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INTERNATIONALE SAMMLER - ZEITUNG
Nr. 20
während der Frühzeit und der klassischen Spätblüte.
Es war eine dankbare Aufgabe, eine solche nicht
nur ästhetisch erfreuende, sondern auch kunstge
schichtlich bedeutende und lehrreiche Sammlung zu
gestalten. Denn nur in einem so umfassenden und
so gut und treffend ausgewählten Ensemble — wie
es leider ein zweites Mal schwerlich mehr zusam
mengebracht werden könnte — ist die stilistische
Eigenart des Wiener Porzellans in voller Klarheit zu
erkennen. Die bis zur Verstaatlichung mit wirt
schaftlichen Nöten ringende Wiener Fabrik war bis
in die kaiserliche Zeit hinein von dem Ruhm der
acht Jahre älteren Meißener Manufaktur stark über
schattet; kein Wunder, daß man in Wien — wie
später auch in anderen Fabriken — den rasch zur
Vollendung gediehenen sächsischen Arbeiten wie
derholt Formen und Motive der Malerei entlehnte.
Verschafft man sich jedoch einen Ueberblick, ein
zutreffendes Gesamtbild des Wiener Porzellans, so
wie die Sammlung Karl Mayer es gewähren kann,
so ist man erstaunt, wie wenig doch die fremden
Einflüsse und die Meißener Muster für den Wiener
Porzellanstil der Fabrik Du Paquiers bedeutet ha
ben. Gewiß sind die Chinesenmalereien, die soge
nannten „deutschen“ Blumen, die landschaftlichen
Veduten — die in Wien übrigens bei weitem nicht
die große Rolle gespielt haben, wie in Meißen —
von den sächsischen Arbeiten Joh. Gregor Herolds
und seiner Schule angeregt worden, Aber bei der
Anregung ist es geblieben und von eigentlichen Ko
pien sächsischer Muster kann beim Wiener Porzellan
aus der Zeit Du Paquiers kaum die Rede sein.
Schon die zwei ältesten und merkwürdigsten
Inkunabeln der Wiener Fabrik sind Wahrzeichen
eines von vorneherein nach Eigenart strebenden
Willens, obwohl es sich hier um die Versuchsstücke
des aus Meißen nach Wien geholten Emailleurs
Christoph Konrad Hunger handelt, nämlich die be-
zeichnete Schale oder Kumme und den unbezeich-
neten, aber in der gleichen juwelierartigen Technik
dekorierten hohen Deckelbecher mit den drei
Kaiserfiguren (Fig. 3). Den in chinesischem Stil ge
haltenen Dekor der Schale Hungers bilden aufgelegte
Goldreliefs, in deren Vertiefungen durchsichtiges
Email in den Farben rot, grün, blau eingeschmolzen
ist. Bei dem ungleich reicher verzierten Kaiserbecher
tritt zu diesem Goldemailzierat noch die Bunt
malerei hinzu, die ebenfalls mit goldenen Relief
konturen versehen ist, Die beiden Stücke müssen
1718 oder 1719 hergestellt worden sein, weil Hunger
bereits 1720 Wien wieder verlassen hat.
In Einzelheiten übergehend, betont Falke, daß
in der Sammlung viele Variationen des Stils von Du
Paquiers zu finden sind und es spricht, sagt er, für
die Vorzüge dieses Stils, daß gerade die Geschirre,
die nur mit den typischen Randornamenten ausge
stattet sind, als die elegantesten ins Auge fallen. In
langen Reihen, zahlreicher als in irgend einem
Museum, sind die unter der Leitung des Modell
meisters I. I. Niedermeyer, aber offenbar von ver
schiedenen Modelleuren geschaffenen Trachten
figuren, Liebes- und Theatergruppen, Straßenver
käufer, Handwerker, Winzer, Jäger, Soldaten, Pil
ger, Jahreszeiten hier vereinigt, und man müßte
Dutzende von Nummern herzählen, um die besten
Stücke hervorzuheben. Denn es gehört zu den Vor
zügen der Sammlung Karl Mayer, daß bei der Aus
wahl der Figuren und Gruppen auf besonders gut
bossierte und fein bemalte Exemplare geachtet wor
den ist.
