INTERNATIONALE SAMMLER - ZEITUNG
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pretation schon vor Monaten aus der Sammlung aus-
geschieden und nach Berlin transportiert wurden,
zur Versteigerung zu bringen.
Vor Schluß des Blattes wird uns noch mitgeteilt,
daß in der Angelegenheit der Versteigerungen eine
Abordnung der „Vereinigung der Kunst- und Anti
quitätenhändler Wiens" beim Handelsminister Dr.
H a i n i s c h erschienen sei und ihm eine Eingabe
überreicht habe, die sich dagegen wendet, daß auch
nur ein einziges Stück der Sammlung von der Ver
steigerung im Inlande ausgenommen werde. Der
Minister erklärte den Mitgliedern der Abordnung,
daß er persönlich nach wie vor den Standpunkt der
Vereinigung teile. Der Ministerrat habe die Ausfuhr
einzelner, allerdings namentlich nicht ange
führter Stücke im Prinzip gestattet. Schon der
Regierung Streeruwitz sei die Erklärung Vorgelegen,
daß die wertvollsten Stücke dem Staate (?) erhal
ten bleiben. Es werde jetzt eine Kommission
eingesetzt werden, welche die nun zur freien Ver
äußerung gelangenden Stücke zu sichten habe, in
die Gruppe der Gegenstände, die in W i e n zur Ver
steigerung gelangen und in jene Gegenstände, die
im Ausland zum Verkauf gelangen. Es sei selbst
verständlich die Absicht, daß der Hauptstock
der Kunstgegenstände, insbesondere der internatio
nal besonders anziehenden, in Wien zur Versteige
rung gelange.
Wie die Sammlung Vieweg entstand.
Wir haben bereits auf die Sammlung V i e-
weg hingewiesen, die am 18. März bei Rud, Lepke
in Berlin zur Versteigerung gelangt. Der unterdes
erschienene, prachtvoll ausgestattete, von Friedrich
Winkler (Gemälde) und Otto von Falke (Skulp
turen und Kunstgewerbe) verfaßte Katalog gibt Auf
schluß über das Entstehen dieser hervorragenden
Sammlung,
Den Namen Vieweg, schreibt Winkler, führt die
Sammlung nicht ganz zu Recht. Soweit es die Ge
mälde angeht, müßte sie eigentlich „Campe-Vieweg"
heißen. Denn der größere Teil der Bilder stammt aus
der bekannten Verlegerfamilie Campe, die eben
falls in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu
erst eine Rolle zu spielen beginnt. Heinrich Wilhelm
Campe (1770—1862), ein eifriger Sammler von Bil
dern und Graphik in Deutschland, war zwar nicht
wie die in Braunschweig, Hamburg, Nürnberg an
sässigen Mitglieder der Familie Buchhändler. Sein
Onkel war der bekannte Verleger des „Robinson
Crusoe“, er selbst Kaufmann, Finanzrat und bayeri
scher Generalkonsul. Er mußte seine Bilder, die zum
Teil auf die bekannten Leipziger Sammlungen Winck-
ler, Lampe, Richter zurückgehen, 1827 bei Boerner
in Leipzig versteigern. Karl Gustav Boerner, der
Begründer der bekannten Leipziger Graphikhandlung,
war ein naher Freund Campes und eine Art Kustos
der Sammlung, Die wertvolle Handzeichnungssamm
lung Campes blieb erhalten, sie ging 1862 an seine
drei Töchter über. Teile sind noch erhalten, z. B.
