Hummer 22
internationale Sammier-Zeitung. Seite 349
Bestände an Fünf- und Zehnpfennigmarken nicht mehr ausreichten.
Die Postagentur sah sich genötigt, Zwanzigpfennigmarken zu hal
bieren und etwa 500 Postkarten mit 3 Pfennig zu bekleben, die den
Überdruck 5 Pfennig erhielten. Die Agentur hat damit entgegen den
Vorschriften gehandelt, denn cs ist den Postanstalten oerbaten,
Aushilfswerte dadurch zu schaffen, dafj eine andere Sorte oon
Wertzeichen mit dem Aufdruck des Wertes der fehlenden Sorte
oersehen oder halbiert wird. Die offenbare llotlage mag aber die
deutsche Postagentur auf den Karolineninseln entschuldigen; die
philatelistischen Feinschmecker aber finden ihre Tafel jedenfalls
mit einem neuen Gericht beseßt.
Uerschieöenes.
(RekonstruktioneinesgriechischenATeisterwerkes)
Wie uns aus Prag gemeldet wird, ist es dem dortigen Kunst
historiker, Professor W. Klein, der sich schon wiederholt durch
Ergänzung antiker Torsen ausgezeichnet hat, neuerdings gelungen,
der Trümmerwelt antiker Torogesfalten ein flleisterwerk der praxi-
felischen Epoche zu entreißen und zu neuem Ceben zu erwecken.
Seit dem Jahre 1594 kennt die Kunstgeschichte durch einen Stich
Caoaleris das Bild einer antiken Gruppe des Hermes mit dem
Bacchusknaben, die damals im Palazzo Farnese stand, seither
jedoch in Verschollenheit geriet. Jn der herrlichen Statue des
„jungen Beters aus der Schule Platons“ zu JTladrid hat Klein
eine Replik des Hermes und in dem Fragmente einer Kinderfigur
aus dem römischen Thermenmuseum eine solche des Dionysos
knaben erkannt. Dadurch war auf theoretischem Wege die Gruppe,
die natürlich oon dem Stiche im Gegensinne gezeigt wird, ins
monumentale Ceben zurückgerufen. Das eierte und wichtigste
Zeugnis, gewissermaßen den unumstößlichen, mathematischen
Beweis fiir die Richtigkeit seiner Hnnahme fand der Forscher auf
dem ITlünzbilde oon Anchialos, das unoerkennbar die oer-
schwundene und nun wiedererstandene Gruppe darstellt. Bildhauer
lTlayrl hat in trefflicher Weise die Figuren der Gruppe in den
entsprechenden Größenoerhältnissen zusammengefügt und die
fehlenden oder unrichtig angebrachten Teile oollkommen einwand
frei ergänzt. Das so wiederhergestellfe Werk zeigt neben einer
Herme, über die in ruhigem Faltenwurf ein Gewand herabfließt,
den Götterjüngling, mit starker fleigung des Körpers stüßf er
den linken Unterarm auf die Sfeinsäule, in der linken Hand sißt
das Dionysoskind, das in hellem Jubel die Ärmchen gegen den
Gott ausbreitet, der mit träumerisch oersonnenem fächeln zu ihm
herabsieht. Jn der fast zur Schulterhöhe erhobenen Rechten hält
Hermes den Stab, das Zeichen seiner Würde, der rechte Fuß ruht
als Standbein fest auf dem Boden, der linke als Spielbein berührt
ihn nur leise. Bei dem Reichtum an Ceben und Bewegung zeigt
die Gruppe doch eine strenge Geschlossenheit. Jn der Hauptansicht
faßt eine einfach geschwungene Cinie beide Gestalten in harmo
nischer Ruhe zusammen.
fDu5een.
(Ein Apollo aus dem sechsten Jahrhundert.) Die
Glyptothek in ITlünchen hat aus russischem Prioatbesiß für 180.000
)Tlark eine attische Apollo-Figur erworben, die oermutlich aus dem
sechsten Jahrhundert oor Christi Geburt stammt. Die Figur ist
sehr gut erhalten.
(Die Gemälde-Sammlung Carstanien.) Die Kunst-
schäße münchens haben durch die in der Pinakothek leihweise
aufgestellte Sammlung der Familie Carstanien einen bedeutenden
Zuwachs erhalten Bislang waren diese Gemälde im Kaiser Fried-
rlch-museum in Berlin, und da sie dort wegen Plaßmangel weichen
mußten, gelang es Herrn o. Tschudi, sie für ITlünchen zu gewinnen
und ihnen im ehemaligen französischen Saal ein entsprechendes
Unterkommenzu gewähren. Die Kollektion umfaßt, wie H. Cosserat
in der „Allg. Ztg,“ mitteilt, in der Hauptsache Bilder aus der Zeit
Rembrandts Der Hauptmeister und ihm hier ebenbürtig Frans
Hals sind durch je drei heroorragende Werke oertreten. Zwei der
Rembrandts gehören den Jahren 1645 (Porträt des Predigers
Syloius) und 1646 (Christus an der Säule) an, also seiner besten
Zeit, das Selbstbildnis stammt aus den leßten Jahren seines sorgen-
uollen Alters. Das „Fischermädchen“ uon Frans Hals gehört zu
seinen bekanntesten Genrefiguren und die beiden Porträte sind
oon seltener Qualität. An diese beiden Großen reiht sich eine
beträchtliche Anzahl der Zeitgenossen: fandschafter (Cuyp, Hobbeina,
Capelle, Vlieger, Genremaler (Steen, Teniers, Dou), Porträtisten
(Kayser, ITUreoelt, Ulaes) — alle mit oarzüglichen, zum Teil erst
klassigen Bildern. Aus der in deutschen Galerien spärlich uer-
tretenen italienischen Zeit A. oan Dycks ist ein prächtiges Damen-
bildnis norhanden. Dazu kommen noch zwei charakteristische
ITluriIIos und oon älteien meistern zwei Flügel eines kleinen
Altars oon Quentin IJTassys und ein größeres, sehr gut erhaltenes
Werk des nieisters der heiligen Sippe.