Die Geschirre der Sorgenthal - Periode im
klassizistischen Stil bilden die umfangreichste Ab
teilung dieser Sammlung; mit Recht, denn ihnen vor
allem verdankte die kaiserliche Fabrik den Welt
ruf, den ihre Erzeugnisse um 1800 erlangt haben.
Die Zahl von annähernd 200 Stück Tassen, Tellern,
Dejeuner-Gefäßen, Vasen ist groß genug, um die
außerordentliche Mannigfaltigkeit der Dekoration
in pompejanischer Ornamentik, der Bemalung mit
Figuren, Porträts, Landschaften, Wiener Stadtan
sichten, ferner die reiche und geschmackvolle
Farbigkeit und die Verzierung in Reliefvergoldung
in aller Deutlichkeit vorzuführen; die Zahl ist aber
andererseits zu groß, um unter dieser Fülle von Tas
sen und Tellern, von denen fast jedes Stück ein
selbständiges, kleines Kunstwerk ist, noch Einzel
heiten herauszuheben. Falke schließt: „Daß auch
dieser abgerundete und in sich geschlossene Bestand
dem Schicksal der Auflösung anheimfallen wird,
bleibt ein schmerzlicher Verlust für die Kunstwissen
schaft.“
Der Katalog ist der Sammlung würdig. Es ist
ein stattlicher, mit erlesenem Geschmack ausge
statteter Band, den nicht weniger als 148 ganz
seitige Bildtafeln schmücken. Kein Objekt, das nicht
abgebildet ist, so daß der Katalog auch illustrativ
eine Geschichte der Wiener Porzellankunst bildet.
Chronik.
AUTOGRAPHEN.
(Musikerautographen.) Leo Liepmannssohn in
Berlin kündigt für den 16. und 17. November eine große
Musiker-Autographen-Versteigerung an. Wie wir dem uns
freundlichst -zur Verfügung gestellten ersten Aushängebogen
des Kataloge« entnehmen, enthält die Sammlung 800 Nummern.
Es sind darunter Kostbarkeiten ersten Ranges. So finden wir
von Beethoven einen noch unveröffentlichten
Brief, der den Schlüssel für seinen Entschluß zu geben scheint,
die Berufung nach Westphalen abzulehnen und in Wien zu blei
ben, Der Brief lautet: „Barbarischer Freund! Heute erhalte icli
die Nachricht aus dem Königthum Westphalen auf meinen
Brief — man bietet meiner Wenigkeit als jährlichen Gehalt
600 Dukaten in Gold — gehab Dich wohl, sobald Du aus dem
Zustande der Barbarey wieder in den kultivirten übergehst,
lass mich's wissen, — Dein Freund Beethoven.“ Das Schreiben
ist offenbar Ende Oktober oder Anfang November 1808 zu
datieren, da Beethovens Berufung nach Kassel, bezw. Erwähn
r.ung der Berufung in anderen Briefen in diese Zeit fällt. Die
zweite, nicht weniger interessante Beethoven-Nummer ist eine
sorgfältige, geradezu kalligraphische Abschrift in Beethovens
Hand von einem Streichquartett Joseph Haydns in Es-dur (alle
4 Sätze), welches seinerzeit nur in Einzelstimmen veröffentlicht
wurde und das der junge Beethoven als Schüler Haydns in
Partitur setzte.
Von Anton Bruckner ist ein 4 Seiten langer Brief vor
handen, der von dem Erfolg seiner 7. Symphonie (E-dur) in
München spricht. Chopin ist mit den Etüden Op. 10, Nr. 11
und 12, für Pianoforte, Dvorak mit einem musikalischen
Albumblatt (Requiem dies irae illa) vertreten. Peter Corne
lius figuriert mit 14 sehr interessanten Handschriften,
Gluck mit 17 Briefen, die sich über sein musikalisches
Schaffen, aber auch über die politischen Ereignisse seiner Zeit
verbreiten. Von H a y d n ist u. a. eine unbeizeichtiete Partitur
skizze da; Lisizt erscheint nicht nur mit amüsanten Briefen,
sondern auch mit einigen Musikmanuskripten, so mit der
„Rhapsodie espagnole , den „Glanes de Woronince* u. a, Von
Lortzing enthält die Sammlung ein Stammbuchblatt aus
dem „Wildschütz" und das Lied „An den Frühling", von