in der Sammlung E h 1 e r s in Göttingen (die übrigens,
wie schon gemeldet, im Mai d. J. bei C. G. Boerner
in Leipzig zur Versteigerung kommt), andere wurden,
wie die genannte und die Hausmannsche, von den
neuen Besitzern erweitert. Manches Blatt von Dürer,
Remibrandt und Watteau stammt daher. Es sei nur
an Dürers prachtvolle slawische Bäuerin von 1505
erinnert, die kürzlich zu einem Rekordpreis aus dem
Besitze Dr. Eislers in die Sammlung F. Königs
in Haarlem überging. Campes Verwandte dürften ihn
1827 durch Ankauf auf der Auktion unterstützt
haben, wofern er nicht selbst manches zurückkaufen
ließ. Unter den Vieweg'schen Bildern sind noch heute
zumindestens neun nachweisbar, die in dem Kata
log von 1827 Vorkommen, Obwohl sich unter den 470
zur Versteigerung gekommenen Gemälden Perlen wie
Cranach's Flügel von 1506 (in der Speck von
Sternburg'schen Sammlung in Lützschena zum Dres
dener Katharinenaltar gehörig), die Brautbilder des
Johann Friedrich — Hahnfried genannt — und der
Sibylle von Cleve desselben Malers, jetzt in Weimar,
dazu die Grisaille von Dirk Bouts (ehemals in
Wörlitz) und Jakob von Ostsanens Triptychon
(in Kassel) befanden, dürfte sie unserem. Geschmack
nicht eben zugesagl haben. Die Maler, die im Ge
folge der Berchem und Both — bis weit ins 18. Jahr
hundert hinein — arbeiteten, und mit denen Goe-
t h e aus dem Hause seines Vaters noch vertraut war,
überwogen weitaus.
Die Mehrzahl der Vieweg'schen Bilder stammt
aus der zweiten Campeschen Sammlung, die Heinrich
Wilhelm nach 1827 anlegte, mit geläutertem Ge
schmack und erfahrener Kennerschaft, soweit man
nach dem in der Familie verbliebenen Rest urteilen
darf. Campe regte sowohl seinen Schwiegersohn
Eduard V i e w e g, wie seinen Enkel Heinrich Vie
weg (1826—1890) zum Sammeln an. Letzterer über
nahm einen Teil der großväterlichen Kollektion, eben
den noch heute im Besitz der Familie befindlichen,
aus dem die Namen Cranach, Scorel, Prevost, Bruyn,
Avercamlp, Fungai, Defendente Ferrari hervorgeho
ben seien.
Den rechten Schwung erhielt Heinrich Vieweg's
Sammlerpassion erst, als er mit einem 20 Jahre jün
geren Landsmanne, dem Enkel des verdienten Braun
schweigers Stadtdirektors, in Verbindung trat. Dieser
damals knapp Dreißigjährige hieß Wilhelm Bode,
Nachdem er an den Berliner Museen die ersten
großen Erwerbungen gemacht hatte, trat er in engere
Verbindung mit Vieweg, der auch der Verleger seines
ersten Buches der „Studien zur niederländischen
Malerei“ wurde (1883). Bode war der rechte Mann,
der Sammlung einige Lichter aufzusetzen. Wenn auch
nicht feststeht, in welcher Weise er bei den einzel
nen Ankäufen mitgewirkt hat, so ist doch mit Sicher
heit anzunehmen, daß die Hauptstücke von Ruysdael,
Steen, van Dyk, Teniers, Robbia, Zoppo und die be
malte bolognesische Terrakottabüste unter seiner
Beihilfe auf Reisen in Italien und auf Auktionen er
worben wurden. Befinden sich doch Höchstleistungen
der betreffenden Maler, die damals nur der Scharf
blick eines erfahrenen Käufers, wie Bode aus den
Angeboten des Marktes herausfischen konnte.
Auch nach dem Tode Heinrich Viewegs hat Bode
der Sammlung seine Fürsorge angedeihen lassen. Von
ihm rührt das handschriftliche Verzeichnis mit den
Schätzungen für die Versicherung und mit vielfachen
Berichtigungen der Zuschreibungen her. Nur in
wenigen Fällen brauchte die zuletzt 1910 durchge
sehene Liste auf den jetzigen Stand der Forschung
gebracht zu werden. Hingegen ergab die Suche in
der Literatur für eine ganze Reihe von Werken die
Herkunft aus bekannten Sammlungen des 18. und 19.
Jahrhunderts.
Die plastischen und kunstgewerblichen Gegen
stände sind, wie Falke mitteilt, in der Hauptsache