Nr. 12
Internationale Sammler-Zeitung
Seite 93
über alte Probleme brachten, hat der Leipziger ordent
liche Professor für Sinologie, August Conrady, unter
Benutzung von Vorarbeiten des verstorbenen Karl
Himly herausgegeben, und der Berliner Sinologe Dr.
Erich Schmitt beurteilt den Ertrag im neuen Hefte der
Deutschen Literatur-Zeitung.
Sechs lange Jahre waren nötig, um die Stäbchen
reste, das sperrige Gewirr von Spänen und Splittern
und die Papiere, die einst von chinesischer Faust in
nun verfilzte Knäuel zusammengeknüllt waren, um sie
ins Kehricht zu werfen, zu sichten und zu entziffern.
Die kleinen Papierfetzchen, die der Wüstensand her
gab, wurden im Permutations-Geduldspiel zu Briefen
oder Brieffragmenten rekonstriert. Lou-Lan, an der be
rühmten Weltstraße gelegen, die von Osten nach Westen
lief und Turkestan, Persien, Indien, Europa mit China
verband, war nahezu der letzte Ausläufer der chine
sischen Kultur, die mit ihrer Schrift und mit ihrem
genialen Verwaltungsapparat die fremden Gebiete wie
mit eisernen Klammern umfaßt, sie in sich aufsaugt und
ihnen binnen kurzem das chinesische Gepräge gibt.
Es ist das ferne Sperrfort, das aus der endlosen Wüste
emporragt, als Wahrzeichen chinesischer Macht, ein
nahezu internationaler Ort, wo sich die verschiedensten
Kulturen trafen und mischten, ein Ort auch der Rassen-
und Sprachmischung. So öde aber der äußere, Wüsten
charakter tragende Anblick der Stadt an der Oase
Lopnor auch war, im Innern der vornehmen Häuser
herrschte Wohlstand. Bronze und Eisengeräte neben
Ueberbleibseln aus der früheren Kulturepoche der Stein
zeit, Muschelketten und Steinanhängern fanden sich,
Schalen mit persisch-indischen Löwenkopf, dann auf
der Kredenz Glasgeschirr aus dem fernen Syrien und
der Schmuck der Frauen, bunte Glasperlen, Goldkugeln
und allerlei Gestein, silbervergoldete Ohrringe, seidene
Gewänder usw'. Bis in diesen fernen Wüstensand ver
irrte sich ein Siegelring mit einer römischen Gemme
und dem Bild des Merkur. Für ein ebenso reichhaltiges
Bild geistiger Kultur sorgte die bedeutsame Lage an
der Weltstraße. Die chinesischen Musen und die Histo
riker waren dort bekannt und übten ihren kulturver
breitenden Einfluß. Sehr wichtiges Material geben die
Fragmente aus den Verwaltungsbehörden. Dort herrscht
das typisch chinesische Mißtrauen, das sich in Revision
und Superrevision und unendlicher Schreiberei äußert.
Das wissenschaftliche Hauptergebnis betrifft die
Erforschung des alten chinesischen Schriftwesens. Die
Lou-Lan-Funde enthalten Fragmente von Papierdoku
menten, die zu den ältesten Denkmälern gehören, die
wir von China besitzen. Das eine Fragment reicht wohl
bis in oder an die Zeit der Erfindung des Hadern
papiers (105 n. Chr.) zurück. Es finden sich darin höl
zerne Briefkuverts mit Papierbriefen, unter ihnen solche,
die schon mit dem Haarpinsel geschrieben sind und
nicht mehr mit dem hölzernen Stylus, wie die Linien
führung der Zeichen, die Ausfaserung der Strichenden
und schließlich die Erwähnung des Chung-Yu (gest.
230 n. Chr.), des berühmten Kalligraphen in der Lir-
Schrift zeigt.
Das interessanteste ist ein Kontrakt des Proviant
amtes in Lou-Lan. Die Vorderseite trägt den zwei
zeiligen Kontrollvermerk des Revisionsbeamten, während
auf der Rückseite die Unterschrift in zwei- und drei
maliger Wiederholung steht. Nur die linke Seite ist
noch vorhanden, weil sie schon senkrecht durchge
schnitten war, denn das ist ja das Kennzeichen eines
solchen Kontraktes. Jeder der vertragschließenden Teile
hat ein Exemplar davon in der Hand, und die Kontroll-
zeichen sind in der Mitte durchgeschnitten, so daß jeder
die Hälfte davon erhält. Dieser Fund aber bildet das
Bindeglied zwischen der ältesten Form des Kontraktes,
dessen Prinzip das des Kerbholzes war, und dem mo
dernen. Hier ist an Stelle der Kerbe schon das durch
schnittene Schriftzeichen.
T)ie J-luRtion der Cissfer-Bißfiotfieß.
