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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde
Herausgeber: Norbert Ehrlich
22. Jahrgang Wien, 1. August 1930 Nr. 15
Die Sammlung des &reihevvn JCcinrich von Jhyssen.
Aus München wird uns geschrieben:
In wohltuendem Gegensätze zu so vielen Samm
lern, die ihre Schätze wie Drachen hüten und sie
selten neugierigen Augen preisgeben, hat Dr. Hein
rich Baron Thyssen-Bornemisza sich ent
schlossen, seine in Paris, Haag, London, Berlin,
München und anderen Städten zerstreuten Bestände
vorübergehend in München zu vereinigen und der
»Neuen Pinakothek« zur Ausstellung anzuvertrauen.
Und so hat denn München zur Zeit eine Attraktion,
um die es wohl manche Stadt beneiden wird. Denn
die Sammlung Thyssen darf den Anspruch für sich
erheben, eine der größten und wertvollsten Privat
sammlungen zu sein.
Was hat der junge Baron nicht alles in den we
nigen Jahren, da er dem Sammeln obliegt, zusam
mengebracht. Wohl war es in den engeren Kreisen
der Fachleute nicht unbekannt, daß er mit größtem
Eifer alles erwerbe, was gut und teuer ist — und
Gelegenheit dazu bietet sich ja jetzt, wo eine Samm
lung nach der anderen aufgelöst wird, in Hülle
und Fülle — aber fast niemand besaß genauere
Kenntnis über den Umfang und den Inhalt der Samm
lung nach der anderen aufgelöst wird, in Hülle
selbst versagte sich bisher, seine Schätze im Zu
sammenhang vor Augen zu haben, sondern beließ sie
vorläufig in verschiedenem Gewahrsam an allen den
Orten, wo sie erworben worden waren. Wenn der
Katalog der Sammlung, der von Dr, Rudolf Heine-
mann-Fleischmann in München mit gewohn
ter Gründlichkeit bearbeitet und vom Generaldirek
tor der Neuen Pinakothek, Dr. Fr. Dö'rnhöffer,
mit einem Vorwort versehen wurde, von einer
»Sammlung Schloß Rohoncz« spricht, so ist das
eigentlich eine Falschmeldung und nur damit zu er
klären, daß Dr. von Thyssen es aus Bescheidenheit
verschmähte, daß die Sammlung mit seinem Namen
etikettiert werde. Aber Sammlung Schloß Rohoncz
oder Sammlung Freiherr Heinrich von Thyssen —
Hauptsache ist die Sammlung selbst, die, wie schon
gesagt, sich den hervorragendsten ihrer Art an die
Seite stellen darf.
»Am besten«, sagt Dr, Dörnhöffer, »könnte man
sie wohl mit den fürstlichen Galerieschöpfungen des
18. Jahrhunderts in Vergleich setzen. Mit ihnen teilt
sie auch einen universalen Zug, übertrifft sie aber
weitaus an planmäßigem Aufbau. Während sich
neuere Privatsammlungen sonst auf ein einzelnes,
dem Geschmack des Sammlers entsprechendes Ge
biet, auf irgend eine bestimmte Richtung zu beschrän
ken pflegen, ist der entscheidende Zug im Wesen
der neuen Sammlung, daß sie den ganzen weiten Be
reich der europäischen Malerei vom Ende des 13.
bis zum 19. Jahrhundert gleichmäßig zu umfassen
strebt. Mit erstaunlichem Gelingen sehen wir be
reits die Grundpfeiler der Entwicklung, die großen
führenden Meister, soweit dies überhaupt noch mög
lich ist, in vollgültigen Werken vereinigt. Doch will
sich die Sammlung keineswegs damit begnügen, nur
solche Glanz- und Prunkstücke nebeneinander auf
zuweisen, Sie wünscht vielmehr die Entwicklung in
ihrer vollen Weite und Fülle zur Anschauung zu
bringen und stellt daher den Hauptmeistern auch
ihre Wegbereiter und Vorläufer, wie auch ihre Tra
banten und Nachfolger zur Seite, in denen allen sich
erst das Wesen und das Wollen der Zeiten in seiner
ganzen Vielgestaltigkeit zu erkennen gibt. Nicht ge
nug damit, läßt sich in der Anlage der Sammlung
auch das Bestreben erkennen, die Entwicklungspha
sen einzelner wichtiger Künstler deutlich werden zu
lassen, indem sie neben Frühwerke solche der vollen
Entwicklung und des reifen Alters“ stellt.«
Zur Illustrierung dieser, den Freiherrn von
Thyssen und seine Art zu sammeln, so vortrefflich
charakterisierenden Worte, seien einige Bilder her
ausgegriffen, die dem Besucher der Ausstellung be
sonders in die Augen fallen.
Gleich im ersten Saale fesselt das markante go
tische Bildnis eines jungen Mannes, das E. Büch
ner dem in Oesterreich durch seine Holzplastiken
ausgezeichnet vertretenen Michael Pacher zu
weist. Die Zuschreibung dieses Bildes an Pacher
war dadurch sehr erschwert, daß bis jetzt kein Bild
nis von ihm bekannt war. Ein Prachtstück ist auch
das um 1525 entstandene Frauenbildnis von Lucas
Cr an ach dem A e 11 e r e n, der überdies noch
durch die aus der Sammlung Wilhelm Triibner stam
mende »Ruhende Diana« und vier Altarflügel
(St. Anna, St. Elisabeth, St. Georg, St. Christoph
mit den Bildnissen eines Stifters und. einer Stifterin)
repräsentiert ist. Hans C r a n a c h, Lucas ältester
Sproß, erscheint mit »Herkules bei Omphale«. Der
Werkstatt Lucas Cranachs, beziehungsweise dessen
Schule gehören »Die Anbetung der Könige«, die ehe
dem im Kunsthistorischen Museum in Wien hing,
und das Bildnis einer sächsischen Prinzessin an.
Das Hauptstück der deutschen Sammlung aber
I ist das Frauenbildnis von Altdorfer, von dem,