Uom Kunstmarkte.
(Kunstauktionen in Frankfurt a. ITl. unter ATiinch-
ner feitung) Ende des lllonats (22. und folgende Tage) finden
in Franfurt a. Hl. zwei bemerkenswerte Versteigerungen unter
der feitung des ITlünchner Kunsthändlers und gerichtlich Dereideten
Sachoerständigen Hugo Hel bing statt. Die eine dieser Auktionen
bringt die Prioatsammlung des oerstorbenen Kunsthändlers Ferdi
nand Günther, des langjährigen Inhabers der altrenamierten
PresteTschen Kunsthandlung zur Auflösung. — Die andere stellt
eine sehr schöne Sammlung bester moderner ITleister zum Verkauf.
Die Günther’sche Sammlung umfaßt Antiquitäten, Gemälde, Stiche
und Bücher. Unter den Antiquitäten dominiert das Zinn, nament
lich eine große Reihe sehr schöner Zunfthumpen oerdient allgemeines
Interesse. Daneben ist eine große Zahl prächtiger Geschirre her-
oorzuheben, die teils wegen der Schönheit der Form, teils wegen
der besonderen Betimmung der Stücke bemerkenswert sind. Unter
anderem fällt ein sehr hübscher Zinnteller auf, der ßlanchard's
28. Cuftreise darstellt. Jn zweiter Cinie sind die prächtigen RTöbel
zu erwähnen, namentlich an Schränken, Tischen und Stühlen findet
man gute Stücke der deutschen Renaissance, der Rokoko- und
Zopfzeit, natürlich besonders rheinische und mitteldeutsche lHäbel.
Auch hier manche Seltenheit, so eine sehr schöne Ceinenpresse des
18. Jahrh. Jm übrigen bietet die Sammlung manche interessante
Arbeiten in llletall, in Holz (hier einige reizende figürliche Schnißereien)
und anderem material, auch oiel Textiles und Kostümliches. Unter
den Bildern dominieren die Frankfurter ITleisfer, mit denen allen
Günther ja in Freundschaft uerbunden war. Peter Becker, J. F,
Dielmann, W. Beer sind mit reizenden Kompositionen, ITlaurer,
Burniß, Burger etc. mit bemerkenswerten Arbeiten oertreten. Unter
der Graphika befinden sich zahlreiche Frankofurtensia: neben
Stichen auch Handzeichnungen u. a. ein köstliches Blatt oon Al er i an.
Jm ganzen ist diese Prioatsammlung eines ITlannes, der so oiele Jahre
mitten im Kunstleben einer so großen, kunstfreudigen Stadt stand,
gewiß an sich oon großem Interesse; die große Zahl guter, seltener
Stücke innerhalb der an sich nicht großen Sammlung ist sicher
ein beredtes Dokument für den Geschmack und das Verständnis
Günthers. Jm Anschluß an die Auktion der Sammlung Günther
gelangt ebenfalls unter der feitung Helbing’s am 24. d. ITT. in
Frankfurt a. AT. eine Sammlung oon Ölgemälden und Aquarellen
heroorragender neuerer (Reister aus Frankfurter Prioatbesiß zur
Auktion. — Diese oorzügliche Kollektion enthält in erster Cinie
heroorragende Arbeiten Frankfurter Künstler, so sind P Becker,
W. Beer, C. Bode, A. Burger, J. F. Dielmann, J J. TRaurer durch
wahre Kabinettstücke oertreten. Doch sind auch oon meistern wie
A. Calame, F. o. Defregger, W. o. Diez, E. Grüßner H. Kauffmann,
H. Kaulbach, A. Schreyer, £. Zimmerman.i erstklassige Werke oor-
handen, die sicher das Augenmerk der Kunstfreunde auf sich
lenken werden. Ausführlich beschreibende Kataloge mit einem
schönen reichen Jllustrationsmaterial oersehen, geben erschöpfende
Auskunft über die beiden Sammlungen.
(Die Ciquidation des Antiquariats K. Th. Völcker.)
Das Antiquariat K. Th. Völcker in Frankfurt a. m. das seiner