Die abgelaufene Woche war der Versteigerung der
Bibliothek Gottfried Eisslers gewidmet. Der Ruf
dieser hervorragenden Bücherei, die Gilhofer &
Ranschburg gemeinsam mit Dr. Ign. Schwarz
in Wien im Auktionssaale des Letzteren durchführten,
hatte die hervorragendsten Repräsentanten des deutschen
Buchhandels und eine Reihe großer Sammler nach Wien
gezogen. Wir sahen von Buchhändlern Dr. Leo B a e r
(Frankfurt a. M.), Martin Breslauer (Berlin), Eise
mann (Frankfurt a. M,), Oskar G e r s c h e 1 (Stuttgart),
Halle (München), H ü n i c h (Kurt W o 1 f f, Leipzig),
Dr. Kaufmann (Frankfurt a. M.), Gerhard Tondeur
(Leipzig u. a. Von bekannten deutschen Bibliophilen
waren Dr Hochschild (Frankfurt a. M) und Doktor
Stumme (Leipzig) erschienen. Vom weiteren Ausland
fand sich der Buchhändler Rapaport (Rom) ein.
Die Versteigerung nahm einen sehr spannenden
Verlauf. Besonders die seltenen Goethe- und Schiller-
Ausgaben waren heiß umstritten. Kein Buch, das nicht
ein Mehrfaches der Schätzung erreichte: in einzelnen
Fällen stieg der Preis auf das Zwanzigfache der Taxe.
Käufer waren vornehmlich die deutschen Buchhändler,
so daß die Kostbarkeiten nach Deutschland gehen.
Nachstehend lassen wir die erzielten Preise in
Schilling folgen:
Johann Wolfgang von Goethe,
Gesamtausgaben.
Nr. 1. D. Goethens Schriften, 3. T. Berlin, Himberg 1775
—76 880, (Lutze), Nr. 2 J. W. Goethens Schriften, 2. Aufl., Berlin,
Himberg 1200, Nr. 3 Goethes Schriften, 8 Bde., Göschen 1787
—90 480, Nr. 4 Goethes Schriften, 8 Bde., J. Stahel und Göschen
1787—90 1100 (Lutze), Nr. 5 Goethes Werke, 12 Bde,. Tübingen
Cotta 1806—08 (50, Nr. 6 Goethes* Werke, 13 Bde., Tübingen
Cotta 1806—10 220, Nr. 7 Goethes Werke, 20 Bde. in 10 Cotta
1815—19 340, Nr. 8 Goethes Werke, Wien, Kaulfuß und Arm-
bruster 170, Nr. 9 Goethes Werke, vollständ. Ausgabe letzter
Hand 3000 (Martin Breslauer, Berlin.)
Einzelnausgaben seiner Werke.
Nr. 10 Dichtung und Wahrheit 1. 3. T. Cotta 1811—22 140,
Nr. 11 Benvenuto Celüni, Braunschweig, J. Bauer 140, Nr. 11a
Leben des Benvenuto Cellini, Cotta 1803 340, Nr. 12 Beschreibung
der Karlsbader Müllerischen Steinsammlung, gedr. bei J. Franieck
und Sohn 60, Nr. 13 Beurteilung des Lustspiels in Straßburger
Mundart, Dannbach 1820 45, Nr. 14 Brief des Pastors zu * * *
an den neuen Pastor zu * * *, Frankfurt, Eichberg 1773 2100,
Nr. 15 Der Bürgergeneral, Berlin, Unger 1793 17<>, Nr. 16 Das
römische Carneval, Berlin Unger 1789 6200 (Breslauer), Nr. 17
Ankündigung, Das röm. Carneval 440 Nr. 18 Claudine von Villa
Bella, Göschen 1788 45, Nr. 19 Clavigo, Wien 1785 20, Nr. 20
Dass., Wien 1807 16, Nr. 21 Egmont, Göschen 1788 420, Nr. 22
Elegie September 1823, Weimar 19oo. 14, Nr. 23 Römische
Elegien, Inselverlag 120, Nr. 24 Goethei Elegiae XXIII 75, Nr. 25
Des Epimenides Erwachen, 1815, Duncker & Humblot 70, Nr. 26
Erwin und Elmire, Separatabzug des 1. Druckes in der „Iris“
620, Nr. 27 Erwin und Elmire, 1. Buchausgabe 6oo, Nr. 28
Dass., Nachdrucksausgabe 1775 30, Nr. 29 Dass., Aechte Aus
gabe, Göschen 1788 35, Nr. 30 Faust, Tölz. Bremer Presse 1920
170, Nr. 31 Faust, Ein Fragment, Göschen 1790 38oo (Breslauer)
Nr. 32 Faust, Ein Trauerspiel, Göschen 179o 25o. Nr. 33 Faust,
Eine Tragödie, Cotta 1816 5o, Nr. 34 Faust, Eine Tragödie,
Zweiter Teil, Cotta 1833 34o, Nr. 35 Payer von Thurn, Der
historische Faust im Bilde lo, Nr. 36 Radziwill, Textbuch zu
Goethes Faust 14, Nr. 37 Gedichte, Erster bis zweiter Teil.
Stuttgart, Cotta 1815, mit Widmung an Frl. Wilhelmine Herzlieb
und einem kleinen eigenhändigen Gedicht Goethes (Wenn Kranz