Nr. 20
INTERNATIONALE SAMMLER - ZEITUNG
Seite 209
BILDER
(Der Berliner Giorgione restauriert.) Unter Aufsicht des
Direktors der Staatlichen Gemäldegalerie in Berlin, Geheim
rat Dr, Max J. Fried'lande r, hat der Restaurator des
Museums Helmut Ruhemann eine Reihe von hervorragen
den (Kunstwerken der Galerie wiederhengestellt, unter ihnen
das Jünglingsbild des Giorgio n e. (Nach (Entfernung des
neuen Firnisses und neuerer Uefoermaluntgen erscheint der
karminviolette Rock des jungen Herrn in einem ganz neuen
Ton; .der Hintergrund, die Haarfarbe, das Gesicht haben neue
Valeurs bekommen, die offenbar diejenigen des Giorgione sind,
Mißverständnisse in der Zeichnung, die bei einer früheren
Uebermalung passiert waren, wurden verbessert. Das Bild von
Bode 1891 gekauft, zeigt erst jetzt recht, wie echt es ist, und
daß es von dem (frühverstorfcenen Meister an einigen Stellen
offenbar nicht ganz fertig gemalt wunde.
(Das Wappen des Malers der St, Pauler Fresken.) Bei
den Aufdeckungsarbeiten der vor kurzem gefundenen gotischen
Wandmalereien in der Stiftskirche zu St. Paul im Lavanttale
kam, wie uns von dort gemeldet wind, über der Apostelgruppe
ein Schweißtuch der hl. Veronika, das von zwei Engeln ge
halten wird, zum Vorschein. In der Wappengruppe konnte nun
Graf Hugo H e n c k e 1 - D o n n e r s ml a r k da® bisher unbe
kannte Wappen als das eines Gurker Vasallen feststel
len, dessen Name noch nicht ermittelt ist, Ajber es ist gewiß
das Wappen des Malers, denn eine mühsam enträtselte In
schrift lautet; „Das ist sain Maller Wappen."
(Ausstellung der Sammlung Grcnvold.) Die Sammlung
Bernaf G r ö n v o 1 d, von der wir in der vorigen Nummer
berichtet haben, ist in der Ludwigs- Gal erie Otto H.
Nathan in München ausgestellt. Sie bleibt bis 31. Oktober
dem Publikum zugänglich.
NUMISMATIK
(Dr, Gottfried Balka.) In Salzburg ist am 4. Oktober
der Öberlandesgerichtsrat i. R. Herr Dr. Gottfried B a: 1 k a.,
ein bekannter Numismatiker, im 89. Lebensjahre gestorben.
VERSCHIEDENES.
(Jakob Welti.) In Zollikon bei Zürich, wo er seit langen
Jahren lebt, feierte am 1. Oktober Jakob Friedrich Welti
seinen 60. Geburtstag. Heinrich Reinhart in Winterthur und
der Löfftz-'Schüler Aspe in München waren seine Lehrer, ein
längerer Aufenthalt in Berlin ging seiner Niederlassung in
Zürich voraus. Welti hat sich vor allem als vorzüglicher Por-
txätist einen Namen gemacht. Eine große Zahl Bildnisse von
seiner Heimat (befinden sich in Züricher, Winterthurer und
Berner Privatbesitz. Im Züricher Kunstbaus hängt sein Porträt
Rudolf Kollers (1896), Welti. -dem man die Entdeckung der im
Züricher Kunsthaus deponierten Landschaft Gottfried Kel
lers verdankt —- er fand sie hei einem Trödler in München
— und der in den 1890er Jahren in seinem damaligen Atelier
an der Stadelhoferstraße Ferdinand Hodler kameradschaft
liche Unterstützung bot, ist an der gegenwärtigen Winter
thurer Ausstellung „Das Alter in der Kunst" mit dem ausge
zeichneten „Porträt Dr. Conrad Escher" vertreten.
(Ted bekannter Sammler.) Auf Schloß Eisersdurf in der
Grafschaft Glatz starb Frau Clairisse von Lindheim, ge
borene von Vivenot, die Witwe des ehemaligen deutschen
Generalkonsuls in Wien Wilhelm von Lindheim, im 76. Lebens
jahre, Sie war vor Jahren in Wien ansässig und als Sammlerin
bekannt. In ihrem Besitz befanden sich ein dem van Dyck
zugeschriebenes Porträt, ferner Bilder von Rudolf von Alt,
Amerling, Angeli, van Haanen, Hörmann, Pochwalski, Schaffer
u. a. und eine Statue »Johannes der Täufer« von Canova.
Auf seinem Gute Engleiten bei Bad Ischl starb der
ehern. Konsul Edgar Spiegel von Thurnsee. Der Ver
blichene war ein großer Kunstfreund und Sammler alter Kunst
werke; in einem eigenen Hause auf seinem Gute hatte er eine
Sammlung alter bodenständiger Kunstwerke untergebracht.
(Paul Kristeller f.) Der Kunsthistoriker Paul Kristel-
ler ist auf seinem Gut in Meersburg am Bodensee gestorben.
Die (kunstgeschichtlicihe Forschung der letzten Jahrzehnte ver
dankt ihm die wichtigsten Arbeiten auf dem Gablet der alten
Graphik. Ausgegangen war Kristeller von der allgemeinen
Kunstgeschichte, insbesondere der fnühitalienischen Malerei,
und setzte diesen Studien ein weithin bekanntes Denkmal in
einem umfangreichen Werk über Andrea Mantegna. In
dieser Zeit schon beschäftigte er sich mit der Neuordnung der
graphischen Sammlung in Rom, um sich nachher jahrelang um
die Bearbeitung der graphischen Bestände des Kupferstich-
Kabinetts in Berlin verdient zu machen. Sein 1905 erstmals
erschienenes und nachher wiederholt aufgelegte® Werk
„Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten" bedeutete
die erste kritische Zusammenfassung der Geschichte der graphi
schen Künste..
