen 
fruchtbar sein soll. 
Bei den Massnahmen zur Fortbildung der Lehrer wird stets möglichst zu 
individualisiren sein. Wenn z. B. eine G9fW9l'l)9SClllllt' in einem grossen Textil- 
industriebezirke errichtet ist, wird dem mechanische Technologie lehrenden Ingenieur 
Gelegenheit geboten werden müssen, aus eigener Anschauung die wichtigsten 
Gebiete der einschlägigen schweizer. elsässer, lynneser. nordfranzilsischen, bel- 
gischen etc. Industrien kennen zu lernen; ebenso wird an einer Schule kunst- 
gewerblicher Richtung je nach den besonderen Verhältnissen der Gegend ein 
Besuch entweder Frankreichs oder Italiens oder auch Deutschlands von grnsser 
Wichtigkeit für den Lehrer sein. 
Obige Andeutungen dürften eine Ahnung davon geben, wie mannigfaltig und 
mühevoll derzeit noch die Ürganisationsarbeit auf dem Felde des gewerblichen 
[lnterrichtes ist, auf wie viele Factoren Rücksicht genommen, wie vorsichtig von 
langer Hand jeder Bedarf vorgesehen werden muss, und wie leicht eine Unter- 
lassung zu Misserfolgen führen kann. Durch all diess scheint wol dargethan. dass 
im Budget einer gewerblichen Schulverwaltung die ständige Rubrik „für Fortbildung 
der Lehrer" nicht fehlen darf. Sie wird in Österreich bis zur Consolidirung 
der Lehrkörper mehrere Jahre hindurch etwas höher sein müssen. Nach einiger 
Zeit wird sie sich ermassigen lassen. Sollte sie aber je gänzlich verschwinden, so 
wäre die unausbleibliche Folge, dass die Schule hinter dem Leben zuruckbliebe 
und ihrer Kosten nicht mehr werth wäre. 
- 4. Subventionen zur Errichtung, Erhaltung oder Erweiterung gewerblicher 
Lehranstalten. 
Das Erforderniss fur Subventionen zur Errichtung, Erhaltung oder Erweiterung 
gewerblicher Lehranstalten erschien im Vorauschlage für 1877 zum ersten Male 
detaillirt, nachdem eine mehrjährige Verwaltungspraxis herausgestellt hatte, welche 
Schulen regelmässiger Unterstützung am würdigsten scheinen. Jedoch sulldaran 
festgehalten werden, dass den einzelnen Schulen von Jahr zu Jahr erst auf Grund 
erbrachter Nachweisungen der Subventionsbetrag neuerlich bewilliget, beziehentlich 
verweigert wird. ' 
Mit Ausnahme der ersten österreichischen Baugewerkschule in Wien werden 
die Subventionen Schulen zugewendet, welche man vermuthlich im Auge hatte, als 
im hohen Abgeordnetenhause der Meinung Ausdruck geliehen wurde, (pag. 5567 
des Sten. Prot.) die „nicderen" gewerblichen Schulen sollten vom Unterrichts- 
ministerium reichlicher unterstützt und dafür an den eigentlichen Gewerbeschulen 
gespart werden. 
Wie die [lnterrichtsverwaltung über die Wechselwirkungen denkt, welche 
zwischen der Entwicklung dieses sogenannten niederen gewerblichen Unterrichts- 
wesens und des eigentlichen Gewerbeschulwesens stattfinden sollen, diess ist in dem 
1875 veröffentlichten, officiellen „Expose über die Organisation des gewerblichen 
Unterrichtes" (S. 19 u. '20) seinerzeit ausgesprochen worden. Auf die dort ent- 
wickelten Gesichtspuncte wäre daher an dieser Stelle nicht mehr zurückzukommen.
	            		
l LX Entwicklung des gewerblichen und mercantilen Unterrichts. Nur mit einigen Worten mag hier einiger Anschauungen über gewerbliches Schul- wesen gedacht werden, denen die Unterrichtsverwaltnng am Häufigsten begegnet und die einem reellen und consequenteu Vorgehen manche Schwierigkeiten bereiten. Ein Theil des Publicums pflegt die Leistungsfähigkeit der „niederenB gewerb- lichen Üntt-rrichtseinrichtungen, den unmittelbaren Einfluss derselben auf Industrie und Gewerbe hin und wieder zu überschätzen; es glaubt an Wunder auf diesem pädagogischen Gebiete und hält namentlich llnterrichtserfolge durch eine Schnell- dressur für möglich, die oft in zehn- und zwanzigfaicher Zeit nicht einmal erzielbar wären. Die Natur der Sache bringt es mit sich. dass in Dingen gewerblichen Schulwesens mehr Laien mitsprechen, als in jedem anderen pädagogischen Zweige; und hierin liegt eine Gefahr. Den Laien fehlt meist der Massstab dafür, wie viel Lehrstoff innerhalb einer bestimmten Zeit bewältigt werden kann. Sie meinen an Fülle des Lehrstolles des Guten niemals genug thun zu können. Der [Tnterrichts- verwaltung sind Entwürfe von Lehrplänen abendlicher Fortbildungsschulen zu Gesiehte gekommen, wo den Lehrlingen nach. physisch abspannender Tngesarbeit in 6 bis Swöcchentlichen Abendstunden so ziemlich das ganze Gebiet der Arith- metik, Geometrie, Physik und Chemie etwa im Umfange wie an (lbcrrealschulen erschlossen. Handels- und Wechselrecht tradirt, Einiges von den Lehren der Na- tionalükonnmie beigebracht, Zeichenunterrieht ertheilt und schliesslich die Theorie eines Industriezweiges gelehrt werden wollte. Je schöneren Erwartungen sich dann das grosse Laienpuhlikum bezüglich der bahnbrechenden Wirkung einer gewerblichen Schule, „an der so viel gelernt werden kann", hingiht. desto grösser die Enttäuschung, wenn die Schiller von Allem Nichts lernen, weil sie schon in der zweiten Lehrstunde dem Unterrichte nicht mehr zu folgen vermögen und darum von Woche zu Woche unregelmässiger zur Schule kommen, und schliesslich ganz ausbleiben. Man darf sich keiner Illusion darüber hingeben, dass solche Vorkommnisse bereits in weiten Kreisen der Bevöl- kerung das gewerbliche Schulwesen überhaupt discreditirt haben. und dass den jetzt in der Entwicklung begriffenen wirklichen Gewerbeschulen manche Vorurtheile entgegenstehen, Vorurtheile, welche durch Verwechslungen begtinstiget werden, da manche jener grossartig geplanten und leistungsunfähigen abendlichen Fortbildungs- schulen sich zur Vermehrung der Confusion den stattlicher klingenden Namen "Ge- werbeschule" beilegen. Die sachverständigen Schulmanner sind in Österreich wie anderwäns längst darüber einig, dass an niederen gewerblichen Schulen, denen nur wenige Abend- stunden der Wochentage und allenfalls einige Vormittagsstunden der Bonntage zur Verfügung stehen, nur durch Beschränkung auf den Wiederholungsunterricht aus den Gegenständen der Volksschule und auf den Zeichenunterricht sich Reelles leisten lässt. Höchstens können unter ausnahmsweise günstigen Verhältnissen bei vorgeschritteneren Schülern mit dem Unterrichte im Fachzeichnen, noch einige Unterweisungen aus dem Gebiete der Technologie oder der Styllehre verbunden werden. Hiemit sind die Grundsätze skizzirt, von welchen bei Bewilligung von Sub- "ventionen die Unterrichtsverwaltungl geleitet wird. Auch geht aus dem Gesagten
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