(Gefälschte Altertümer.) In der Beilage zum jüngsten
Band der Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertums
kunde berichtet der bekannte Aegyptologe Ludwig Borch-
ardt über ägyptische .„Altertümer", die er für neuzeitlich
hält. An Hand von 56 vortrefflichen Abbildungen solcher
Machwerke, wobei ungefähre Höhe, Werkstoff und Zeit des
ersten Auftretens jeweils angemerkt werden, lernt man die
Produkte vornehmlich unterägyptischer „Schulen“ kennen, die
Borchardt im Laufe von mehreren Jahren in Aegypten (Cairo),
Paris und in zahlreichen öffentlichen wie privaten Sammlungen
aufgestöbert hat. Bemerkenswert ist, daß die in Oberägypten
auf dem Gebiete der Altertümerherstellung arbeitenden
„Schulen" nicht fähig waren, den gleich hohen Grad in hand
werklicher, künstlerischer und stilistischer Fertigkeit zu er
reichen wie die 'Unterägyptischen. Es ließ sich auch nac'hwei-
sen, „daß ein bestimmter Hersteller in Cairo während der
Fremdenzeit seine recht guten Arbeiten wegen des besseren
Absatzes möglichst nach Luxor zum Vertrieb sandte." Das
Ergebnis von Borchardts Nachforschungen ist unerfreulich: In
den Sammlungen waren stets einige, wenn nicht mehrere sol
cher Stücke vertreten, zwei Privatsammlungen be
standen fast nur aus diesen. Ueber den amerikanischen
Besitz orientiert der Aufsatz nicht, doch wird mitgeteilt, daß
auch dort ähnliche Stücke gekauft worden sind.
(Scherzworte Forains.) Von dem kürzlich verstorbenen
Forain, der als Karikaturist und Zeichner ebenso berühmt
wie als Satiriker gefürchtet war, veröffentlicht der „Quer
schnitt“ eine Lese der ergötzlichsten und geistreichsten Aus
sprüche: Nach einem Diner bittet ihn die Hausfrau, deren
ganzer Stolz die Bildersammlung ist, sein Urteil abzugefoen.
„Als Künstler oder als Gast?" fragt Forain. — „loh gehe nicht
mehr zu Toul.ouse-Lautre c”, beklagt sich die Gattin
eines großen Verlegers bei ihm. „Denken Sie nur, während ich
ihm saß, hat er ein Kamel gezeichnet." „War es wenigstens
ähnlich?" fragt Forain. — In einem Gespräch mit Zola über
Literatur sagt der Romancier: „Ich hasse Geist in der Kunst."
„„Ich weiß, Meister" antwortete Forain, „ich lese Ihre Werke."
Im selben Geist sind die Legenden gehalten die er unter seine
Zeichnungen setzte: Im „Bistrot": Mutter sagt zur kleinen
Tochter: „Sieh' dir den dicken Blonden an, der neben der
Frau -im roten Kleid sitzt! Das ist dein Vater!" — Nacht
lokal: Nefhen einem wohlgenährten Spießer hockt ein blasses
Mädel, verschlingt heißhungrig das Essen. „Man könnte
glauben, sie soupiert. . . . Sie frühstückt.“ — Selbst im Ange
sicht des eigenen Todes konnte dieser Satiriker nicht schwei
gen. Als der behandelnde Arzt Forains Frau mit den Worten
zu beruhigen suchte: „Das Herz funktioniert gut, die Nieren
arbeiten zufriedenstellend:...“, fuhr Forain, dem nichts ent
gangen war, im Tonfall des Arztes fort: es geht ihm aus
gezeichnet, er wird, von allen Krankheiten geheilt, sterben.“
(Ein Goldschatz.) An der belgisch-französischen Grenze
hei dem kleinen Ort Hertain wurde auf dem Gebiet eines
alten Klosters nach den Angaben eines Rutengängers ein aus
dem 10. Jahrhundert stammender Goldschatz gefunden, der
einen Wert von 100 Millionen Franken haben soll.
Der Schatz soll nach einer Ueherlieferung, die sich bis heute
in der Gegend erhielt, und derentwegen auch die Nachfor
schungen angestellt worden waren, dort vor fast einem Jahr
tausend von Mönchen vergraben worden sein. Das damalige
Kloster war zwar .französisch, der Schatz hat sich aber auf
dem Grund und Boden belgischer Staatsbürger gefunden.
Es fragt sich nun, in wessen Besitz er üfcergehen wird.
MUSEEN.
(Kupferstich-Kabinett und Kunst-Bibliothek in Kassel.)
Den zahlreichen Kunststätten, die der Stadt Kassel das
geistige Format gehen, wird jetzt eine weitere hinzugefügt: ein
Kupferstich-Kabinett, das die zum großen Teil ans
fürstlich hessischem Besitz stammenden graphischen Schätze,
vor allem der iSchloßbibliothek Wilhelmsböihe, der Gemälde
galerie, der Kunstakademie, des Landesmuseums einheitlich
zusammenfaßt, und eine von derselben Idee getragene, aus den
»gleichen Sammlungen zusammen gebrachte Knnsthistorisdhe
Bibliothek; beide Teile bilden ein organisches Ganzes und
werden als solches durch den Oberpräsidenten der Provinz
Hessen-Nassau der Öffentlichkeit übergeben. Das Kupferstich-